Das Geld ist für den Menschen da

Von Detlef Grumbach · 29.07.2009
Als Ökologie noch ein Nischenthema war und Ethik im Bankgeschäft nicht die geringste Rolle spielte, wurde entgegen der auf den Kapitalmärkten herrschenden Logik die "Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken" gegründet. Für sie sind die Einlagen und Fondsparpläne ihrer Kunden nicht der "Rohstoff" für die "Renditeproduktion", sondern ein Mittel für den guten Zweck! Seit der Gründung sind 35 Jahre vergangen.
Rudolf Hickel: "Im Bankensystem - und das ist ja der Kern der aktuellen Finanzmarktkrise - steht das Ziel der Anleger, und vor allem sind es große Anleger, Fonds, Hedgefonds, Private Equity Fonds, da steht das Ziel, kurzfristig ganz schnell Profite zu machen."

Geld, so könnte man auch sagen, wird zum Rohstoff. Aus Geld soll mehr Geld gemacht werden. Stetiges Wachstum, egal, wohin es noch wachsen soll. Ohne Rücksicht auf natürliche oder soziale Ressourcen. Rudolf Hickel, Wirtschaftswissenschaftler von der Universität Bremen, redet sich in Rage:

Rudolf Hickel: "Und die profitwirtschaftliche Ausrichtung hat zum Grundsatz, dass überhaupt nicht nach der Wertigkeit geschaut wird. Der Gebrauchswert spielt keine Rolle, sondern es spielt nur das Projekt eine Rolle, mit dem man schnell Profit machen kann. Finanzmärkte sind aus sich heraus, sage ich mal ganz zugespitzt, immer selbstzerstörerisch."

Thomas Jorberg: "Diese Entkoppelung, die wir im System feststellen können zwischen dem Umgang mit Geld und der Verantwortung für gesellschaftliche Fragen, die ja dramatisch ist, wie wir durch die Finanzkrise, durch die Klimakrise, durch die Armutskrise sehen, das ist nach wie vor die Dramatik. Und die Ausgangs- und Gründungsidee war, dass man transparent machen muss, was mit dem Geld realwirtschaftlich passiert."

Bochum, im Juni 2009, Generalversammlung der GLS Bank. Thomas Jorberg, Vorstandsprecher Bank, erläutert die Philosophie eines ungewöhnlichen Geldhauses, das sich von Anfang an gegen die Logik der Kapitalmärkte gestellt hat. Für die GLS Bank ist Geld kein Selbstzweck, für einen Extra-Bonus würde sich hier niemand ein Bein ausreißen. Das Geld ist für den Menschen da. Die GLS Bank ist die erste ethisch-ökologisch ausgerichtete Bank in Deutschland. Ausgesprochen bedeutet die Abkürzung GLS: Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken.

Thomas Jorberg: "Und so, wie wir heute den Markt und insbesondere den Finanzmarkt organisiert haben, bedienen wir ja immer nur einen ganz kleinen Ausschnitt unserer Bedürfnisstruktur, nämlich, dass ich gerne mehr Geld habe, und trenne das von jeden anderen Bedürfnissen, die ich als Mensch habe, nämlich ein soziales Miteinander pflegen zu können, in einer intakten Natur uns bewegen zu können, für unsere Kinder zu sorgen und so weiter, und der Ansatz ist eben, auch bei der Geldanlage die komplexe Bedürfnisstruktur, die wir Menschen haben, auch zu bedienen und nicht nur die Gier."

Große Pause bei der Rudolf-Steiner-Schule in Bochum-Langendreer. Zur Straße hin die alte Villa, im Hintergrund der so genannte Neubau aus dem Jahr 1980 und die erst zwei Jahre alte Ganztagsgrundschule. Auf dem großen grünen Hof rennen Kinder durcheinander. An diesem Platz wurde auch ein kleines Bisschen Bankgeschichte geschrieben. Ohne die alte Villa, so könnte man pointiert formulieren, gäbe es die GLS Bank gar nicht. Und ohne die Bank stünden die beiden anderen Gebäude nicht.

