Das Bild von Brandenburg

Wie Potsdamer Filmstudenten Land und Leute sehen

Filmplakate im Gebäude der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam
Filmplakate im Gebäude der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" in Potsdam © dpa / picture alliance / Ralf Hirschberger
Von Vanja Budde · 26.10.2015
Wie nähern sich angehende Filmemacher den Reizen Brandenburgs? Unsere Korrespondentin hat Studentinnen und Studenten der Filmhochschule "Konrad Wolf" in Potsdam besucht und sie bei ihrer Arbeit begleitet.
Der Weg zum "Kulturgut Metzelthin" führt durch eine im Herbstlicht bunt schimmernde Allee, vorbei an den für Brandenburg typischen riesigen Feldern. Ackerfläche bis zum Horizont, und auf dem abgeernteten Feld hält filmreif ein ganzer Schwarm langhalsiger grauer Stelzvögel Nachlese.
"Kraniche, Dutzende Kraniche. Wow, das sind ja viele!"
Im und um das "Kulturgut Metzelthin" hat Alexander Alaluukas seinen Abschlussfilm gedreht: "Rakete Perelmann", eine Tragikomödie über eine Künstlerkommune auf dem Land. In Kooperation mit dem Rundfunk Berlin-Brandenburg (rbb), gefördert vom Medienboard Berlin Brandenburg. Der Kontakt zum Sender und zum Medienboard lief über die Hochschule.
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Auch in der Realität hat im winzigen Dorf Metzelthin unweit von Templin ein Künstlerkollektiv in einem ehemaligen Stall mehrere kleine Bühnen eingerichtet. Im Juni, Juli und August wird hier Theater gespielt. Alexander Alaluukas:
"Und nachdem sie ihre Sommerspielzeit beendet haben, sind wir hier eingeritten mit der Kavallerie und haben dann hieraus den Ort gemacht, wo die Künstlergemeinschaft in unserem Film ‚Rakete Perelmann‘ wohnt. Jetzt gehen wir mal rein."
Letztes Jahr war Alaluukas zufällig für ein paar Tage hier in Metzelthin.
"Und habe mich sofort in diesen Ort verliebt. Der hat eine ganz besondere Ausstrahlung und Magie, auch das Umland. Dieser Raum und dieser Ort hat mich umschlossen, ich fand den sehr spannend, weil ich so ähnliche Projekte auch aus München kannte und ich mich sofort hier sehr heimisch gefühlt habe und hier auch die Idee hatte, dass das ein toller Ort ist, um diese Geschichte zu erzählen."
Ikone des DDR-Films als Namenspatron
Konrad Wolf, Regisseur des 1964 erschienenen Films "Der geteilte Himmel",  stellt im Februar 1977 in Ost-Berlin seinen Film "Mama, ich lebe" vor.
Konrad Wolf, Regisseur des 1964 erschienenen Films "Der geteilte Himmel"© picture alliance / dpa
Vor seinem Regiestudium an der Filmhochschule "Konrad Wolf" in Potsdam Babelsberg hat Alexander Alaluukas selbst in München am Sommertheater gespielt. Mit "Rakete Perelmann" will er davon erzählen, wie es ist, gemeinsam Kunst zu machen und auch zusammen zu leben. Und was dabei alles schief gehen kann.
Weil der rbb Kooperationspartner ist und das Medienboard 100.000 Euro Fördergelder locker gemacht hat, musste "Rakete Perelmann" in Brandenburg gedreht werden. Alexander Alaluukas:
"Ich bin ja auch Wessi, wenn man so sagen kann. Und für mich hat Brandenburg einen unglaublichen Charme dadurch, dass es nicht so dicht bevölkert ist und es sehr ruhig ist hier. Und hinzu kommt aus DDR-Zeiten dieser Verfall und zurückgelassene Orte, die zum Teil jetzt neu bespielt werden, wie auch dieses Kulturgut. Natur und Verfall - das hat für mich diesen Geschmack: Brandenburg."
"Gerade im Spätsommer, Frühherbst hat man ein super Licht, und die Weite und die Blicke: Man kann schon auch filmisch hier sehr gut erzählen und schön erzählen. Es ist jetzt nicht das Kap Afrikas und nicht der exotische Ort, aber es ist tatsächlich landschaftlich einfach sehr, sehr schön."
