Das Feature

Elisabeth und der Graf

Matthias Sträßner · 31.01.2003
Während Elisabeth Förster-Nietzsche die zweite (und kanonisch gewordene) Auflage von "Wille zur Macht" vorbereitet, flattert ein Visitenkärtchen ins Haus: "Le Comte Prozor, Ministre-Résident de Russie et la Comtesse Prozor" geben sich die Ehre. Moritz Graf Prozor (1849-1929), der russische Adlige, Diplomat, Schriftsteller und (autorisierte) Übersetzer der Werke Henrik Ibsens ins Französische, ist von Februar 1903 bis Herbst 1904 Kaiserlich Russischer Gesandter am Großherzoglichen Hof in Weimar.
Zwischen Nietzsches Schwester und dem Grafen entspinnt sich in der Folge ein interessantes Gespräch über ein Mode-Thema der Zeit: das besondere Verhältnis von Ibsen und Nietzsche. Dieses Gespräch schlägt sich nieder in einem (noch erhaltenen) Briefwechsel und im Vorwort des Grafen zur französischen Ausgabe von Ibsens "Ein Volksfeind" (1905). Elisabeths eigene Ansichten decken sich dabei durchaus nicht mit einem Briefentwurf ihres Bruders an Georg Brandes, den die Schwester jetzt - leicht bearbeitet - in ihre Neuausgabe von "Wille zur Macht" aufnimmt. Der Original-Brief beginnt mit den Worten: "Ihr Henrik Ibsen ist mir sehr deutlich geworden...."