Denn als die Initiatoren der Schule 1956 der Stadt Bochum ein Haus für den Unterrichtsbetrieb abkaufen wollten, gab es staatliche Zuschüsse noch nicht. So musste die Gruppe um den Rechtsanwalt Ernst-Wilhelm Barkhoff privates Geld mobilisieren. Barkhoff und seine Mitstreiter machten sich auf den Weg, sammelten es bei Eltern, Freunden und bei Firmen ein, die der Anthroposophie nahe standen.

Die Villa konnte erworben werden, die Idee der Geldbeschaffung machte Schule - in doppeltem Sinne. 1961, im selben Jahr, in dem Barkhoff zum Vorsitzenden des Deutschen Paritätischen Wohlfahrtsverband in Nordrhein-Westfalen gewählt wurde, gründete er die Gemeinnützige Treuhandstelle, die nach dem selben Modell weitere Finanzierungen für anthroposophische Projekte sicher stellen sollte. Albert Fink, heute rüstiger Ruheständler, stieß damals zu dem Kreis um Barkhoff.

"Und es war immer die Frage, die uns damals bewegt hat: Wie kann man Mittel, die in einem Wirtschaftsbetrieb erwirtschaftet werden, wie können wir die auch so einsetzen, dass soziale Initiativen, Kulturinitiativen, freie Schulen, ökologischer Landbau und so weiter auch mit finanziert werden kann. Ich habe dann auch einen Industriebetrieb geleitet, der ein Drittel der Jahresgewinne - flossen an die Gemeinnützige Treuhandstelle und eigentlich ist diese ganze Bank und die ganze Treuhandstelle dadurch entstanden, dass Gewinne aus Wirtschaftsunternehmen in die Treuhandstelle hinein geflossen sind."

Ein Industriebetrieb spendet ein Drittel seiner Gewinne? Was Firmen heute als Sponsoring betreiben - die kleinen spenden dem Fußballverein im Ort ein paar Trikots, die großen leisten sich eine Stiftung, aus der ein Literaturpreis oder ein Sterbehospiz unterstützt werden - ist Peanuts dagegen. Es tut nicht weh und dient der Imagepflege. Der Impuls, den Albert Fink damals gespürt hat, war ein anderer: Er hat gesehen, woher die Gewinne kamen.

"Das war ein Industrieanlagenbetrieb, der also Rohrleitungsanlagen, Stahlbau, Tankbau und solche Dinge machte. Wir waren immer Subcontractor von großen deutschen und ausländischen Firmen. Und das sah dann so aus, dass man beteiligt war an einem Projekt, zum Beispiel am Orinoco, in Venezula, wurde ein Riesenstahlwerk gebaut, und man sah dann, was dann geschah, dass diese ganzen Subsistenzwirtschaftsformen, die in diesem Gebiet waren, die ganze Infrastruktur, die soziale, kulturelle und ökologische Infrastruktur wurde da zerstört. Nach Jahren waren da gewaltige Umweltschäden."

Die Rendite in Deutschland jedoch stimmte. Alfred Fink aber hatte ein schlechtes Gewissen:

"Es stellte sich sehr bald heraus, dass man die Mengen, die man da hätte produzieren können, dass man die hätte gar nicht absetzen können. Also ich habe live mitbekommen, dass diese Länder, die durch die Segnungen der Wachstumswirtschaft gefördert werden sollten, nachher Riesen-Schuldner waren, also diese Schuldenkrise ist dadurch entstanden, dass wir in dieser einseitigen Weise industrialisiert haben."

So spendete der Betrieb für die Gemeinnützige Treuhandgesellschaft. Er wollte wenigstens etwas wieder gut machen, auch wenn in Venezuela niemand etwas davon hatte. In aller Bescheidenheit wurden die Gelder der Treuhand eingesetzt, die Summen, die ihr zur Verfügung standen, reichten sehr bald jedoch nicht mehr aus. Immer mehr ökologische Bauernhöfe, freie Kindergärten, Waldorfschulen oder soziale Einrichtungen baten um Unterstützung. So ging man den nächsten Schritt, verhalf mit Bürgschaften auch jenen zu einem ordentlichen Bankkredit, die nie eine Bonitätsprüfung überstanden hätten.