Johannes Rothe hat mit Alaluukas zusammen das Drehbuch zum Film geschrieben. Er studiert auch an der "Konrad Wolf", die beiden haben schon öfter zusammen gearbeitet. Alexander Alaluukas:
"Wir haben uns an der Filmuniversität kennen gelernt. Seitdem sind wir verheiratet."
(Rothe lacht im Hintergrund)
"Ich bin fest überzeugt, dass man Kunst nicht lernen kann"
Beim Kaffee in einem Nebengebäude, in dem die Filmcrew während der Dreharbeiten auf Feldbetten genächtigt hat, stellt sich die Frage, ob das nicht die wichtigste Aufgabe der "Konrad Wolf" ist: Angehende Filmkünstler zusammen zu bringen. Alexander Alaluukas:
"Ich glaube, ja, ich bin fest davon überzeugt, dass man Kunst nicht lernen kann, also kann man auch nicht lehren und finde das auch in der Haltung mancher Professoren sehr schwierig, wie die den Unterricht führen und wie sie auch sich selber stärker in den Mittelpunkt stellen als eigentlich das Anliegen der Studenten. Trotzdem ist es so, dass man gerade bei einer Kunstform wie dem Filmemachen, die ja eigentlich meiner Ansicht nach die aufwendigste Kunstform ist, die man betreiben kann, mit so vielen Departments und einer unglaublichen Planungs- und Organisationsstruktur, die dahinter laufen muss, da Hilfestellung braucht und dass man auch ganz besonders natürlich Kritik und Rückmeldung zu dem braucht, was man macht."
Die Dreharbeiten sind abgeschlossen, der Schnitt des Films steht an und danach hoffentlich Einladungen zu Filmfestivals und 2016 die Ausstrahlung im Fernsehen. Aber bevor Alexander Alaluukas sich von den Strapazen des Drehs auf Mallorca erholen kann, muss er mit seinem Drehbuchautor Johannes Rothe eine Kulisse aus Styropor von Metzelthin zurück nach Berlin schaffen. Das Kulissenteil ist groß, der gemietete Transporter zu klein.
Fürs Kulissenschieben haben renommierte Regisseure ihre Leute. Namhafte Alumni der Hochschule wie Andreas Dresen, der es mit seinem halbdokumentarischen Stil zu einem der erfolgreichsten deutschen Filmemacher gebracht hat. Oder Dietrich Brüggemann, dessen schrille Neonazi-Satire "Heil" derzeit in den Kinos läuft.
"Du kannst mal anrufen, wenn du Deutschland regierst und in Polen einmarschierst." "Wie stellst du dir denn das vor?" "Heil Hitler!"
Andreas Dresen, Regisseur
Auch ein "Konrad Wolf"-Absolvent: Der Filmregisseur Andreas Dresen© Deutschlandradio Kultur
Anders als ihr immer wieder genanntes Vorbild Andreas Dresen muss sich der Nachwuchs mit Bachelor- und Masterregulierungen herumschlagen, seit die "Konrad Wolf" 2014 zur Universität aufgewertet wurde. Und mit einem globalisierten und darum unberechenbaren Medienmarkt sowieso und immer neuen Trends für neue Abspielgeräte. Die ganze Branche sei derzeit im Umbruch, betont Oliver Adam Kusio, der in Babelsberg im zweiten Jahr Regie studiert:
"Also das, was bisher gegolten hat, diese Fernsehzentriertheit, die wird langsam aufgelöst, und es gibt neue Formate im Internet, die wir benutzen wollen, oder in die wir rein wollen mit unseren Filmen. Das ist sicherlich etwas, das hier im Studium eine große Rolle spielt. Zum Beispiel ganz banal YouTube-Videos, es gibt Webserien, also kleine Serien mit Zehn-Minuten-Folgen, die auf YouTube kostenlos für jeden anzuschauen sind und dann über Werbung finanziert werden, übers Crowdfunding, also Leute spenden dann für die Filmemacher."
