Das schwarze Gold unter dem Eis

16.06.2009
Die Arktis ist kaum bevölkert, aber reich - zumindest an Bodenschätzen. Ein Viertel der unbekannten Gas- und Erdölvorräte könnten sich hier verbergen. Während die Eisdecke schmilzt, beginnt auf den Kontinenten der Wettstreit um die Hoheitsgebiete. Der Journalist Christoph Seidler legt in seinem Buch "Arktisches Monopoly" die Interessen der Anrainerstaaten offen.
Die Bilder gingen um die Welt: Ein kleines russisches U-Boot pflanzte am 3. August 2007 direkt unter dem Nordpol in 4261 Metern Tiefe auf dem Arktis-Meeresboden eine russische Fahne aus Titan auf. Die symbolische Eroberung des Nordpols sollte die Gebietsansprüche Russlands auf diesen Teil der Arktis untermauern. Damit war vor den Augen der Weltöffentlichkeit das Rennen um die Arktis und ihre Schätze eröffnet. Ausgelöst hat diese zweite Eroberung des Nordpols der Klimawandel, denn nirgendwo sonst auf der Welt zeigen sich seine Folgen so deutlich wie in der Arktis. Die Eisdecke schmilzt schneller, als alle wissenschaftlichen Studien bislang vorausgesagt haben.

Was die Klimaforscher erschreckt, befeuert die Phantasien von Erdölmanagern und Politikern. Die einen träumen von Milliardengewinnen, die anderen von zusätzlichen Hoheitsgebieten. Wer dabei welche Interessen verfolgt, hat jetzt der "Spiegel Online"-Redakteur Christoph Seidler in seinem flott geschriebenen und faktenreichen Buch "Arktisches Monopoly" detailliert ergründet.

Begonnen hat, so der Untertitel, "der Kampf um die Rohstoffe der Polarregion". Immerhin vermutet man hier ein Viertel aller noch nicht entdeckten Gas- und Erdölvorräte sowie reiche Mineralvorkommen. Nun gilt es, die Claims auch völkerrechtlich abzusichern. Fünf Anrainerstaaten gehen ins Rennen: Russland, Norwegen, Dänemark als Vertreter Grönlands, Kanada und die USA. Sie alle müssen entsprechend dem UNO-Seerechtübereinkommen ihre Ansprüche bei einer extra geschaffenen Kommission anmelden. Zu beweisen gilt es, dass sich der Festlandsockel des jeweiligen Staates unter Wasser fortsetzt. Alles Gebiet um ihn herum kann dann dieses Land als ausschließlich eigene Förderregion für sich reklamieren.

Doch die Forderungen müssen durch hieb- und stichfeste seismische Daten untermauert werden. Das ist ausgesprochen aufwendig, zeitraubend und teuer. Zudem hat die UN-Kommission keinerlei Befugnis, über Grenzstreitigkeiten zu urteilen. So sind denn Konflikte vorprogrammiert, da sich unter anderem die Russen mit Dänen und Kanadiern um den Nordpol streiten, Norwegen und Russland um die Aufteilung der Barentssee, Kanada und die USA um die Grenzen in der Beaufortsee.

Christoph Seidler mischt geschickt Reportageelemente mit wissenschaftlichen Forschungsergebnissen, streut Zitate und Personenbeschreibungen ein und plaudert aus der Gerüchteküche - denn Fakten sind rar. Das liegt vor allem daran, dass alle Staaten ihre Daten unter Verschluss halten. Zum einen, weil sie extrem teuer sind und zum anderen, weil sie oftmals bei geheimen Militäroperationen gewonnen wurden. Das birgt zusätzliches Konfliktmaterial, denn die Kommission darf nur Zusammenfassungen der Ergebnisse präsentieren, aber keine Details offenlegen. Eine unabhängige Kontrolle ihrer Entscheidungen ist folglich unmöglich.

Allerdings haben die USA von vornherein schlechte Karten, da sie das Seerechtsabkommen von 1982 nie unterschrieben haben. Also können sie auch keine Ansprüche stellen. Erstaunlicherweise zeigen sie auch kein großes Interesse. Russland dagegen ist sehr aktiv, aber politisch zwiegespalten. Auf der einen Seite zeigt man Muskeln, lässt Jagdflieger zum Beispiel Scheinangriffe auf NATO-Quartiere in Norwegen fliegen. Auf der anderen Seite ist Russland händeringend angewiesen auf westliches Know-how und westliches Geld.

Das Rennen jedenfalls ist eröffnet. Ob daraus ein kalter Krieg wird oder eine friedliche gemeinsame Nutzung, lässt sich für Christoph Seidler noch nicht sagen. Sein Buch jedenfalls gibt einen ersten gründlichen Einblick in die vertrackte Interessenlage rund um den Nordpol.

Besprochen von Johannes Kaiser

Christoph Seidler: Arktisches Monopoly - Der Kampf um die Rohstoffe der Polarregion
DVA - Spiegel-Buch, München 2009
288 Seiten, 19,95 Euro