Das "Autonome Zentrum" in Köln

Platz für alternative Lebensentwürfe

Besetzer demonstrieren im Jahr 2011 gegen die drohende Räumung des "Autonomen Zentrums" in Köln.
Besetzer demonstrieren im Jahr 2011 gegen die drohende Räumung des "Autonomen Zentrums" in Köln. © picture alliance / dpa / Oliver Berg
Von Manfred Götzke · 04.12.2017
Gegen Gentrifizierung, für mehr Freiräume: Vor sieben Jahren haben junge Leute ein leerstehendes Areal in Köln besetzt. Mittlerweile ist das "Autonome Zentrum" eine feste Größe in der alternativen Szene der Stadt.
Eine Garage in der Kölner Südstadt. Ines, Mitte 30, kurz geschorene Haare, schraubt wie jeden Donnerstagabend an ausrangierten Fahrrädern rum. Nicht für sich selbst, und auch nicht für Geld.
"Das ist ne spendenfinanzierte Selbsthilfewerkstatt, das heißt, Leute können hier mit ihren Rädern hinkommen und die reparieren unter Anleitung. Wir kriegen auch viele Spenden, nicht nur Geld, sondern auch Fahrradteile. Das heißt, es können auch Leute kommen, die noch kein Fahrrad haben und sich eins zusammenbauen und dann mitnehmen, ja."
Die Garage ist Teil des "Autonomen Zentrums" in Köln, ein Areal aus etwas heruntergekommen Garagen, kleinen Hallen und einem zweistöckigen Hauptgebäude. Fast alle sind außen mit Graffiti besprüht. In der Mitte ein offener Hof mit Hochbeeten und Bänken drauf.
Entstanden ist dieses Kulturzentrum aus einer Hausbesetzung. Vor sieben Jahren hat Ines, die eigentlich anders heißt, mit Aktivisten eine leerstehende Werkskantine besetzt. Nach zähen Verhandlungen mit der Stadt ist das "Autonome Zentrum" auf diese Brachfläche in der Kölner Südstadt gezogen. Legal.
"Wir stehen ja hier im Innenhof und wie du siehst, sind hier Garagen, in denen wir ganz unterschiedliche Projekte untergebracht haben. Das Lebensmittelprojekt, wo wir Bedürftige verpflegen, ne Kleiderkammer, wo sich Leute, die keine Kleider haben oder zu kalt angezogen sind, sich unkompliziert Sachen abholen können."

Freiräume für unterschiedliche Projekte

Kim Wolnosc sitzt in der Mitte des Hofes, auf einer Bank aus Europaletten, und zeigt von Garagentor zu Garagentor. Hinter jedem verwirklichen sich andere Gruppen und Initiativen, die sonst keine Räume für Bandproben oder Seminare bekommen. Wolnosc kümmert sich bei den interviewscheuen Autonomen um die Pressearbeit.
"Also das Ehrenamt steht hier im Vordergrund, dass die Menschen sich verwirklichen können und Projekte machen, für die sie sonst keine Räume bekommen. Das versteht sich auch als Freiraum und bietet andere Möglichkeiten als Volkshochschulen oder andere Räume der Stadt."
"Kann jeder hierhin kommen?"
"Ja, es kann jeder kommen, man sollte einfach ein aufgeklärter Mensch sein und für Freiheit, Solidarität und Gleichheit stehen, dann passt man grundsätzlich hier rein. Man muss nicht organisiert links sein."
Neben dem Pressesprecher Wolnosc sitzt Reiner Schmidt. Er ist pensionierter Lehrer und quasi der Historiker der Hausbesetzerszene. Schmidt hat einen 600-Seiten-Band über die Autonome Szene in Köln geschrieben.
"Autonomes Zentrum ist nicht gleich autonomes Zentrum, da sind ganz unterschiedliche Leute drin."
"Wie würden Sie denn den Ansatz hier beschreiben?"
"Also ne Mischung aus autonomen und sozialem Zentrum eigentlich."
"Würden sie sich als autonom beschreiben?"
Schmidt: "Nein, ich bin old school, organisiert links."
Kim: "Ich wusste erst, dass ich angeblich autonomer bin, seit ich mich im autonomen Zentrum aktiv einbringe. Seit man da aktiv ist, heißt es, ah, da sind die Autonomen – ich bin Bürger dieser Stadt!"

Zehn Jahre Leerstand

Einen knappen Kilometer vom Autonomen Zentrum entfernt liegt die Zülpicher Straße, mitten im Univiertel. In den Nachkriegshäusern sind unten Burgerläden, Kioske und Buchhandlungen – oben überteuerte, WG-gerechte Wohnungen. Die Gegend ist zwar nicht besonders schön, gehört aber zu den teuersten Kölns, 12,50 Euro der Quadratmeter.
"Das ist ein Wohnhaus, mit drei Etagen ungefähr 17 Wohnappartements sind hier drin – und das stand zehn Jahre lang leer."
Daniel steht vor dem Wohnhaus auf der Zülpicher Straße 290. Dass hier trotz des Wohnungsmangels so lange keiner leben konnte, wollten er und seine Mitstreiter nicht hinnehmen. Sie haben es im vergangenen Jahr besetzt.
"Das Haus war sieben Monate besetzt, wir haben es nach einer Verhandlungslösung freiwillig geräumt, und seitdem ist es an den Hausverwalter übergeben, der es saniert und dann an die Stadt vermietet."
In ein paar Monaten sollen hier Geflüchtete einziehen, im Erdgeschoss wird es ein Kulturcafé geben, das die Aktivisten betreiben. Eine Win-Win-Situation.

Raum für Flüchtlinge

"Unser Ziel war, Wohnraum für alle zu schaffen, der so erschwinglich ist, dass, gerade auch Geflüchtete hier leben können, aber nicht nur.
Reporter: "Hausbesetzung, ist das mit einer bestimmten Lebenseinstellung verbunden? "
"Es stehen viele Werte dahinter und kritische Überlegungen, also, warum dieser Grund und Boden jetzt privat ist. Man könnte sich natürlich eine Stadt auch komplett anders vorstellen, dass der Grund und Boden nicht in Eigentumsverhältnisse unterteilt ist, sondern Gemeinschaftseigentum ist."
In das Haus hinein dürfen wir nicht, der Verwalter hat es nicht erlaubt. Daniel ist Ende 20, trägt kurze Haare, Standardjeans zur Standard-Umhängetasche. Er sieht eher aus wie ein Junglehrer, nicht wie ein Hausbesetzer. Verdrängung, Gentrifizierung – das sind schon länger seine Themen, er hat Stadt-Soziologie studiert.
"Man riskiert ne Anzeige und auch ne Strafe, aber hat die Chance, Wohnraum zu schaffen, den es vorher nicht gegeben hat und der dann – in diesem Fall – über 30 Jahre erhalten bleiben wird."
Reporter: "Zählt Privateigentum für Sie da nicht?"
"Bei Leerstand? Also, das ist für mich nicht legitim!"
Reporter: "Wenn Sie jetzt auf Köln gucken, gibt’s da weitere Häuser, wo Sie sagen, da müssen wir rein?"
"Köln hat einige 100.000 Häuser, so dass es auch noch einige Häuser gibt, die man besetzen könnte."
Reporter: "Gibt’s da einen Plan?"
"Da sag ich jetzt nichts zu …"
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