Das Nein des faschistischen Italiens zur friedfertigen Verständigung

Von Henning Klüver · 11.12.2012
Nach dem Ersten Weltkriegs sollte mit der Gründung des Völkerbundes 1920 der Versuch unternommen werden, Konflikte friedlich zu lösen. Als Italien am 11. Dezember 1937 austrat, löste es sich von dieser Vorstellung - wenig später begann der Zweite Weltkrieg.
Rom, 11. Dezember 1937. Die italienische Wochenschau berichtet von einer historischen Entscheidung. Der Gran Consiglio, der faschistische Großrat, hat auf Antrag von Benito Mussolini auf einer Abendsitzung den Austritt Italiens aus dem Völkerbund beschlossen. Anschließend hält der "Duce" eine Rede vor seinen Parteianhängern, die sich auf der Piazza Venezia versammelt haben. Er erinnert an die Wirtschaftssanktionen, mit denen der Völkerbund von seiner Zentrale in Genf aus Italien wegen des Äthiopienkrieges 1935 belegt hat.

"Wir haben lange Jahre der Welt gezeigt, wie unglaublich geduldig wir sind. Aber wir haben nicht vergessen, und wir werden nicht vergessen, wie Genf auf schändliche Weise versucht hat, das italienische Volk wirtschaftlich zu strangulieren."

Und dann fragt der Duce die Massen, ob man Mitglied, ob man "drinnen" oder "draußen" bleiben soll.

"Dentro?" – "Noooooooo!" - "Fuorì?" – "Siiiiiiiiiiii!"

Draußen? Ja! – Der Austritt wird umjubelt.

Der Völkerbund wurde 1920, zwei Jahre vor dem Marsch der Faschisten auf Rom und der Übernahme der Regierungsmacht durch Mussolini, ins Leben gerufen. Aus den Erfahrungen des Ersten Weltkrieges wollten die Gründungsstaaten, zu denen auch Italien gehörte, eine internationale Einrichtung schaffen, die demokratische Erneuerungen wie Fragen des Arbeitsrechtes, die Abschaffung der Sklaverei oder die Bekämpfung des Opiumhandels weltweit verankern sollte.

"Aber das Hauptanliegen war ein Instrument der Friedenssicherung. Und insofern war die Frage der Mitgliedschaft der Großmächte und der großen Mittelmächte von entscheidender Bedeutung für die Relevanz dieses internationalen Organs."

Lutz Klinkhammer vom Deutschen Historischen Institut in Rom erinnert daran, dass Italien als ständiges Mitglied des Rates des Völkerbundes, der mit dem heutigen Sicherheitsrat der Vereinten Nationen zu vergleichen ist, die Genfer Organisation anfangs auch unter Mussolini durchaus positiv bewertete.

"Denn in den Jahren 1929 bis '32 zum Beispiel, unter dem Außenminister Dino Grandi, hatte sich Italien besonders aktiv in Genf bemüht, präsent zu sein auf dem diplomatischen Parkett. Um das internationale Ansehen des faschistischen Italiens zu verbessern, hat man versucht, als Akteur dort aufzutreten in konstruktiver Hinsicht."

Doch Mussolini macht der Politik von Grandi bald ein Ende, setzt ihn als Außenminister ab und schickt ihn als Botschafter nach London. Der Duce verfolgt Großmachtspläne. Nach der Annexion Äthiopiens ruft er das Kaiserreich aus und sucht im Antikominternpakt den Schulterschluss mit Deutschland und Japan. Diese beiden Staaten hatten bereits 1933 den Völkerbund verlassen. Der reagiert nicht nur hilflos auf den Äthiopienkrieg, sondern kann ebenso wenig die Konflikte etwa zwischen China und Japan, den spanischen Bürgerkrieg oder die deutsche Wiederbewaffnung verhindern oder beeinflussen. 1936 schließen Rom und Berlin einen Vertrag, der die deutsch-italienische Achse begründet. Im September 1937 reist Mussolini zu einem Staatsbesuch nach Deutschland, zuerst nach Nürnberg.

"Mit einem Jubel ohnegleichen empfängt die Hauptstadt der Bewegung den Schöpfer des faschistischen Italiens. Tage von weltgeschichtlicher Bedeutung haben begonnen."

In Berlin hält Mussolini im Olympiastadion eine Rede auf Deutsch. Und erinnert daran, dass Deutschland Italien gegenüber dem Völkerbund in Schutz genommen hat.

"Trotz allem Drängens hat Deutschland sich den Sanktionen nicht angeschlossen. Wir werden das nicht vergessen!"

Zwei Monate später, am 11. Dezember 1937, tritt Italien aus dem Völkerbund aus. Lutz Klinkhammer:

"Innerhalb der Etappen einer zunehmenden Annäherung der beiden faschistischen Diktaturen war die Ankündigung des Austritts aus dem Völkerbund ein Meilenstein, ein Austritt, der signalisierte, dass eine friedfertige Schlichtung von Streitigkeiten nicht mehr im italienischen Interesse lag."

Zwei Jahre später begann mit dem Überfall auf Polen der Zweite Weltkrieg. Der Völkerbund hatte endgültig seine Bedeutung verloren.