Dante und die "Göttliche Komödie"

Vom Inferno zum Paradies

Illustration der Göttlichen Komödie von Gustave Doré (1832-1883)
"Lasst alle Hoffnung fahren": Dante und Vergil steigen hinab in die Hölle, hier zu sehen in einer Darstellung von Gustave Doré (1831-1883). © imago / Leemage
Von Astrid Nettling · 11.09.2021
Dante Alighieri schrieb seine "Divina commedia“ Anfang des 14. Jahrhunderts in der damaligen, "volgare" genannten Volkssprache und machte diese damit salonfähig. Das 14.000 Verse umfassende Werk war damals auch als scharfe Kritik an den Zuständen zu lesen.
Die "Divina Commedia" beschreibt Dantes Wanderung von den düsteren Schrecknissen des "Inferno", über die Läuterungen des "Purgatorio" hin zur lichterfüllten Schönheit des "Paradiso". Unterwegs begegnen ihm so bekannte Gestalten wie die unglückselig Liebenden Francesca da Rimini und Paolo oder der Frühverstorbenen und unsterblichen Liebe Dantes Beatrice.
Zugleich ist Dantes Hauptwerk auch als scharfe Kritik an den Zuständen seiner Zeit zu lesen. Dante hat sein Werk mit dem erklärten Ziel geschrieben, "die Lebenden aus dem Zustand des Elends herauszuholen und sie zum Zustand des Glücks hinzuführen".
Geleitet wird der Jenseitswanderer dabei von dem römischen Dichter Vergil. Mit ihm gelangt er durch das "Inferno" und durch das "Purgatorio". Im letzten Teil seiner Reise wird keine andere als die vielbesungene Beatrice selbst es sein, die den Dichter durch das "Paradiso" führt.
Dantes Erfolg hält bis in die heutige Zeit an, und zeigt sich auch darin, dass es in der "Unterhaltungsindustrie wie z.B. in den japanischen Mangas, Computerspielen aus Amerika, Comics so präsent ist", sagt Franziska Meier, Professorin für Romanische Literaturwissenschaft und Komparatistik an der Universität Göttingen, die zum 700. Dantejubiläum in diesem Jahr ein Buch veröffentlicht hat.

Dantes Leben

Über Dantes Leben weiß man wenig, sagt Franziska Meier. "Was wir wissen, wissen wir aus seinen eigenen Texten" und aus der Dante-Biografie von Giovanni Boccaccio, eines Zeitgenossen Dantes, der ihn selber aber nie gesehen hat.
Dante wurde ungefähr 1265 geboren. Seine Mutter ist früh gestorben. Er hat die Schule besucht und zumindest auch rudimentär das Lateinische gelernt. Sein Vater war Geldleiher. "Er war im Kreditgeschäft, und das war wohl auch die Ausbildung und Beruf, der den Söhnen, unter anderem Dante Alighieri, bestimmt war. Als junger Mann muss er dann in den Kreis von in Florenz tätigen jungen Dichtern hineingeraten sein, wie er das selbst in der 'Vita nuova', seinem ersten Prosawerk, darstellt."
Nahansicht des Porträts von Dante Alighieri in Florenz, Kathedrale Santa Maria del Fiore.
Porträt von Dante Alighieri in Florenz: Wer schon einmal eine italienische Zwei-Euro-Münze in der Hand hatte, kennt das Gesicht.© imago / UIG
Auf dem Rückweg einer Reise als Gesandter des Fürsten Guido da Polentas nach Venedig erkrankt Dante und stirbt am 14. September 1321 in Ravenna. Dort findet er auch seine letzte Ruhestatt. Bis heute liegt er in Ravenna begraben. Sein berühmtes Profil, das der Renaissancemaler Raffael geschaffen hat, ziert die Rückseite der heutigen italienischen Zwei-Euro-Münze.

