Das Jahr der Para-Sportler

Siegen, bis die Worte fehlen

Der Sportlerin Andrea Eskau in einem Schlitten
Andrea Eskau gewann bei den Paralympics in diesem Jahr zwei Mal Gold, drei Mal Silber und ein Mal Bronze © Gerhard König/imago
Von Sören-Wolf Treusch · 23.12.2018
Für deutsche Para-Sportler war 2018 ein erfolgreiches Jahr. Während der paralympischen Wettbewerbe gewannen sie eine Medaille nach der nächsten – und machten ihren Verbandschef sprachlos.
"Ich saß vor dem Fernseher und war echt berührt. Ja", sagt Markus Rehm. Egal, ob mit oder ohne Handicap: Olympische Momente sind magisch. Für Rehm, den zweifachen Paralympics-Sieger im Weitsprung, ist die Goldkür des nichtbehinderten Eiskunstlaufpaars Savtschenko und Massot einer der Höhepunkte des Jahres.
"Das ganze Leben oder ein Großteil des Lebens, der zielt auf diesen einen Tag ab, bei Olympia oder bei den Paralympischen Spielen sich den Traum zu erfüllen, 'ne Goldmedaille zu gewinnen. Das geht so schnell, und das kann auch so schnell vorbei sein. Mit einem kleinen Fehler, einem kleinen Patzer oder einer Viertelumdrehung zu wenig im Eiskunstlauf kann es zu Ende sein. Das ist das Verrückte, aber auch die Faszination des Sports."

Überall Glückwünsche und Lob

Bei den Paralympischen Winterspielen in Pyeongchang sorgt die 46-jährige querschnittgelähmte Biathletin Andrea Eskau für Gänsehautmomente. "Das Goldrennen, das war praktisch so ein Tag, da funzt einfach alles. Das ist natürlich erhebend, wenn man schon beim Einlauf weiß, du kannst nur gewonnen haben, weil du hattest bei der letzten Zwischenzeit über 'ne Minute Vorsprung, das ist super toll."
Die "alte Frau", wie sich Andrea Eskau selbst nennt, holt zwei Mal Gold, drei Mal Silber, ein Mal Bronze – in Biathlon und Skilanglauf. Sie ist damit die erfolgreichste deutsche Athletin in Pyeongchang. Der Präsident des Deutschen Behindertensportverbandes Friedhelm Julius Beucher hörte gar nicht mehr auf zu jubeln: "Wir haben das Ergebnis von Sotschi, was ja schon sensationell war, noch getoppt: 19 Medaillen, dann 22 Platzierungen 4 bis 8, und mir sind ja schon vor drei Tagen die Steigerungen von Glückwünschen und Lob ausgegangen."

Doping und trotzdem dabei

Das Internationale Paralympische Komitee hingegen kritisiert der deutsche Verbandschef heftig. Der Grund: Russische Sportler dürfen trotz Verdachts auf systematisches Staatsdoping unter neutraler Flagge in Pyeongchang antreten. "Es ist irgendwie bedrückend: Da laufen russische Sportlerinnen und Sportler, und es läuft das Misstrauen mit. Das kriegt man nicht weg."
Im Sommer beendet einer seine Karriere, der zu den ganz Großen im deutschen Behindertensport zählt: Heinrich Popow. 30 Medaillen hat er bei Paralympischen Spielen und internationalen Meisterschaften gewonnen. Seine letzte, eine silberne, bei der Para-Leichtathletik-EM im August in Berlin. Heinrich Popow bleibt dem Behindertensport aber erhalten. Als Nachwuchstrainer. Er will mithelfen, dass mehr Deutsche mit Handicap Sport treiben. Bisher ist es nur jeder fünfte.

"Sport macht keinen Unterschied"

"Ich möchte Berührungsängste abschaffen. Da ist der Sport das beste Werkzeug, was wir haben. Sport macht keinen Unterschied. Das ist der Grund, warum Sport für Menschen mit Behinderung ein schönes Werkzeug ist, um wieder am Alltag teilzunehmen. Das Thema Inklusion durch den Sport: Das Einfachste, was man machen kann."
42 Medaillen gewinnen die deutschen Para-Sportler bei der Leichtathletik-EM. Für den unumstrittenen Höhepunkt sorgt wieder einmal Markus Rehm. Der Mann mit der Prothese unterhalb des rechten Knies springt im letzten Versuch beinahe über die komplette Weitsprunganlage hinweg. 8,48 Meter. Weltrekord. Damit würde Markus Rehm auch bei den Athleten ohne Handicap weit vorne liegen. Seit Jahren setzt er sich deshalb für noch mehr Sportveranstaltungen ein, bei denen Behinderte und Nichtbehinderte gemeinsam antreten.
"Das ist genau das Problem, dass man sagt: man verliert gegen 'nen Behinderten. Das tut keiner gern. Wenn man sagt: Man verliert gegen 'nen Leistungssportler oder gegen 'nen Profi, das macht es leichter für die Athleten, und man sieht es auch schon in den letzten Jahren, da hat sich das Ganze ein bisschen gebessert, also auch schon bei den Deutschen Meisterschaften. Bei meinem ersten Start war es noch ein sehr schwieriges Thema, mittlerweile ist das Ganze sehr entspannt."
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