"Das dramaturgische Quartett" feiert Premiere

Kritikerrunde empfiehlt sich nicht zur Nachahmung

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Gröberer Unfug über Horvath als der von Ex-"Zeit"-Feuilletonchef Jens Jessen bei "Das dramaturgische Quartett" war lange nicht zu hören. © picture-alliance/ dpa / Steffen Kugler
Von Michael Laages · 23.11.2015
"Das dramaturgische Quartett" feierte im privaten Theater der Hamburger Kammerspiele Premiere. Doch die, die sich da gegenseitig neue Stücke und zukünftige Inszenierungen auf Hamburgs Bühnen vorstellten, kamen leider nicht vom Fach. Somit blieb's bei launigem Palaver.
Ob diese Premiere wohl ergiebiger ausgefallen wäre, wenn tatsächlich ein Mann oder eine Frau vom Fach mit auf der Bühne gesessen hätte: ein echter Dramaturg, eine richtige Dramaturgin? Hier gab im Grunde Christa Goetsch die Haltung vor – sie war mal Bildungssenatorin in einem früheren Senat der Hansestadt, und sie geht gern, ja geradezu fleißig ins Theater. Das ist ihre Qualifikation. Und das ist natürlich nicht die schlechteste ...
Dieter Wedel, streitbarer Intendant bei den Festspielen in Bad Hersfeld (und allemal auch kein ausgewiesener Profi in Fragen der Dramaturgie) war angekündigt, kam aber nicht: krankheitsbedingt. Sei’s drum – der Filmemacher Kai Wessel, sehr gelegentlich auch im und am Theater tätig, übernahm Wedels Platz; der örtliche Schauspieler Patrick Abozen und Jens Jessen, einst Chef vom Feuilleton der "Zeit", redeten außerdem mit.
Und worüber?
Über Theatertexte, die demnächst auf Hamburger Bühnen zu sehen sein werden: "Die Opferung von Gorge Mastromas", eine finstre Fabel um Moral und Unmoral. Das Stück von Dennis Kelly, schon einige Male gespielt in Deutschland, wird am privaten Hamburger Ernst-Deutsch-Theater erarbeitet. Dann ging’s um "Kasimir und Karoline – Glauben, Lieben, Hoffen", eine frühe Fassung, in der Ödön von Horvath die Materialien der beiden später klassischen Texte noch miteinander verzahnt. Jette Steckel, frisch gekürte "Faust"-Preisträgerin, hat mit dem Doppelstück schon am Donnerstag Premiere am Thalia Theater. "Horvath mögen oder nicht" war ja mal eine ideologische Frage, vor 40 Jahren - Jessen bereicherte diese Debatte um eine extrem abseitige Position: Horvath sei "der Opa von Elfriede Jelinek", und obendrein "der Onkel von Helge Schneider". Gröberer Unfug über Horvath war lange nicht zu hören, und die herrenreiterhafte Arroganz des Ex-Feuilletonesen gegen Horvaths Personal klang schon ziemlich widerlich.
Liebe zum Theater reicht hier nicht
Dann ein Monstrum von Theater-Projekt: gut 700 Seiten "Jenseits von Eden", John Steinbecks Roman in der Bearbeitung der Dramatikerin Ulrike Syha, geplant für’s Altonaer Theater; und "Geächtet", eine ideologische Zimmer- oder Party-Schlacht um aktuelle Glaubenskriege vom New Yorker Autor Ayad Akhtar, das Junge Schauspielhaus nimmt sich diesen Text vor. Schließlich stellte das Fünf-Köpfe-Quartett mit "Zersplittert" von Alexandra Badeja einen Text vor, der zwar schon in Straßburg und Graz auf Bühnen kam; in Deutschland aber noch nicht.
Und dann?
Dann war auch schon Schluss. Außer Jessens Horvath-Allergie war bis dahin nichts wirklich Peinliches passiert – was aber das Quartett zum "dramaturgischen" machen würde, müsste gerade jetzt beginnen: das sorgsame Abwägen der vorgestellten Texte, das Befragen auf – sagen wir mal – "Welthaltigkeit", oder darauf, wie so ein Text womöglich passen könnte in den Spielplan eines Theaters.
Und da ist es mit der liebenswerten Position der Ex-Senatorin Goetsch dann eben doch nicht getan. Liebe zum Theater ist letztlich nicht genug, um es durch kritische Zeiten zu führen und damit vielleicht sogar "erfolgreich" zu sein ... ohne die, die etwas verstehen vom Fach, bleibt's ein launiges Palaver. Nicht weniger – und auf gar keinen Fall mehr, zur Nachahmung in anderen Städten bislang nicht empfohlen.
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