Das Feature

Die Kassandra des Wilhelminismus

Von Thomas Zenke · 18.06.2004
Als 1892 "Die Zukunft" erschien, da war ihr Herausgeber Maximilian Harden bereits bekannt als Theaterkritiker und als Initiator der Freien Bühne. Junge Schriftsteller wie Heinrich und Thomas Mann begeisterten sich für den unbestechlichen und pointenreichen Publizisten. Bismarck verdankte er sein Interesse an der Politik. Der Realpolitiker, der "aus der Summe des Möglichen das Notwendige" errechnet, war Hardens Ideal. Er maß die Stärke einer Nation an ihrer Stellung in der internationalen Politik.
Als Wilhem II. einen Schlussstrich unter die Bismarcksche Politik zog, um die Staatsgeschäfte selbst in die Hand zu nehmen, wurde Harden zum scharfen Kritiker des "persönlichen Regiments" des Kaisers. Er geißelte den Byzantinismus und attackierte die "Kamarilla", die "Nebenregierung" und hier besonders Fürst Eulenburg, denen er die Fehlschläge der Außenpoltik zurechnete. Er scheute auch nicht vor einer Kampagne gegen die homoerotischen Neigungen dieser Gruppe zurück. Es kam zu Prozessen, die die Monarchie und das Ansehen der Führungselite schwer erschütterten.