Studenten und Studentinnen wünschen sich größere Marktnähe
Neue Formate und Zugänge zum Publikum bieten den Filmemachern der Zukunft auch neue Chancen. Aber wie steht es in der 1954 gegründeten altehrwürdigen Filmhochschule mit der Anpassung an die neue Zeit, mit der Integration des Internets in den Lehrplan? Oliver Adam Kusio:
"Sicherlich wird es unterstützt, wenn es aus der Studierendenschaft kommt und angeregt wird, aber natürlich sind unsere Professoren auch einer älteren Generation angehörig und die haben da vielleicht nicht den direkten Zugang, den wir als Generation Y oder Leute, die mit dem Internet aufgewachsen sind, haben."
Paul Bauer studiert im fünften Jahr Filmproduktion. Er wünscht sich, dass die akademische Ausbildung besser an das wirkliche Leben angebunden wird. Zum Beispiel an das große Studio Babelsberg gleich nebenan, in dem auch Hollywood-Blockbuster gedreht werden. Paul Bauer:
"Da ist die Vernetzung vielleicht zwischen Uni und Studiogelände nicht so gut, dass man jetzt mal sagt: Hier können ein paar Produktioner mal Produktionsassistenz machen oder Regie Regieassistenz oder Kamera Kamera. Das ist bei uns nicht so der Fall, das ist leider nicht so an den Realmarkt gekoppelt."
Umgekehrt kämen aber die öffentlich-rechtlichen Sender an die Hochschule und ließen sich Inhalte produzieren, kritisiert Bauer. Paul Bauer:
"Das kann man überall beobachten, dass an Universitäten gegangen wird, weil da gibt’s Studenten, die machen dann einen 45-Minüter, der sonst 400.000 kostet, machen die für 20.000. Das ist für einen Fernsehsender ein großes Ding."
Bernadette Kolonko studiert Spielfilm-Regie und engagiert sich in der Studentenvertretung der "Konrad Wolf". Viele Kommilitonen wünschten sich eine intensivere Zusammenarbeit mit der Filmbranche, sagt sie:
"Das nimmt die neue Präsidentin, die ja auch noch relativ neu ist, Frau Stürmer, sehr in Angriff, dass es mehr diese Vernetzung gibt."
Neue Präsidentin unterstreicht wachsende Bedeutung bewegter Bilder
Susanne Stürmer, Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF)
Susanne Stürmer, Präsidentin der Hochschule für Film und Fernsehen "Konrad Wolf" (HFF)© picture alliance / dpa
Die Geschäftsführerin der UFA Film & TV Produktion, Susanne Stürmer, ist seit 2013 die erste Frau an der Spitze der Hochschule. Die Universitätswerdung 2014 unterstreiche auch die wachsende Bedeutung des Films, meinte Stürmer damals mit Blick auf die Omnipräsenz der bewegten Bilder. Die Universität lädt Praktiker für Vorträge und Workshops ein und vermittelt Trainee-Stellen in der Filmwirtschaft, um eine frühe berufliche Orientierung zu ermöglichen. Bernadette Kolonko schätzt die "Konrad Wolf" aber vor allem als Schutzraum, in dem Filmstudenten sich entfalten können, bevor sie im eiskalten Wasser des hart umkämpften Marktes paddeln müssen:
"Wenn man am Anfang noch ein bisschen geschützt wird, dann macht es auch mutiger, was auszuprobieren und Dinge und Formen und auch Formate auszuprobieren, die eben nicht erprobt und schon sicher sind, vielleicht auch mit Schauspielern auf eine Art und Weise zu arbeiten, wo man nicht die Nummer sicher fährt quasi."
Die Nummer sicher, wie sie jeden Abend im deutschen Fernsehen zu sehen ist und erst recht im Vorabendprogramm: Experimentelles muss man da mit der Lupe suchen.
Die Hochschule biete dagegen den Raum, um erst einmal einen eigenen Zugang zur Kunstform Film zu suchen. Bernadette Kolonko:
"Training im Sinne von meine eigene Sprache zu entwickeln. Also ich finde, das ist eigentlich so das Allerschwierigste beim Filmemachen. Es gibt das Bild, es gibt den Ton, es gibt die Musik, es gibt all diese Elemente. Hier kann ich mit verschiedenen Leuten zusammenarbeiten und die eigene Sprache und Handschrift entwickeln, habe die Zeit dafür und muss nicht sofort, dass jeder Film, den ich mache, quasi ein gelungenes Endprodukt im Sinne von markttauglich ist, sondern ich kann auch was probieren, ich darf auch mal scheitern zum Beispiel. Auch das ist ja was, wo man wahnsinnig viel lernt. Und das kann ich an der Uni viel besser als da draußen."