Albert Fink: "Dann haben wir eine Bürgschaftsbank gegründet, die hieß Gemeinnützige Kreditgarantiegenossenschaft, da haben wir der Commerzbank, den anderen Banken Ausfallbürgschaften gegeben, so dass die Finanzierung möglich wurde, und irgendwann sind wir auf den Punkt gekommen, dass wir gesagt haben, man kann ja auch selbst die Bank betreiben. Und damals konnte man noch mit 500.000 D-Mark begründen. Das war 1974. Das haben wir dann gemacht."

20 Jahre haben die Leute um Barkhoff und Fink eher im Stillen gewirkt. Als die Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken am 24. Juli 1974 ihre Zulassungsurkunde ausgestellt bekam, lag sie voll im Trend der Zeit.

Spätestens seit dem Vietnam-Krieg - in der Bevölkerung so umstritten wie kaum ein Krieg zuvor - stellten sich Sparer in den USA ähnliche Fragen wie Albert Fink: Woher kommen die Renditen? Wer zahlt die Zeche? Zugespitzt: Sind sie über ihre Spar- und Fondseinlagen an der Rüstung beteiligt? Verdienen sie an jenem Agent Orange genannten Gift, mit dem die US-Streitkräfte die vietnamesischen Wälder entlauben - nur, damit sie den Gegner besser ins Visier bekommen?

Diese Diskussion übertrug sich auf Europa, auf Deutschland. Im Zusammenhang mit der Anti-Atomkraftbewegung, der Nato-Nachrüstungsdebatte bekam sie neuen Auftrieb.

1975 wurde die erste "grüne" Finanzagentur, die heute unter versiko AG firmiert, gegründet, 1988 die Öko-Bank, 1995 die Umweltbank. Seit den neunziger Jahren bieten fast alle Fondsgesellschaften großer Geldinstitute mehr oder weniger ethisch, ökologisch oder nur nachhaltig ausgerichtete Geldanlagen an. Immer mehr Menschen machen sich darüber Gedanken, wo ihre Renditen erwirtschaftet werden.

Thomas Jorberg: " Wie nachhaltig und wie tiefgreifend die Gedanken sind, die die Leute sich machen, ist eine andere Frage, aber zumindest spielt bei der Anlage es zunehmend eine Rolle, was wird mit dem Geld gemacht. Das ist ja immer noch sehr gering und es hat überhaupt noch nicht Eingang gefunden in unsere Systemdiskussion oder in die Rahmenbedingungen, die eigentlich verändert werden müssen auf dem Finanzmarkt, aber es findet statt und es findet auch zunehmend statt."

Die GLS wurde als Genossenschaftsbank gegründet. Sie schließt nicht nur aus, Geschäfte zu Lasten der Menschen und der Umwelt zu machen. Sie fördert mit ihrer Kreditvergabe insbesondere solche Initiativen, Projekte und kleine Unternehmen, die in ihrem Sinne etwas für den Menschen tun. Im Prinzip ist das so etwas wie die Kleinkredite für Dorfgemeinschaften in der Dritten Welt, die eine eigene kleine Wirtschaft aufbauen wollen - nur eben im Herz der Wohlstandsgesellschaft. Mit dem Wachstum der Bank dehnte sich der Bereich ihres Engagements aus. Heute verfügt sie über das Bankgeschäft hinaus über zwei Investment-Töchter: die GLS Beteiligungs AG und die GLS Energie AG.

