Das Streichquintett von Franz Schubert

Erkenntnis und Schönheit

Der Komponist Franz Schubert (1797-1828)
Überirdisches Spätwerk mit 31 Jahren: Franz Schubert in einer undatierten zeitgenössischen Darstellung © picture-alliance / dpa
Gast: Michael Stegemann, Musikwissenschaftler; Moderation: Olaf Wilhelmer · 21.04.2019
Wenige Wochen vor seinem Tod schuf Franz Schubert sein Streichquintett. Es wurde zu einem Hauptwerk nicht nur Schuberts, sondern der gesamten Kammermusikliteratur. Seit Jahrzehnten ringen Musiker um Zugänge zu diesem Ausnahmestück.
Franz Schubert war 31 Jahre alt, als er das Quintett für zwei Violinen, Viola und zwei Violoncelli C-Dur, Nummer 956 im Deutsch-Verzeichnis, komponierte. Zumindest kann man das vermuten, denn der Entstehungsprozess dieses Werkes ist nur spärlich dokumentiert. Am 2. Oktober 1828 erwähnte er in einem Brief an den Leipziger Verleger Heinrich Albert Probst das Quintett, das "dieser Tage erst probirt" werde. Die Tage des Komponisten waren da längst gezählt; Schubert, der an Syphilis litt, starb wenige Wochen später, am 19. November.

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Warten auf Anerkennung

Unendlich und unredlich ist über diesen Komponisten spekuliert worden, doch geht man sicherlich nicht zu weit in der Annahme, der schwerkranke Schubert habe seinen Tod vor Augen gehabt, als er dieses wahrhaft unvergleichliche Werk schrieb, dessen Höhepunkt das mal düstere, dann wieder überirdisch abgeklärte Adagio in E-Dur ist. Eine Musik, die über ihre Schönheit Wege zur Erkenntnis bahnt.
Der Verleger übrigens nahm das Werk seinerzeit nicht zur Veröffentlichung an – Uraufführung und Erstdruck erfolgten erst gut zwei Jahrzehnte nach Schuberts Tod, und noch lange musste dieses Werk mit seiner emotionalen Überfülle und einer Aufführungsdauer von bis zu 55 Spielminuten auf seine wirkliche Anerkennung warten.

Quartette zu fünft

Die Geschichte der Tonaufzeichnung hat diesen Prozess begleitet – ja, befeuert. Seit es elektrische Aufnahmen gibt, wird Schuberts Quintett im Studio produziert, sichern sich Rundfunkanstalten und Plattenfirmen die Rechte an den oftmals spektakulären All-Star-Festival-Aufführungen, ob nun mit Isaac Stern, Pablo Casals u. a. in Prades (1961) oder mit Isabelle Faust, Boris Pergamenschikow u. a. in Heimbach (2000). Von den musikalischen und spieltechnischen Herausforderungen abgesehen, liegt der Reiz einer solch ungewöhnlichen Besetzung natürlich auch darin, berühmte Streichquartett-Ensembles mit großen Cellisten zusammenzubringen. Das war mit dem Amadeus Quartet und William Pleeth in der Nachkriegszeit der Fall, dann mit dem Melos Quartett – einem Pionier-Ensemble der Schubert-Interpretation – und Mstislaw Rostropowitsch, später mit dem Alban Berg Quartett und Heinrich Schiff.

365 Mal Schubert

In jüngster Zeit gesellten sich etwa das Kuss Quartett und Miklós Perényi sowie das Quatuor Ébène und Gautier Capuçon dazu, wobei auffällt, dass heutzutage keineswegs alles schneller wird, dass den "himmlischen Längen", die Robert Schumann an Franz Schubert bewunderte, jetzt in der Regel mehr Zeit eingeräumt wird, als das früher der Fall war. Die Welt ist mit diesem Werk noch lange nicht fertig.
Unser Studiogast Michael Stegemann, Publizist und Professor für Musikwissenschaft an der TU Dortmund, ist ausgewiesener Schubertianer. Zum Jubiläumsjahr 1997, in das Schuberts 200. Geburtstag fiel, hat er beim damaligen SFB die 365-teilige (!) Hörfunkreihe "Schubert-Almanach" gestaltet, begleitet von zwei umfangreichen Buchveröffentlichungen.
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