Das vorgefilterte Netz

06.03.2012
Bringt googlen tatsächlich immer mehr Informationen? Der amerikanische Netzaktivist Eli Pariser bezweifelt das. Die Filtermechanismen von Suchmaschinen und sozialen Netzwerken blenden seiner Meinung nach Themen aus, die relevant, aber zu komplex sind.
Wie schön könnte das Internet sein, gäbe es nicht profitorientierte Unternehmen, die so tun, als hätten sie das Gemeinwohl im Sinn, um am Ende doch nur ihrem Gewinn zu folgen. Wegen ihnen durchlaufen die Pioniere des Internets seit einiger Zeit ein Tal der Enttäuschung. Vor wenigen Jahrzehnten noch als Ideal einer transparenten Kommunikationsstruktur gefeiert, sehen sie das Netz inzwischen als einen Ort, der die Menschheit gefährdet, weil gewissenlose Geschäftsleute dort unter falschem Vorwand ihr Unwesen treiben.

Auch den Amerikaner Eli Pariser treibt diese Sorge um. Der 31-Jährige, der sich als früherer Chef der demokratisch-orientierten Mobilisierungsplattform MoveOn.org in der Netzwelt einen Namen gemacht hat, ist allerdings nicht der erste, der dies öffentlich in Buchform beklagt. Spontan denkt man deshalb zunächst: Nicht schon wieder Internet-Bashing!

Und tatsächlich: Auch Pariser spart in "Filter Bubble" nicht mit dem üblichen kulturpessimistischen Unterton. Anders als Autoren wie der FAZ-Herausgeber Frank Schirrmacher oder der Technologiekritiker Nicolas Carr stellt er jedoch nicht das Problem der Informationsüberflutung in den Mittelpunkt seiner Analyse. Er kritisiert vielmehr die daraus inzwischen resultierende Selektion von Informationen durch große Internetplayer wie Google, Amazon oder Facebook.

Seine Beobachtung: Um angesichts der Menge an Daten, die im Netz kursieren, dem Nutzer den Durchblick zu erleichtern, filtern die Unternehmen alles Vorhandene und präsentieren jedem Einzelnen bei einer Suchanfrage oder in seinem Facebook-Profil nur solche Informationen, die ihn möglicherweise interessieren könnten. Diese Personalisierungsstrategie führe dazu, dass es sich die User früher oder später in ihrer eigenen, so genannten Filter Bubble, bequem machten, nichts Zufälliges oder fremde Sichtweisen mehr entdeckten und sich nur noch um sich selbst drehten. Isolation statt Kommunikation – so der düstere Ausblick auf die Online-Zukunft.

Auch wenn dieses Szenario so eindimensional ist wie der manipulierte User, den sich Eli Pariser ausmalt – fesseln kann er wenigstens mit Fakten und Zahlen, die einem den Schauer über den Rücken jagen. Denn eine Konsequenz der Personalisierung ist auf jeden Fall schon mal sicher: Nie waren wir so gläsern wie im Internet, wo Cookies jede Bewegung festhalten und (undurchsichtige) Algorithmen Profile von uns errechnen. Und zwar zuallererst zur Gewinnmaximierung der Unternehmen, die sich die Personalisierung ausgedacht haben, um besser Werbung verkaufen zu können und nicht, weil sie so unglaublich sozial denken.

So berechtigt diese Kritik ist und so schlüssig Eli Pariser sie auch ausführt: Die größte Schwachstelle seines Buches besteht darin, dass die eigentliche Nebenwirkung der Filter Bubble, um die es ihm hauptsächlich geht – die Selbstaufgabe des Users – reine Spekulation bleibt. Sollte der Mensch vielleicht doch nicht so naiv sein? Darauf setzt Pariser am Ende schließlich selbst, wenn er dazu auffordert, durch gesellschaftliches Engagement die großen Internetplayer in ihre Schranken zu weisen.

Besprochen von Vera Linß

Eli Pariser: Filter Bubble. Wie wir im Internet entmündigt werden.
Aus dem Amerikanischen von Ursula Held
Hanser 2012, 288 Seiten, 19,90 Euro

Links bei Dradio:

Lesart 2012-01-08 - Wissen über Internetnutzer
Eli Pariser: "The filter bubble. What the internet is hiding from you", Penguin Press


Lesart 2011-05-22 - Vorzüge und Gefahren des digitalen Zeitalters
Kai-Hinrich Renner und Tim Renner: "Digital ist besser"; Constanze Kurz und Frank Rieger: "Die Datenfresser"