Das Fernglas von Leitz

Wie es ein deutsches Produkt auf den Mond schaffte

04:52 Minuten
Monokular, ein einäugiges Fernglas, der Firma Leitz, heute Leica
Nur mit weißen Handschuhen anzufassen: Das Monokular, das ein einäugige Fernglas © Philip Artelt
Von Philip Artelt · 18.07.2019
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Siemens lieferte der NASA für die Mondlandung Leuchtstoffe für die Anzeigen der Raumschiffe und Zeiss Objektive für die berühmte Kamera Hasselblad. Und dann ist da noch ein kleines Fernglas, das spontan eine "Mond-Karriere" machte.
"Was wir im Vorfeld an die NASA geliefert haben, das ist unwahrscheinlich viel gewesen."
"Ich durfte damals darüber nicht sprechen."
Günter Osterloh und Rolf Beck haben sich im Hauptquartier der Firma Leica in Wetzlar eingefunden. Beide sind ehemalige Mitarbeiter der Ernst Leitz GmbH, wie Leica früher hieß, und beide waren beteiligt am Aufbau der Firmenarchive von Leitz.
Heute wird ein Schatz aus dem Archiv gehoben: Ein Monokular, ein einäugiges Fernglas, speziell gefertigt für die Astronauten des Apollo-Programms.
"We're thinking about taking the monocular with us!"
Juli 1969. Dritter Tag in der Raumkapsel. Apollo-11-Astronaut Buzz Aldrin funkt zur Erde: Wir wollen das Monokular in die Landefähre mitnehmen. Eigentlich sollte es in der Raumkapsel bleiben und den Mond nur umkreisen – doch schließlich landete das Leitz-Monokular mit der "Eagle" auf dem Mond.

Die Verbindung zum Weltall riss nie ab

Rolf Beck hat ein altes Fernrohr mitgebracht, gebaut vor etwa 150 Jahren, der Gründungszeit des Unternehmens.
"Ein Handfernrohr mit einem orthoskopischen Okular, da steht 'orthoskopische Konstruktion' darauf, und dann 'C. Kellner in Wetzlar'. Insofern von der Gründung an eine Verbindung zum Weltraum."
Auch, wenn Leitz sich zwischenzeitlich eher dem Bau von Mikroskopen widmete, riss diese Verbindung zum Weltall nicht ab.
"Unter anderem musste ich mal Optik fotografieren vom Summicron in einer speziellen Fassung, und das war gedacht für die Steuerung der Surveyor-Mondsonden, also vor der Apollo-Mission!"
Und selbst die Russen haben sich auf Messen für die Leitz-Technologie interessiert.
"Da kamen Leute von Ministerien, die haben also die Messgeräte und die Mikroskope, die dort ausgestellt waren, gekauft. Und wir haben nie erfahren, wo die nachher angewandt worden sind. Natürlich hinter der hohlen Hand wurde gesagt: Das ist für die Raumfahrt. Also kann man davon ausgehen, dass bei einem Weltraumflug von einem Sputnik, einem Hund Laika oder einem Juri Gagarin auch Leitz dahintersteckte."


Schließlich interessierte auch das Fernglas "Trinovid" von Leitz die NASA.
"Es war eine neue Bauart, sehr schlank. Die Ferngläser von Zeiss hervorragend, aber voluminöser und schwerer."
Doch auch das Leitz-Fernglas war noch zu groß und schwer für den Raumflug. Und so entschied sich die NASA, das zweiäugige Fernglas zu einer einäugigen Version umzubauen.
Erst vor kurzem hat Leica eines der seltenen Stücke wieder zurückgekauft. Mit weißen Handschuhen nimmt es ein Leica-Mitarbeiter aus der schwarzen Archivbox.
"Das ist außen Kunststoff?" / "Nein, Metall. Gebeiztes Metall." / "Kann ich's mit Handschuhen mal anheben oder einen Blick durchwerfen?" / "Gern!" / "Und klar wie am ersten Tag."
Ein Fernrohr von vor etwa 150 Jahren aus der Gründungszeit des heutigen Unternehmens Leica.
Ein Fernrohr von vor etwa 150 Jahren aus der Gründungszeit des heutigen Unternehmens Leica.© Philip Artelt

Das Abenteuer Mond ging weiter

Ob genau dieses Exemplar auf dem Mond war, bleibt vorerst ein Rätsel. Die Seriennummer spricht dafür, dass es eines der Exemplare war, die ab Apollo 13 benutzt wurden.
Für Leitz war das Abenteuer nach der ersten Mondlandung also nicht zu Ende. Auch nicht für Rolf Beck.
"Eines schönen Tages bekamen wir via unserer Vertretung in New York Gesteinsproben vom Mond. Und diese Gesteinsproben wurden bei uns mikroskopisch untersucht und analysiert. Wir hatten ja damals im Unternehmen einen Mineralogen, da hieß es: Der hat das Mondgestein. Nun, willst mal sehen? – und dann hatte ich das in der Hand!"
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