Thomas Jorberg: "Also wir haben 1987 begonnen mit der Finanzierung von Windkraftanlagen. Wir haben das ausgebaut, wir finanzieren heute sehr viel kleine, aber auch sehr große Photovoltaikprojekte. Im Wohnungsbereich ist das zum Beispiel die WoGeNo in München, das ist eine Genossenschaft, die sich auch neu gegründet hat vor 15 Jahren und die zum Teil alte Mietshäuser übernehmen, mit den Mietern sprechen, die Mieter beteiligen sich selber an der Genossenschaft, lernen sich teilweise dadurch erst kennen, renovieren das Gebäude unter ökologischen Gesichtspunkten, gestalten den Garten gemeinsam, haben flexible Grundrisse je nach Entwicklung der Familiensituation und haben oft eine gemeinsame Gästewohnung. Und wir haben vergleichbare Wohnprojekte auch in Berlin sehr viel, in Hamburg, aber auch in kleineren Städten wie Freiburg."

Götz Werner: "Wenn Sie sich den Namen angucken, GLS, Gemeinschaftsbank für Leihen und Schenken, dann ist eigentlich das wirklich Neue das Schenken."

Götz Werner, Inhaber der dm-Drogeriemarkt-Kette mit Sitz in Karlsruhe, gehört dem Aufsichtsrat der GLS an.

Götz Werner: "Die Schenkung ist sozusagen die langfristigste Investition und die wirksamste Investition. Denn immer dann, wenn ich das zurückfordere, dann schränke ich die Möglichkeiten ein. Also überall da, wo langfristig in die Gesellschaft investiert wird, ist Schenkgeld am Platze! Weil leihen kann ich eigentlich nur Geld, wenn ein Zusammenhang besteht zwischen der Investition und der Amortisation. Aber wenn Sie die Ausbildung eines jungen Menschen finanzieren, dann wissen sie ja nie, wann das Früchte trägt. Die Idee des BAFöG ist eigentlich eine Verirrung. Gerade Investitionen in Bildung, in Kultur, in Kunst, die funktionieren eigentlich nur mit Schenkgeld."

Schenkgeld in Zeiten der Gier? Deutlicher kann man sich nicht gegen einen Trend stellen, der nicht nur die Chefetagen börsennotierter Aktiengesellschaften beherrscht. Längst, so schreibt die GLS in einer Presseerklärung zu den Ursachen der Finanzmarktkrise, ist er auch in den Wohnstuben kleiner Sparer angekommen:

"Auch für Privatanleger zählt oft nur Rendite. Wie sonst ist es zu erklären, dass Anleger kurzfristigen Lockangeboten von Banken folgen, deren Einlagezinsen über den Kreditzinsen liegen? Wir leben in einer Gesellschaft der kollektiven Renditeorientierung, die das richtige Maß verloren hat."

Schenkgeld meint deshalb nicht nur die Spenden von Unternehmen. Auch Sparer, die es sich leisten können, auf einen halben oder einen Prozentpunkt Rendite zu verzichten, können bei dieser Bank Geld verschenken, indem sie auf Zinsen verzichten. Was sie nicht auf ihrem Sparbuch oder Festgeldkonto einheimsen, gibt die Bank als Zinsermäßigung an Kreditnehmer weiter.

An einen Ökohof beispielsweise, der schon verschuldet ist und trotzdem ein neues Dach für den Kuhstall braucht, an einen Kindergarten, dem es dringend an einer neuen Einrichtung fehlt, oder an eine Gärtnerei, die Arbeitsplätze für Behinderte schafft und deshalb in der Konkurrenz nicht ganz so gut dasteht.

Solidarität wird groß geschrieben. Zu den Finanzierungsmöglichkeiten, die diese ungewöhnliche Bank anbietet, gehören aber auch Leih- und Schenkgemeinschaften. Man will etwas erreichen - und stärkt soziale Netzwerke.

Christian Kröner: "Das Gebäude, was da drüben sichtbar ist, das nennt sich immer noch Neubau, obwohl es 1980 fertig geworden ist, das ist mit so genannten Leihgemeinschaften damals finanziert worden."

Christian Kröner, Lehrer für Mathematik und Physik an der Rudolf-Steiner-Schule, zeigt auf das Hauptgebäude.