Film-Ausschnitt: "Andy ist mein Freund" von Oliver Kusio
"Andy ist mein Freund" heißt dieser Kurzfilm von Oliver Adam Kusio, der an der "Konrad Wolf" sein Handwerk lernt, weil die Uni für eine Dokumentarfilmschule stehe, die er interessant findet:
"Einen beobachtenden Dokumentarfilm, der in der DDR natürlich auch groß war. Und es gibt hier auch eine unglaublich gute Vernetzung zwischen den Studiengängen. Das heißt, es gibt eine Schauspielabteilung, die gibt es an anderen Filmschulen nicht. Es gibt eine Szeno-Abteilung, Szenografie. Das sind bei der Wahl für mich auch sehr, sehr wichtige Punkte gewesen."
Seinen Dokumentarfilm über die Freundschaft hat Kusio in Brandenburg gedreht, auf dem flachen Land:
"Das war wahnsinnig toll, weil für mich Brandenburg ein absolut unerschlossenes Gebiet war. Ich kam aus der Großstadt, keine Ahnung, was mich da erwartet. Ich bin also mit dem Auto losgefahren und habe diese beiden wahnsinnig offenen, gutherzigen, ehrlichen Menschen gefunden. Es war ein großes Geschenk - sowohl die Menschen als auch die Landschaft."
Paul Bauer: "Brandenburg als Filmlandschaft finde ich total gut."
Die Eltern von Paul Bauer haben in Dresden eine Filmproduktionsfirma. Er sagt:
"Ich glaube, es gibt kein Genre, was man hier nicht erzählen könnte, außer Mittelmeer vielleicht, weil man das Meer braucht. Aber das könnte man ja im Studio Babelsberg dann via Green Screen im Studio drehen. Und es gibt ja total abgedrehte Locations um Potsdam herum, weil, das ist ja alles Grenzgebiet hier. Ich war hier mal spazieren und da bin ich an den ehemaligen Grenzstreifen mitten im Wald gekommen, so verwachsene, verwucherte Häuser, das sah aus wie bei Tarkowski in ‚Stalker‘. Ich sagte: ‚Hier müssen wir unbedingt mal drehen, weil, das ist eine super Location.‘ Und Potsdam allgemein als Standort ist ja sehr, sehr groß, nicht nur, was die Filmindustrie angeht, auch die Games-Industrie ist ja hier sehr stark, im Gegensatz zu Berlin, da ist die Games-Industrie kleiner. Allgemein ist das das Brandenburger Land super."
Manchmal muss man gar nicht weit raus fahren. Nur einen knappen Kilometer von der Filmhochschule entfernt, haben Studenten für das Regie-Seminar bei der Theaterschauspielerin und -regisseurin Gabriele Gysi ihren Drehort in einer Kleingartenanlage gefunden. In einer Laube inszenieren sie mit zwei überkreuz gestellten, teuer aussehenden großen Kameras eine Dialogszene zwischen Mann und Frau, auf Grundlage eines Textes von Karl Kraus. Gabriele Gysi, die ehemalige Chefdramaturgin der Berliner Volksbühne, springt als Tonassistentin ein und kommentiert freundlich die Arbeit der Regie-Frischlinge:
"Das habt ihr schon sehr schön gemacht, aber ich frage mich, ob es noch etwas geben kann, was ihr sozusagen ne Idee mehr in euren Körper nehmt? Vielleicht so ein Stückchen Sehnsucht aufeinander? Oder ein Stückchen Angst sich zu verlieren, weil die ganze Zeit die Beziehung in Frage gestellt ist?"
"Filmemachen ist in erster Linie Filme machen und Geschichten erzählen"
In einem Schneideraum der "Konrad Wolf" ist der 28-jährige Simon Ostermann schon mehr als einen Schritt weiter. Mit seinem Cutter sitzt er am Schnitt seines Bachelor-Abschlussfilms "B 96", ein Heimatfilm, der an der gleichnamigen Bundesstraße spielt. Simon Ostermann:
"Die B 96 ist die Straße in Brandenburg. Das ist die Straße, die man raus fährt aus Berlin und dann fährt man nach Hamburg oder nach Stralsund, ans Meer oder wo auch immer hin. Und die geht schon los bei mir in Friedrichshain, wo ich wohne, als Warschauer Straße, und geht dann raus und ist so ein toter Transitort an manchen Stellen."
