"Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa

Ausnahme-Manga mit geschlechtslosen Hauptfiguren

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Ein Titelbild aus der Manga-Reihe "Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa.
Ein Titelbild aus der Manga-Reihe "Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa. © Cross Cult
Verena Maser im Gespräch mit Max Oppel · 03.06.2019
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In der japanischen Mangareihe "Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa sind die Protagonisten geschlechtslose Kristalle. Verena Maser hat die Geschichten ins Deutsche übersetzt – und dafür das genderneutrale Pronomen "xier" verwendet.
In Ichikawas "Das Land der Juwelen", eine seit 2012 erscheinende Mangareihe, die 2017 als Anime verfilmt wurde, sind die Protagonisten geschlechtslose Kristalle: Sechs Meteoriten haben die Erde getroffen und die Menschheit ausgelöscht – zurückgeblieben sind einzig 28 humanoide Wesen aus Kristallen, die um ihr Überleben kämpfen. Diese entsprechen äußerlich androgynen Jugendlichen, nur ihre Haare haben die Farbe der jeweiligen Edelsteine – und sie unterscheiden sich in ihren Härtegraden. Seit einigen Tausend Jahren befinden sie sich in einem Konflikt mit den Mondbewohnern – buddhaähnliche Erscheinungen, die die Edelsteine jagen, um Schmuck und Gebrauchsgüter aus ihnen zu machen.

Für die deutsche Übersetzung brauchte es eine Lösung

Da Ichikawa die Geschlechtslosigkeit ihrer Figuren betont hat und die englische Übersetzung sich bereits für das geschlechtsneutrale Pronomen "they" entschieden hatte, musste auch für die deutsche Übersetzung eine Lösung her. Mit der Japanologin und Übersetzerin des Mangas Verena Maser haben wir über die Herausforderungen einer genderfreien Übersetzung – und die Vorzüge gesprochen.

Im Japanischen gebe es bisher kein geschlechtsneutrales Pronomen. Und auch im Deutschen sei es bisher nicht einfach, genderneutral zu schreiben oder zu sprechen, sagte Verena Maser im Deutschlandfunk Kultur. Für ihre Übersetzung habe sie sich für "xier" entschieden, das wie andere deutsche Pronomen dekliniert werde:
"Wenn ich den Satz habe: Er oder sie denkt darüber nach, morgen einkaufen zugehen. Dann sage ich, xier denkt darüber nach, morgen einkaufen zugehen. Dann mache ich weiter: Xier geht in den Supermarkt und sieht auf xiesen Einkaufszettel und stellt fest, dass in xieser Küche kein Käse mehr vorhanden ist."

Manga-Fans sind offen gegenüber Neuem

Maser gibt zu, dass es sowohl beim Sprechen als auch beim Übersetzen nicht einfach sei, sofort die richtigen Formen zu verwenden. Auch sie müsse sich erst in die Verwendung der genderneutralen Pronomen hineindenken und müsse überlegen, welcher Fall korrekt ist. Dennoch verteidigt sie ihre genderneutrale Übersetzung.
"Leserinnen und Leser von Mangas sind dafür berühmt, dass sie gerne viele japanische Begriffe haben. Es gib zum Beispiel Sensei, das Lehrkraft bedeutet oder eine Person, vor der man viel Respekt hat."
Zeichnung aus der Manga-Reihe "Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa.
Zeichnung aus der Manga-Reihe "Das Land der Juwelen" von Haruko Ichikawa.© Cross Cult
Fans von Mangas sei es wichtig, dass solche japanischen Bezeichnungen bei der Übersetzung auch erhalten bleiben, sagte Maser. Allerdings habe sie bei der Übersetzung von "Das Land der Juwelen" absichtlich darauf verzichtet, weil die Geschichte nicht wirklich in Japan spielen würde. Grundsätzlich seien ihrer Erfahrung nach aber Fans von japanischer Popkultur sehr offen für neue Begrifflichkeiten wie diese. Diese Offenheit beziehe sich auch auf eine geschlechtsneutrale Identität von Figuren.
"Ich glaube schon, dass es im deutschen Manga-Fandom einen großen Anteil an Personen gibt, die sich dem LGBT-Spektrum in irgendeiner Art und Weise zuordnen. Und dass auch eine große Offenheit und ein Bewusstsein dafür da ist, dass es das gibt. Deswegen denke ich, dass es durchaus auch angenommen wird."
Das Benutzen von geschlechtsneutralen Personalpronomen in der Übersetzung sieht Maser selbst auch als Pionierarbeit. Ihres Wissen gibt es bisher keinen Manga, der "xier" in der Übersetzung verwendet habe.

Japanische Autorin hat mit Klischees gebrochen

Die Autorin Haruko Ichikawa habe auch in ihrer Themenwahl und dem Zeichenstil gängigen Klischees etwas entgegensetzt, so Maser. Unter der riesengroßen Auswahl würde man solch ein Manga in Japan nur sehr selten finden. "'Das Land der Juwelen' ist so oder so ein Ausnahmewerk."
(jde)
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