"Das heißt, die Eltern haben damals eine Leihgemeinschaft klassenweise gebildet und haben einen gewissen Betrag, sagen wir eine Klasse 20.000, 30.000 DM damals als Leihbetrag gezeichnet und die Bank hat das Geld gegeben und die Eltern haben das peu à peu zurückgezahlt."

Und wo kein Geld zum Verschenken da ist, hilft auch Vertrauen. Die Idee der Bürgschaft, die an der Wiege der Bank gestanden hat, realisiert sich heute in der Möglichkeit, zur Absicherung von Krediten Bürgengemeinschaften zu bilden.

Zwei Schüler spielen auf, rufen die Klassen im Festsaal zusammen. Nach der großen Pause beginnt dort eine Vorstellung des Schulzirkus'. Auf dem Parkplatz öffnet Harald Thon die Heckklappe seines Wagens, entfaltet eine große Wandzeitung. Der Elternvertreter erklärt, wie sie vor gut zwei Jahren zu einem dritten Gebäude gekommen sind.

Harald Thon: "Sie sehen einen Baum auf einem riesigen Transparent, das einmal an der Innenwand des großen Festsaals hing, einer Stelle, wo jeder an jedem Morgen einmal in der Schule vorbeikommt, wo zunächst nur ein nacktes Baumgerippe war und wo dann für jede einzelne Bürgschaft, ob über 500, über 2000, über 3000 Euro, über 1000 Euro, ganz egal, viele kleine Blätter diesen Baum ergrünen halfen."

Öffentliche Zuschüsse, eine Erbschaft und eine Spende reichten nicht aus für den Bau. Es blieb eine Finanzierungslücke von 200.000 Euro. Die musste die Schule selbst schließen.

Harald Thon: "Das waren zum Großteil Eltern, und viele Freunde, Sympathisanten der Schule aus dem Ehemaligen-Bereich, natürlich auch aus dem Kollegium, Menschen, die mit unserer Schule verbunden sind über lange Jahre, aber in der Hauptsache Eltern. Und insgesamt dürften das an die 70, 80, na, an die 100 Personen gewesen sein, die diese Bürgschaften gezeichnet haben, und es dauerte keine zwei Monate, da hatten wir das Geld beieinander."

Bei fünf bis sechs Prozent lagen die Bauzinsen damals. Die GLS konnte das Geld für 3,4 Prozent bereitstellen.

1974, in ihrem ersten Jahr, erreichte die GLS Bank eine Bilanzsumme von 2 Millionen D-Mark. Nach stetigem Wachstum war sie 2003 stark genug, die in Schwierigkeiten geratene Ökobank zu übernehmen. Bis 2005 kletterte die Bilanzsumme auf runde 500 Millionen Euro, in der aktuellen Krise - von Mai 2008 bis Mai 2009 - stieg sie um 36 Prozent. Heute stehen über eine Milliarde Euro in den Büchern.

Für die Deutsche Bank mit über 2.000 Milliarden Euro Bilanzsumme wären das Peanuts. Für die GLS bedeutet diese Summe vor allem: Es wächst das Bewusstsein, dass Wirtschaftswachstum und die Veränderung des Klimas zusammengehören, dass globale Wirtschaftskreisläufe nicht den Hunger in der Dritten Welt stillen, sondern nur neue Abhängigkeiten schaffen. Niemand glaubt wirklich, dass eine Absatzförderung für Autos auch nur ein Problem löst. Viel zu wenige noch, aber immer mehr Menschen wollen wenigstens für den eigenen kleinen Bereich Konsequenzen daraus ziehen, aus dem Teufelskreis von Wachstumswirtschaft und Profitgier aussteigen.

"Damit jedoch Finanzakteure wie private Anleger Verantwortung übernehmen können", so heißt es bei der GLS, "bedarf es einer Transparenz der Geldanlagen".

Rudolf Hickel: "Ich glaube, dass durch die aktuelle Finanzmarktkrise diese Bewegung sehr gestärkt worden ist. Wenn heute jemand bei einer Bank eine Anlage macht, dann weiß er überhaupt nicht, was mit der Anlage passiert. Damit wird teilweise Dubioses finanziert, damit werden auch bestimmte Finanzprodukte weltweit vertrieben, und bei den ethisch fundierten Banken geht es eigentlich darum, bei den moralisch-ethisch fundierten Banken, dass man auch offenbart, wen man eigentlich finanziert."

