"Das Alte Testament der Klaviermusik"

Gast: Christine Schornsheim / Moderation: Ilona Hanning · 04.11.2012
Der Pianist und Dirigent Hans von Bülow, sonst ein Spötter vor dem Herrn, nannte es ehrfurchtsvoll "Das Alte Testament der Klaviermusik". Diese Einschätzung des "Wohltemperierten Klaviers" von Johann Sebastian Bach scheint so zeitlos gültig wie das Werk selbst - alles andere aber hat sich im Lauf der Zeit geändert. Denn hier gilt das gleiche wie für die Bibel: Auslegung ist alles!
"Bach habe ich immer verehrt, geliebt, mit größtem Respekt betrachtet. Das Bild über dem Klavier meiner Eltern spielte dabei eine besondere Rolle. Es war nicht das berühmte Haußmann-Porträt, sondern eine Zeichnung, auf der Bach nicht ganz so verquollen aussieht. Ich gewöhnte mir an, beim Üben oder dem, was ich dafür hielt, Zwiesprache mit Bach zu halten. Das funktionierte bestens, denn er kommentierte alles, wenn ich es denn wissen wollte."
So beschreibt Christine Schornsheim auf ihrer Website ihre ersten musikalischen Gehversuche – Bach, Haydn und viele andere barocke und klassische Komponisten gehören zum Kernrepertoire dieser Spezialistin für historische Tasteninstrumente, die vorzugsweise Cembalo und Hammerflügel spielt. Nicht lange vor dem Gang ins "Interpretationen"-Studio hat sie im Plattenstudio das "Wohltemperierte Klavier" eingespielt. Schornsheim ist eine Vertreterin der historisierenden Aufführungspraxis, aber sie trumpft im Gegensatz zu manchem ihrer Kollegen nicht mit angeblich ultimativen Quellen-Erkenntnissen auf. Natürlich streitet sie für die alten Instrumente, aber Bachs zeitlose Musik vermag sie auch auf dem Steinway zu fesseln – vor allem dann, wenn so große Musiker wie Friedrich Gulda oder András Schiff an den Tasten sitzen.

Ein erfrischender, unvoreingenommener Streifzug durch das unerschöpfliche Feld der Bach-Deutungen – von Glenn Gould und Friedrich Gulda bis zu Swjatoslaw Richter und Daniel Barenboim, von Keith Jarrett über Masaaki Suzuki bis zu Martin Stadtfeld.