"Das kann in den Augen der Gbagbo-Anhänger wirklich zum Problem werden"

Marc Dugge im Gespräch mit Gabi Wuttke · 05.04.2011
Die Angriffe der UNO-Truppen auf Stellungen des abgewählten Präsidenten der Elfenbeinküste, Laurent Gbagbo, seien "in dieser Massivität" nicht absehbar gewesen, sagt der ARD-Hörfunkkorrespondent Marc Dugge. Sie könnten von seinen Anhängern als Parteinahme gewertet werden. Die UNO rechtfertigt den Einsatz mit der Gewalt Gbagbos gegen Zivilisten.
Gabi Wuttke: Zwei, die um die Macht kämpfen, das ist das eine. Wenn in der Elfenbeinküste aber Hunderte Zivilisten getötet werden und von Massakern gesprochen wird, muss sich dann nicht die Perspektive ändern, zumal wenn die Vorwürfe sich auch gegen den Mann richten, den die internationale Gemeinschaft bereits als rechtmäßigen Präsidenten anerkannt hat? UN-Generalsekretär Ban Ki Moon sieht das offensichtlich anders, Kampfhubschrauber griffen Stellungen des abgewählten Präsidenten Gbagbo an. Zugeschaltet ist ARD-Hörfunkkorrespondent Marc Dugge, Herr Dugge, war ein solcher Einsatz für Sie absehbar?

Marc Dugge: Also in dieser Massivität eigentlich nicht, das haben wir nicht so erwartet, dass das auch so schnell passieren würde, dass man direkt auch Ziele von Laurent Gbagbo angreifen würde wie beispielsweise seine Residenz und den Präsidentenpalast. Es ist ja wenig durchgedrungen bis jetzt, was da genau passiert ist, was beschädigt wurde, ob da Menschen auch zu Schaden gekommen sind. Man weiß nur, dass diese Angriffe geflogen worden sind von UN-Hubschraubern und französischen Militärhubschraubern zusammen, und die Lage ist also noch sehr, sehr unübersichtlich. Was aber klar zu sein scheint, ist, dass die Truppen von Batara immer weiter vorstoßen in die Metropole Abidjan und Laurent Gbagbo immer mehr geschwächt wird.

Wuttke: Auch gegen den gewählten – Sie haben es ja gerade schon gesagt – und auch geschützten Präsidenten Ouattara gibt es Massakervorwürfe. Was können Sie uns dazu sagen?

Dugge: Ja es sollen ja vor allen Dingen auch seine Anhänger gewesen sein, die im Westen des Landes vor einigen Tagen Massaker verübt haben. Es sind angeblich ungefähr 1000 Menschen getötet worden beim Einmarsch der Rebellen im Westen des Landes, eine Region, die strategisch sehr, sehr wichtig war, wo man nicht gedacht hat, dass die Rebellen es so schnell schaffen würden, dorthin vorzudringen. Das ist die Region, wo Kakao angebaut wird, wo auch die Kakaotransportwege laufen. Kakao war ja immer noch eine Geldquelle gewesen für Laurent Gbagbo, offensichtlich konnte er immer noch Kakaobohnen verkaufen, schmuggeln, und konnte so Geld generieren, auch wenn er sonst von Geldquellen abgeschnitten worden war. Und dort wurde also heftig vorgegangen im Westen des Landes. Es ist für Ouattara natürlich äußerst unangenehm, dass er jetzt für den Großteil der Opfer verantwortlich sein soll. Sein Sprecher bestreitet das, aber die vielen Toten sprechen eine eigene Sprache.

Wuttke: Steht die internationale Gemeinschaft bei ihrer Parteinahme für Ouattara also auf dünnem Eis, Ihrer Meinung nach?

Dugge: Es ist die Frage, was die Alternative wäre. Die internationale Gemeinschaft hat ja immer ganz klar gesagt, also die Wahlen waren fair, die Wahlen wurden von Alassan Ouattara gewonnen mit einem komfortablen Vorsprung, und die meisten Menschenrechtsverletzungen, die wir in den letzten Wochen erlebt haben, waren ganz klar von Laurent Gbagbos Anhängern verübt worden, und die internationale Gemeinschaft wackelt da also nicht. Die Frage ist, wie viel Kontrolle hat Ouattara über seine Anhänger, wie viel Einfluss hat er in dieser unübersichtlichen Lage. Ganz klar ist, dass nicht alle, die da jetzt zu den Waffen gegriffen haben und im umherziehen, wirklich qualifizierte Soldaten sind, sondern dass da auch sehr, sehr viel Anarchie und Unübersichtlichkeit herrscht.

Wuttke: So oder so, wo waren denn in den letzten Wochen die UN-Blauhelme?

Dugge: Ja die UN-Blauhelme sind vor allen Dingen in Abidjan gewesen, sie waren im Lande nicht großartig verteilt, das ist ein Vorwurf, den sich die UNO machen lassen muss, dass sie eben nicht in der Lage war, die Zivilbevölkerung zu schützen. Die UNO verteidigt sich und sagt, ja wir sind ja selber auch Ziel von Angriffen gewesen, auch deswegen hat ja Ban Ki Moon diesen Einsatz gestern gerechtfertigt. Es geht eben darum, nach seinen Worten wirklich die UNO zu stärken, ihr zu helfen, dass sie ihr Mandat erfüllen kann, und das heißt, die Zivilbevölkerung zu schützen. Und nur deswegen habe man also auch diese Militäranlage angegriffen, um eben auch schweres Waffengerät zu beseitigen. Kritiker sagen natürlich, warum musste es dann auch die Privatresidenz sein, warum muss es der Präsidentenpalast sein? Das kann natürlich in den Augen der Gbagbo-Anhänger jetzt auch wirklich zum Problem werden, weil sie sagen, das ist ja keine reine militärische Aktion, die UNO hat aus unseren Augen Partei genommen.

Wuttke: Informationen und Einschätzungen zur Lage in der Elfenbeinküste von Marc Dugge.