Das kleinste Radio der Welt

Von Dirk Asendorpf · 02.03.2008
Kalifornische Forscher haben einen voll funktionsfähigen Radioempfänger vorgestellt, der zehntausend Mal dünner ist als ein menschliches Haar. Auch wenn sich damit tatsächlich Radioprogramme empfangen lassen, so wird sein praktischer Nutzen doch eher im medizinischen Bereich liegen.
Der Song ist hier so zu hören, wie ihn das kleinste Radio der Welt empfangen hat. Auch wenn es rauscht und knackt, Eric Claptons Layla ist unverkennbar. Das Nanotuberadio besteht aus einem einzigen Röhrchen aus reinem Kohlenstoff, einem sogenannten Carbon Nanotube, daher der Name. Bisher wurde der Nutzen der winzigen, aber äußerst stabilen Strukturen vor allem im Bau besonders schneller Transistoren und extrem dünner, besonders haltbarer Fäden gesehen. Der Physiker Alex Zettl leitet die Arbeitsgruppe, die das Nanotuberadio erfunden hat.

"Wäre es ein Auto, dann konnte man schon Reifen, Steuerräder und Motoren herstellen, aber niemand war in der Lage, all die Teile im Miniaturmaßstab zusammen zu bauen."

Antenne, Tuner, Verstärker und Demodulator, die vier Bestandteile jedes Rundfunkempfängers, sind beim Nanotuberadio in einem einzigen Bauteile integriert. Unter einem Elektronenmikroskop schweißen wir ein Nanoröhrchen an eine Elektrode, erklärt Kenneth Jensen, der für den Versuchsaufbau zuständig ist. Dann kommt die Apparatur in eine Vakuumkammer. Wird eine Spannung an das winzige Röhrchen angelegt, entsteht ein elektromagnetisches Feld, das gemessen und hörbar gemacht werden kann.

Solange kein Sender eingestellt ist, rauscht es bloß. Dann werden so lange einzelne Kohlenstoffatome elektrisch von dem Nanoröhrchen abgespalten, bis seine Eigenfrequenz exakt mit der Frequenz des Radiosenders übereinstimmt.

Es beginnt heftig zu schwingen und verändert dabei das elektromagnetische Feld im Sound der Musik. Good Vibration, um es mit den Beach Boys zu sagen. Es funktioniert. Aber was sollen wir mit einem Radio, das so winzig ist, dass wir es noch nicht einmal mit der stärksten Lupe sehen können? Alex Zettl hat bereits allerhand Anwendungen im Blick:

"”Wenn jemand taub ist, können wir die Härchen im Innenohr durch ein Nanoradio ersetzen, das direkt mit dem Gehirn verbunden ist. Oder wenn man die Luftqualität messen will, dann braucht man Sensoren und Übertragungswege, die möglichst wenig Energie verbrauchen - und schon zeigt ein Klick im Web wie dreckig die Luft überall in San Francisco gerade ist.""

Denn das Nanotube-Radio ist nicht nur ein Empfänger, es kann im Prinzip auch als Sender eingesetzt werden. Der Bremer Festkörperphysiker Jens Falta ist begeistert von der Erfindung seiner kalifornischen Kollegen.

"Ich kann mir vorstellen, dass das wirklich großes Anwendungspotenzial hat, ich halte dies schon für einen ganz wichtigen Schritt. Wenn es Ihnen gelingt, den Empfänger so klein zu bauen, dann sinkt der Bedarf an Strom natürlich auch erheblich, das heißt, dass Sie gerade mal 200 Elektronen brauchen, um einen Empfang zu realisieren. Dafür könnte man dann ganz andere Konstruktionen für Batterien verwenden, das würde es leichter machen."

Falta kann sich vor allem medizinische Anwendungen vorstellen. Mit dem Miniaturradio ließen sich Sonden bauen, die so klein sind, dass sie sogar in der menschlichen Blutbahn unterwegs sein können.

"”Dann haben Sie die Chance, Medikamente genau an den Ort zu transportieren und dann dort freizusetzen, wo Sie sie brauchen und nicht überall den gesamten Körper damit zu belasten. Krebszellen könnte ich mir vorstellen, all das, was ganz lokal ein Problem darstellt und schwierig zu erreichen ist. Beispielsweise am Herzen könnte man sich auch so etwas vorstellen, dass Sie ganz gezielt Medikamente hineinbekommen, um dann Blutgefäße frei zu bekommen.""

Noch ist es nicht ganz so weit. Bisher funktioniert das Nanotuberadio nur im Labor. Doch der Weg von der Grundlagenforschung bis zur praktischen Anwendung dauert in der Nanotechnik heute manchmal nur noch wenige Jahre.
"”Der Ingenieur wird jetzt die Aufgabe haben, zusammen mit den Physikern oder Wissenschaftlern, die dahinter stehen, als erstes Mal einen robusteren Aufbau zur Verfügung zu stellen. Und dann müssen Sie einen Carbon Nanotube dort auch noch so verankern, dass er hält. Auch das ist nicht trivial. So geht man vor, und die Strategie ist dann auch ein Patent nach dem anderen zu erwerben, um dann auch in so einem Segment Marktführer zu werden.""

Gut möglich, dass wir in zehn Jahren Medikamente mit eingebautem Nanotuberadio schlucken werden. Lieder von Eric Clapton werden sie dann allerdings ganz sicher nicht mehr spielen.