"Das Schmuckstück“

Gesehen von Hans-Ulrich Pönack · 23.03.2011
Es ist der nunmehr 13. Film des am 15. November 1967 in Paris geborenen Sohns eines Biologen und einer Französisch-Lehrerin. Er hatte seine umjubelte Welturaufführung beim letztjährigen Venedig-Festival und fand in Frankreich ein Millionen-Publikum.
"Das Schmuckstück" adaptiert das 1980 herausgekommene Bühnenstück "Potiche" von Pierre Barillet und Jean-Pierre Grédy. "Potiche", so auch der Originaltitel des Films, bezeichnet in Frankreich eine besonders dekorative Vase. Und eben auch sogenannte "Vorzeigefrauen", also attraktive Anhängsel erfolgreicher Männer. "Schmuckstücke" eben. Madame Suzanne, Gatin des Regenschirm-Fabrikanten Robert Pujol, ist anno 1977 solch eine "Bei-Frau.

Als wir ihr das erste Mal begegnen, hat sie gerade ihre häuslichen Arbeiten ruhen lassen, um in einem knallroten Trainingsanzug und mit blonder, Betonfrisur durch den Wald zu joggen. Dabei werden unterwegs "bekannte" Rehe, Eichhörnchen und Hasen begrüßt und die soeben gemachten Eindrücke in einem Notizbuch verewigt. Als Poem.

Denn Madame mag selbstverfasste Gedichte und trällert Chansons, um sich die gute Laune neben dem stets übelgelaunten und fremdgehenden Ehemann irgendwie zu erhalten. Den cholerischen Kapitalisten nervt gerade ein Streik der Fabrikarbeiter.

Das "Schmuckstück" hat sich in dem unbehaglichen, aber luxuriösen Leben eingerichtet. Und vermutlich würde alles so weiterlaufen, würde nicht plötzlich Maurice Babin mitmischen der kommunistische Abgeordnete und ehemalige Gewerkschaftsführer. Er soll in Sachen Fabrik + Streik vermitteln, denn die Streikenden haben den "herzanfälligen" Pujol als Geisel genommen.

Der ebenso füllige wie feinfühlige Babin hilft der Familie und vor allem Suzanne gerne, kann man sich doch dabei auch an eine gemeinsame, weit zurückliegende Romanze erinnern. Doch ehe man sich auf eine tiefere neue Gefühlswallung einlassen kann, wird Madame Suzanne Pujol plötzlich Firmenchefin - nachdem sich der Gatte zu sehr aufgeregt und einen Herzanfall erlitten hat.

Sie muss plötzlich die Leitung des Unternehmens übernehmen - was zur Erfolgsstory wird. Für sämtliche Beteiligten. Bis "der Alte" gesund, munter und äußerst kratzbürstig zurückkehrt und "seinen Chef-Platz" wieder einfordert. Was seiner "veränderten", nunmehr geübten, selbstbewussten Ehefrau überhaupt nicht gefällt. Einspruch, Monsieur! Die "Kabbelei" driftet in die nächste, entscheidende, subversive Runde. Politisch wie privat. Beziehungsweise umgekehrt.

Die 70er-Jahre – Entwicklungsjahre in Sachen Frau. Ausbeuter haben Hochkonjunktur. Doch Frauen fangen an "sich zu bewegen". Geistig wie körperlich. Emanzipatorisch. Francois Ozon bebildert dies mit viel feinem, stimmungsvollem, augenzwinkerndem Zeit-Colorit und er erzählt das mit bösem Charme, subversiv lächelnd. Der gute füllige Gerard Depardieu gibt den linken Old-Lover mit einer prächtigen Souveränität und Verletzlichkeit. Und seine Disco-"70er"-Tanzeinlage mit ihr, die in Venedig für tosenden Zwischenbeifall sorgte, ist einfach herrlich. Ironisch. Wunderschön.

Genau wie "sie", der dieser Film gewidmet ist: "Das Schmuckstück" ist eine Verbeugung, eine Hommage an die französische Grand Dame-Ikone - an Catherine Deneuve. Wie sie hier ihre Bourgeoisie-Trulla unaufgeregt, witzig, perlen-charmant und frivol aufpellt, ist ebenso hübsch wie klug. Ebenso "cool" wie sensibel. Ebenso piefig-zweideutig wie entspannt-pointiert. Ohne radikale Thesen, ohne verbiesterten weiblichen Fahnenbrand. Sondern mit viel Eleganz, flottem Draufgängertum, anpackender femininer Kühnheit.

Francois Ozon hat mit "Das Schmuckstück" einen prächtigen, erfischend-durchtriebenen Fabelspaß geschaffen.

Frankreich 2009/2010; Regie + Buch: Francois Ozon; Darsteller: Catherine Deneuve, Gérard Depardieu, Fabrice Luchini; FSK ab 6 freigegeben, Länge: 103 Minuten

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