"Das Bourne Vermächtnis"

Von Patrick Wellinski · 12.09.2012
Schnelle Schnitte und rasante Zeitwechsel: Der vierte Teil über eine genmanipulierte Agenteneinheit übernimmt die genreprägende Ästhetik der Vorgängerfilme. Doch am Schluss entwickelt sich der Streifen vom Thriller zum recht simplen Action-Reißer.
Ein Bergsee in der verschneiten Landschaft Alaskas: Ein nackter Mann steigt aus dem Wasser. Er nimmt eine grüne und eine blaue Pille, zieht sich an, schwingt sich den Rucksack auf den Rücken und zieht weiter. Bei dem Mann handelt es sich um den Spezialagenten Aaron Cross (Jeremy Renner), Mitglied einer genmanipulierten Agenteneinheit, die durch spezielle Medikamente über außerordentliche körperliche und geistige Fähigkeiten verfügt.

Aaron Cross steht im Mittelpunkt von Tony Gilroys "Das Bourne Vermächtnis", dem nunmehr vierten Bourne-Film, der erfolgreichen Thriller-Saga. Edward Norton spielt hier einen der vielen Widersacher. Er ist der Leiter eines geheimen Regierungsprogramms, das genmanipulierte Agenten wie Aaron Cross ausbildet. Doch die Operation droht aufzufliegen, alle Agenten müssen beseitigt werden. Cross und die Virologin Marta (Rachel Weisz) sind die einzigen, die noch fliehen können.

Regisseur Gilroy, der die Drehbücher zu allen drei Bourne-Filmen mitgeschrieben hat, übernimmt die genreprägende Ästhetik der Vorgängerfilme gekonnt. Schnelle Schnitte, rasante Zeit- und Ortswechsel treiben die recht komplexe Handlung des Polit-Thrillers voran. Die stets nervöse Kamera verleiht den Bildern einen halb-dokumentarischen Anstrich. Alles soll möglichst authentisch wirken. Davon profitiert insbesondere die erste Dreiviertelstunde des Films, denn das Inszenierungstempo ist so hoch, dass die vielen Logiklöcher in der Handlung zunächst nicht auffallen. "Das Bourne Vermächtnis" zeichnet in dieser Phase des Films ein eindrückliches Bild eines korrupten, menschenverachtenden Systems, das sich als global agierender Überwachungsstaat versteht.

Leider führt die Inszenierung ihren Ansatz nicht konsequent fort. Der Film entwickelt sich vom Thriller zum recht simplen Action-Reißer, dem eine hanebüchene Verfolgungsjagd in Manila wichtiger ist als es die Konflikte seines Helden sind. Mit dem recht sinnlosen Schlussbild wird dann die große Schwäche von "Das Bourne Vermächtnis" nur allzu sichtbar: Aaron Cross bleibt eine Leerstelle. Seine moralischen Konflikte sind recht überschaubar, sein inneres Zerwürfnis gegenüber seiner "neuen" Identität, die Jason Bourne noch so interessant machte, bleiben unterentwickelt.

Sollte Gilroy tatsächlich weitere Bourne-Teile planen, wäre er gut beraten, seine Figuren ebenso komplex anzulegen wie sein pessimistisches Weltbild.

USA 2012; Regie: Tony Gilroy; Darsteller: Jeremy Renner, Edward Norton, Rachel Weisz, Joan Allen, Donna Murphy; ab 12 Jahren; 134 Minuten

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