Ethisch-ökologische Geldanlagen insgesamt erreichen heute einen Marktanteil von etwa 1 Prozent am Finanzmarkt. Die Angaben darüber schwanken enorm, denn was versteht man eigentlich darunter? Was bedeuten Begriffe wie ethisch oder ökologisch, sozial oder nachhaltig bei der Geldanlage?

Volkmar Lübke arbeitet für das Netzwerk CorA. CorA ist die Abkürzung für Corporate Accountability, auf gut deutsch: Unternehmensverantwortung. Es verfolgt globale Zuliefer- und Produktionsketten und die Wege, die das Kapital nimmt. Außerdem hat es Sitz und Stimme im Anlagenausschuss der Fonds-Familie ÖkoWorld Ökovision, die auch von der GLS vertrieben wird.

Wenn ein Fonds ausschließlich in Windkraft investiert und sich deshalb auch so nennt, ist die Angelegenheit ganz einfach. Problematischer, so Lübke, wird es schon bei Fonds, die sich dem Feld der erneuerbaren Energien verschrieben haben. Beispiel Biomasse.

Volkmar Lübke: "Dann ist man eben auch ein, zwei Jahre drauf gesprungen auf die Idee, aus Biomasse Sprit zu machen, und in der Debatte, in der politischen, ist dann aufgetaucht, was das für die Dritte Welt bedeutet, wenn die Ackerfläche so verwendet wird. Und die auch fachwissenschaftliche Debatte: Was ist Verantwortlichkeit?, die müssen wir im Auge behalten, und am laufenden Band ändert die sich, darum müssen wir mit unseren Kriterien auch dauernd versuchen, hinter her zu sein und auch die bestehenden Anlagen immer überprüfen."

Hinzu kommt, dass es keine "Durchschnittsethik" für Anleger gibt. Dem einen ist der Umweltschutz wichtig, dem anderen die Arbeitsbedingungen, Fragen der Menschenrechte, der Mitbestimmung, ausreichender Löhne oder besonders das Verbot von Kinderarbeit.

Umstritten ist darüber hinaus, ob sich aufs Ganze gesehen überhaupt etwas ändert, wenn bestimmtes, auch als "grün" bezeichnetes Geld aus dem allgemeinen Kapitalfluss abgeleitet wird und nur in bestimmte Bereiche fließt. Schließlich versiegen die anderen Ströme dadurch nicht.

Udo Reifner: "Wenn Sie mich vom wissenschaftlichen Standpunkt der Evaluation dessen, was ethisches Investment bewirkt, fragen, rein volkswirtschaftlich, würde ich sagen: gar nichts, ja! Diese Arbeitsteilung kann man nicht als Ethik bezeichnen, wenn man die andere Seite ausblendet. Insofern muss man die Wirtschaft immer als Ganzes sehen. Und in dieser Wirtschaft kann ich steuern, das ist richtig. Aber der erste Steuerungshebel, den wir haben, ist nicht der Markt für soziale Dinge, sondern ist der Staat, ist die Politik."

Udo Reifner, seit 1981 Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Hamburg und seit 1987 Leiter des unabhängigen Instituts für Finanzdienstleistungen, blickt zwar mit gewisser Sympathie auf eine Bank wie die GLS. Vieles, was sie tut, bezeichnet er jedoch als Spielwiese:

"Wenn der Staat politische Bedingungen setzt wie etwa bei der Windenergie, mit hohen Subventionen, steigen dort die Renditen und dann wird sich auch Herr Soros und die ganzen Hedgefonds werden sich dafür interessieren, dort zu investieren. Wenn wir mal gucken, wer hat denn wirklich etwas verändert in diesem Bereich, dann war es nicht das ökologische Investment. Ja, also Kapitalknappheit, das gibt es überall dort, wo die Profite nicht stimmen, und wo die Profite da sind, da ist es dem Kapital vollkommen egal, dann tut es auch gerne mal etwas Gutes."