Vor diesem "Heimatfilm" vor der Haustür als Abschlussarbeit hat Simon Ostermann einen Dokumentarfilm über Fußball gedreht - im fernen Iran:
"Die Hauptgemeinsamkeit liegt tatsächlich in der Hilfsbereitschaft der Leute. Es waren ja sehr unterschiedliche Bedingungen. Trotzdem ist man, wenn man als Student einen Film macht, ja immer darauf angewiesen, ganz viel Hilfe von netten Leuten zu bekommen. Man hat ja große Ambitionen und wenig Geld, deswegen ist man einfach auf Menschen angewiesen, die einem Orte umsonst geben, an denen man dreht, Betten, in denen man schlafen kann. Deswegen braucht man viel Hilfe. Und das funktioniert in Brandenburg meiner Erfahrung nach sehr, sehr gut."
Drehen in Brandenburg sei auch gut für den Zusammenhalt des Filmteams, erzählt Ostermann, weil man wochenlang irgendwo improvisiert hause:
"Wenn ich in Berlin drehe, dann bin ich abends wahnsinnig erschöpft. Und wenn man so rausfährt und in Brandenburg im Wald sitzt und das Fenster aufmacht und dann irgendwelche Wildschweine buddeln hört, dann ist das schon ganz cool. Dann sitzt man da in Brandenburg und hat eine gute Zeit und lässt die Autos offen stehen und schließt die Tür nicht ab, weil man ja alleine ist. Und dann fährt man nach Berlin und dann wird einem in der ersten Nacht der Koffer geklaut. Die Einsamkeit hat was Gutes, die man in Brandenburg so hat."
Den Willen, Geschichten zu erzählen und auch zu zeigen, was nicht offen auf der Straße liegt, den müsse man als Student an die "Konrad Wolf" schon mitbringen, meint Ostermann. Er schätzt die Filmhochschule vor allem dafür:
"Dass es in erster Linie ein riesengroßer Spielplatz ist, und diese Zeit, die ich jetzt hatte, hier Spielgefährten zu finden, denen ich von einer Idee erzähle und die dann auch eine haben. Ob das mein Cutter ist, neben dem ich jetzt zum fünften Mal sitze, oder mein Kameramann, mit dem ich sehr viel mache, oder meine Szenografin, oder die Autorin, mit der ich am nächsten Film schon wieder schreibe und schon viele Sachen gemacht habe. Dass man so eine Filmfamilie findet, mit der man zusammen Filme macht und möglicherweise dann auch als Beruf Filme macht: das ist das größte Geschenk."
Um solche Präsente machen und die teure Technik stellen zu können, braucht die Universität viel Geld. Das Budget liegt bei 14 Millionen Euro jährlich. Um das aufzustocken, will die neue Präsidentin Stürmer sich vermehrt um Forschungsgelder bemühen. Eine Entwicklung, die Simon Ostermann kritisch verfolgt:
"Filmemachen ist nicht nur künstlerische Forschung, was so die goldene Formel ist, mit der einem gerade begegnet wird, wenn man Gelder für irgendwas haben will, sondern Filmemachen ist Filme machen in erster Linie und Geschichten erzählen. Das hat nicht immer zwangsweise einen wissenschaftlichen Hintergrund, ganz im Gegenteil. Das ist, glaube ich, ein ganz großer Konflikt, der in dieser Schule gerade auch tobt. Ich glaube, da wird es der Schule extrem gut tun, sich ein bisschen mehr als Ausbildungsstätte für Filmschaffende im ganz praktischen Sinne zu begreifen."
Und die Herausforderungen durch das Internet? Ostermann winkt ab:
"Stichwort neue Medien und Interaktivität und so weiter und so weiter. Das bahnt sich seinen Raum und so langsam kommt es an. Es gibt auch verschiedene neue Studiengänge, die sich auf die Digitalisierung dieser Arbeitsprozesse einstellen. Das ist ein langsam schleichender Prozess, aber es geht schon langsam los in dieser Schule. Ich glaube aber, dass sich im Kern auch dadurch nichts verändert an der Frage: Wie erzähle ich eine Geschichte?"
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