Das virtuelle Alpenobservatorium

Von Georg Gruber · 02.08.2012
Seit Mitte der 90er-Jahre ist auf der Zugspitze Deutschlands höchstes Forschungslabor untergebracht. Zehn Einrichtungen und Institute sind daran beteiligt. Nun hat die "Forschungsstation Schneefernerhaus" ein neues Projekt angestoßen: ein virtuelles Alpenobservatorium.
Das Schneefernerhaus erreicht man mit der Gondel, mit Umsteigen oben auf der Zugspitze. Die letzten Meter exklusiv nur für die Mitarbeiter der Umweltforschungsstation, die sich an den Hang unterhalb des Gipfels schmiegt. Auf acht Stockwerken haben zehn Forschungseinrichtungen Messstationen und Labore eingerichtet, von der TU München über das Umweltbundesamt bis zur Max Plank Gesellschaft.

Das Besondere: Die Forscher tauschen ihre Daten aus und arbeiten auch gemeinsam an Fragestellungen, eine der wichtigsten sind Folgen des Klimawandels. Prof. Michael Bittner vom Deutschen Zentrum für Luft- und Raumfahrt ist wissenschaftlicher Sprecher der Umweltforschungsstation. Im fünften Stock des ehemaligen Hotels ist noch Platz für ein neues Projekt, das Virtuelle Alpenobservatorium.

"Dieser Raum hier wird gerade umgebaut, es kommt ein neuer Boden rein, ein weiterer Arbeitsplatz, wir kriegen vernünftige Möbel, aber Sie sehen, das Herz existiert schon, Sie sehen also hier Bildschirme, Sie sehen Computereinrichtungen, die Server dazu sind eine Etage tiefer und sie haben hier den Blick jetzt in die weite Welt hinein."
Darum geht es in dem neuen Projekt: Um den Blick in die weite Welt, über Bildschirme und Datenleitungen. Es geht um die internationale Vernetzung mit anderen renommierten Observatorien im Alpenraum in Österreich, Italien, Frankreich und der Schweiz.

"Das heißt, wenn Sie jetzt ein Wissenschaftler sind, der jetzt zum Beispiel auf dem Jungfraujoch arbeitet und eine Fragestellung bearbeitet zum Thema Luftqualität. Sie messen jetzt mit Ihrem Gerät plötzlich eine erhöhte Staubkonzentration, dann können Sie sich an Ihren Computer setzen und sehen die Messdaten aller Stationen direkt vor sich und können also prüfen, sehen die anderen das auch, erste Frage.

Dann können Sie darüber hinaus auch die Frage stellen, wo kommt denn dieser Staub überhaupt her, und dann gibt Ihnen dieses virtuelle Alpenobservatorium die Möglichkeit, ein Computermodell, ein physikalisches Modell, das dann beim Leibniz Rechenzentrum in Garching bei dem Super-Computing Center liegen wird, anzusteuern und Sie können dieses Modell nach Ihren Vorgaben konfektionieren, laufen lassen, und kriegen das Ergebnis zurück, das heißt Sie sind also gleichzeitig angeschlossen an Modellkapazitäten, das war jetzt nur ein Beispiel, Sie können auch Klimamodelle laufen lassen nachher."

Das Deutsche Zentrum für Luft- und Raumfahrt misst vom Schneefernerhaus aus mit Hilfe von Infrarotstrahlung die Wärme in der Atmosphäre in einer Höhe von 87 Kilometern, um so Rückschlüsse auf den Klimawandel ziehen zu können. Sabine Wüst vom DLR sagt, dass auch dafür das Virtuelle Alpenobservatorium nützlich sein könnte:

"Das ist natürlich insofern schon spannend für uns, weil manchmal brauchen wir ja Zusatzinformationen, was war denn am Boden los, wie sah denn der Luftdruck aus, ist sonst irgendwas Spannendes passiert, wie sah die Wolkenbedeckung aus, solche Dinge, da Zugriff zu bekommen auf andere Stationen, ist natürlich schon von Vorteil."

Im Laufe des Projekts sollen die Forscher der beteiligten Observatorien sogar die Messgeräte der Kollegen fernsteuern können.

"Ich kann also von hier aus mit meinem Computer die Geräte auswählen, die ich brauche, zum Beispiel ein Temperatursensor und ich kann den programmieren, wo der hinkucken soll, und zu welcher Zeit der messen soll. Das tun dann die Geräte und sie liefern mir die Daten direkt, das heißt, ich muss nicht mehr da hinreisen, ich muss niemand mehr anrufen: Kannst Du mir mal das Gerät ausrichten? Kann ich dann die Daten haben? Sondern das läuft alles vollautomatisch von einem Standort aus beziehungsweise sie können von jedem Standort aus diese Funktionalität ausüben."

Im Moment prüfen die Institute, ob die informationstechnische Infrastruktur ausreicht - nicht alle haben so leistungsstarke Glasfaserkabelverbindungen wie das Schneefernerhaus. Außerdem müssen die Daten der Observatorien in ein einheitliches Format gebracht werden:

"Das ist momentan noch Kraut und Rüben, ich sag es mal so, aber dafür haben wir ja jetzt dieses Projekt gestartet und wir sind jetzt alle dabei unsere Datensätze in dieses Format zu bringen, damit auch jeder was damit anfangen kann."

2013 sollen dann gemeinsame Forschungsvorhaben angegangen werden. Michael Bittner sieht in dem Virtuellen Alpenobservatorium nur einen ersten Schritt hin zu einer noch weitergehenden internationalen Zusammenarbeit. Das Ziel: Ein Netz, an dem alle relevanten europäischen Observatorien von Irland bis zu den Kanarischen Inseln beteiligt sind, dazu auch noch Messstationen in Afrika, in der Antarktis- und Nordpolarregion - und nicht zu vergessen in Georgien, am Schwarzen Meer:

"Wenn das gelingt, haben wir ein Messnetz von leistungsfähigen Observatorien, von Norden nach Süden, das heißt, Sie überstreichen alle Klimazonen, von den Tropen über die Subtropen, gemäßigte Zonen bis rein in die Polarregien im Norden und Süden.

Das müssen Sie ja auch alles verstehen, wenn Sie Klimawandel verstehen wollen, brauchen Sie diese Prozesse und die müssen Sie erfassen. Und wir haben eine Ausdehnung vom Atlantik bis rüber ans Schwarze Meer, das heißt alles, was zur Vordertür hereinkommt für Europa und alles was zur anderen Tür rausgeht, können wir also wunderbar messen."

Das Schneefernerhaus ist nicht nur Deutschlands höchstes Forschungslabor, sondern, das zeigt das Virtuelle Alpenobservatorium, auch ein guter Ort für Visionen, für Wissenschaftler mit Weitblick und solche, die gerne Gondel fahren.
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