Was Udo Reifner über die Investition in Zukunftstechnologien sagt, bestätigt sein Kollege Alexander Bassen auch für die Frage, ob Unternehmen bereit sind, Schäden und Risiken für Umwelt und Gesellschaft zu vermeiden.

Der Hamburger Professor mit dem Schwerpunkt Unternehmensfinanzierungen arbeitet in einem internationalen Projekt, in dem große konventionelle Investoren mit großen, global agierenden Unternehmen darüber ins Gespräch kommen, wie man dort mit der Frage CO2-Ausstoß und Klimawandel umgeht. Den Investoren geht es um stabile Verhältnisse, die Vermeidung von Folgekosten und Risiken. Risiken wie etwa die Folgekosten des Klimawandels müssen deshalb, so Bassen, ein Preisschild bekommen - wie beim CO2-Handel. In anderen Bereichen wirken das Haftungs- oder auch das Strafrecht.

Alexander Bassen: "Weil die Logik ist ja nicht, wir verhalten uns ethisch, weil wir Gutmenschen sind, sondern wir glauben, dass wir dadurch auch unsere Prozesse effizienter gestalten können. Wenn wir keine Korruption haben, haben wir auch kein Risiko, dass wir irgendwann verklagt werden, weil wir bestochen haben. Wenn wir Umweltstandards haben, die wir einhalten, haben wir nicht das Risiko, dass wir irgendwo einen Umweltskandal haben und sowohl die Nachfrager weg brechen als auch dass wir dort irgendwo mit saftigen Strafen belegt werden, wenn wir unsere Mitarbeiter vernünftig behandeln, dann hat das wiederum verschiedene Effekte, nämlich wir haben zufriedene Mitarbeiter, die produktiver sind und wir haben Kunden, die gerne bei uns kaufen, weil sie das entsprechend merken."

Udo Reifner und Alexander Bassen setzen mit ihren Strategien auf oft nur minimale Veränderungen des gesamten Systems und erreichen damit vielleicht mehr als die Marktnische der ethisch-ökologischen Geldanlagen. Darf man ethisches Investment deshalb einfach als nutzlos bezeichnen?

"So würde ich das nicht sehen."

So beantwortet der Bremer Wirtschaftswissenschaftler Rudolf Hickel diese Frage:

Rudolf Hickel: "Das ist eine Bewegung, die ist gleichsam aus dem Bauch des Bankensystems entstanden, aus dem Wunsch von Menschen, transparent ihre Anlagen bzw. Gelder genutzt zu wissen und damit ist es eine Bewegung, von der ich mir wünsche, dass sie größer wird."

Udo Reifner: "Denn es ist ein Erziehungsmittel für Menschen, über Geld nachzudenken. Und jemand, der investiert hat, und mit einem ethischen Ziel investiert hat, ist auch bereit, darüber nachzudenken, zu diskutieren. Und daraus entsteht Politik."

So relativiert auch Udo Reifner sein hartes Urteil. Allein die Tatsache, dass beinahe jede Fondsgesellschaft heute nachhaltige und ethische Geldanlagen anbietet, zeigt, dass die Idee ausstrahlt, dass sich immer mehr Menschen dafür interessieren. Albert Fink, der die GLS einst mit gegründet hat, kann darüber nur zufrieden sein. Und er pocht darauf, dass die Bank nicht übermütig wird, den eigenen Ansatz schärft.

Albert Fink: "Ich habe jetzt voriges Jahr dem Herrn Jorberg mal den Geschäftsbericht der Deutschen Bank gegeben und habe darauf hingewiesen, guck dir das mal an, ein Drittel des Geschäftsberichts verhält sich über ethisch-ökologische Anlagen und über Microcredits. Im Verhältnis zu dem übrigen Volumen ist das nur eine Winzigkeit, also Peanuts, aber da kommt jetzt der Mainstream und sagt, jetzt gehen wir auch in diesen Bereich, das kommt jetzt aus dem Nischendasein raus. Und da steht man jetzt vor der Frage, ob man dem ein eigenes Profil noch entgegensetzen kann."

Zum Profil der GLS gehören die eindeutigen und strengen Maßstäbe ihrer Ethik, absolute Transparenz und ihre unkonventionellen Finanzierungsmodelle. Zum Profil der GLS gehört aber auch das Schenken. Was mit der Finanzierung der Bochumer Waldorfschule Ende der 50er Jahre begonnen hat und dann in die Gemeinnützige Treuhandstelle übergegangen ist, trägt heute den Namen GLS Treuhand.

Noch immer spenden einzelne Firmen, aber auch Privatleute wenden sich an die Einrichtung, wenn es darum geht, das eigene Vermögen sinnvoll zu vererben oder mit dem Erbe anders umzugehen, als es nur alleine durchzubringen. Manchmal, so Annette Maßmann vom Vorstand der Treuhand, lehnen Menschen eine Erbschaft auch ab, weil sie nicht akzeptieren, auf welche Weise das Vermögen zustande gekommen ist. Wer Geld zur Verfügung stellt, kann entscheiden, wofür es verwandt wird, er kann es bestimmten Bereichen wie Entwicklungshilfe, Bildung oder Landwirtschaft zuordnen oder es der Treuhand selbst überlassen, wohin es fließt. Wichtig ist nur absolute Transparenz und Rechenschaft. Die Frage nach Beispielen bringt Annette Maßmann beinahe in Verlegenheit.

"O, da haben wir so viele, da fällt es fast schwer, eine Auswahl zu treffen. Zum Beispiel im Bereich der Zukunftsstiftung Landwirtschaft die Förderung von alternativer Saatgutzüchtung, von ökologischer Saatgutzüchtung. Wir haben im Bereich Gesundheit 'Dialogforum Pluralismus in der Medizin', wo es wirklich darum geht, den Menschen zu verhelfen, gesund zu sein, gesund zu werden im Blick der verschiedenen medizinischen Disziplinen auf den Menschen, wir haben im Bereich der Entwicklungshilfe ein langjähriges Projekt, wo es darum geht, dass Kleinbäuerinnen in Kenia Ernährungssouveränität erreichen. Die Menschen produzieren das, wovon sie leben können, sie verfügen über Wasserressourcen, sie haben ihr Kleingewerbe, sie haben kleine Wirtschaftskreisläufe, die selbstständig funktionieren und sie haben Zugang zu Bildung."

Thomas Jorberg: "Na ja, überall dort, wo Menschen sich auf den Weg machen, braucht es natürlich Geld. Und insofern ist die Bank als Kommunikator auch ein Katalysator für die Entwicklung von solchen Fragen, also das Geld muss immer dazu kommen dann, sonst können wir in unserer heutigen Gesellschaft nichts realisieren."

Mehrfach wurde die GLS schon ausgezeichnet, zuletzt im April dieses Jahres als "Bester nachhaltiger Investor" in Deutschland. Und sie steht nicht alleine da. Ebenfalls in diesem Frühjahr haben sich weltweit alternative Banken zu einer Allianz zusammengeschlossen, zur "Global Alliance for Banking on values".

Albert Fink: "Inzwischen gibt es die über- überall. Also wir haben den Einruck, dass überall an vielen Stellen der Welt so etwas hochkommt im Menschen, dass man sagen kann: Die entwickeln ein globales Gewissen. Die kümmern sich einfach um Fragestellungen, die nicht nur den engeren Umkreis betreffen, sondern die kümmern sich um Fragestellungen, die einen globalen Charakter haben."
Blick in das Vauban-Viertel in Freiburg
Auch im Vauban-Viertel in Freiburg unterstützte die GLS-Bank Wohnprojekte.© AP
Windkraftanlagen hinter einem Rapsfeld bei Rendsburg.
Windkraftanlage im Kreis Plön in Norddeutschland.© AP