Dantes "Inferno"

Wenden wir uns nun den beiden Gefährten, Vergil und Dante, zu, die auf ihrem Weg durch das "Inferno" sind. Wir treffen sie gerade vor dem Eingang zur Hölle. Dort machen sie vor einem Riesentor halt, auf dem zu lesen ist:
"Durch mich geht es zur Stadt der Leiden,
durch mich geht es zum ewigen Schmerz,
durch mich geht es zu den verlorenen Menschen.
Die ihr hereinkommt: Lasst alle Hoffnung fahren."
Dante und Virgil am Höllentor, Illustration von Gustave Doré, ca. 1890
Auf dem Weg in die Tiefen: Dante und Virgil am Höllentor, in einer Illustration von Gustave Doré, ca. 1890 © picture alliance / The Print Collector / Heritage Image
Auf ewig lichtlos ist es dort. Dantes "Inferno" gleicht einem gewaltigen Trichter im Innern der Erde, der sich nach unten zum Erdmittelpunkt hin immer stärker verjüngt.
An seiner tiefsten Stelle steckt Luzifer selbst. Nach seinem Aufstand gegen Gott – unmittelbar nach der Schöpfung – hatte er sich dort durch die Wucht seines Sturzes tief in die Erde hineingebohrt. Neun Höllenkreise insgesamt umfasst der Trichter des "Inferno". Je tiefer man kommt, desto entsetzlicher werden die Strafen.

Der letzte Höllenkreis

Im letzten Kreis der Hölle schließlich herrscht ewiges Eis. Ganz unten im eisigen Höllentrichter angekommen, sehen sie Luzifer, den einstmals schönsten Engel und ersten Verräter überhaupt. Ein abscheuliches Schreckensbild ist aus ihm geworden mit drei grässlich entstellten Gesichtern und sechs riesigen, fledermausartigen Flügeln, deren gewaltige Windstöße den Höllengrund zu ewigem Eis gefrieren lassen.
Schließlich mahnt Vergil: "Die Nacht steigt auf, 's ist Zeit, wir müssen fort, denn alles haben wir nun gesehen."
Mit Grausen klettern sie sodann den engen Spalt zwischen dem behaarten Teufelsleib und der dicken Eiskruste weiter hinunter. Sie passieren so den Erdmittelpunkt und gelangen auf die andere Seite der Erde. Dort kommen sie in einem dämmrig feuchten Höhlengang an, dessen felsige Windungen die Wanderer nun emporsteigen, zurück in die Welt des Lichts.

"Purgatorio" - Weg zur Läuterung

Auf dem Weg zum Läuterungsberg dringen keine Schmerzensschreie der Verdammten mehr zu ihnen. "Stattdessen ist die Luft erfüllt von freudigen Gesängen und Gebeten der reumütigen Seelen. Sie sind nach den sieben Hauptlastern der Menschen gestaffelt: Stolz, Neid, Zorn, Trägheit, Geiz, Gefräßigkeit und Wollust. Alsbald kommen auch Dante und Vergil zu diesem Tor."
Gustave Dor:  La Divina Commedia, Purgatorio,  1887.
"Purgatorio" von Gustave Doré, 1887. Seine plastische Gestalt verdankt das Purgatorio Dante, sagt Expertin Meier.© imago / UIG
Franziska Meier beschreibt das Purgatorium: "Das hat niemand sonst so gedacht, da nimmt er den Garten Eden. Wenn man das ganze 'Purgatorium' durchlaufen hat und sich geläutert hat, landet man dort, wo die Menschen seit Adam und Eva nicht mehr sein können. Es ist Dante, der dem 'Purgatorium' seine plastische Gestalt gibt und diese Idee hat, dass man über die Läuterung der eigenen Seele gewissermaßen wieder ins irdische Paradies kann."

Die Komödie als Genre

"Der Titel, der heute üblich ist, "Divina commedia", kommt erst Mitte des 16. Jahrhunderts auf, vermutlich aus Marketinggründen.
Dante selbst betrachtet die Komödie als "eine Art poetische Erzählung, die sich von allen anderen unterscheidet. Sie unterscheidet sich von der Tragödie im Stoff dadurch, dass die Tragödie zu Beginn bewundernswert ist und ruhig, am Ende aber erschreckend. Die Komödie beginnt abstoßend, aber ihr Stoff endet glücklich. Daraus geht hervor, weshalb das vorliegende Werk Komödie genannt wird. So ist der Stoff zu Beginn erschreckend und hässlich, weil die Hölle dargestellt wird, zum Schluss beglückend, begehrenswert und schön, weil er das Paradies darstellt. Das Ziel des Ganzen besteht darin, die Lebenden in diesem Leben aus dem Zustand des Elends herauszuholen und sie zum Zustand des Glücks hinzuführen."

Exil ohne Rückkehr

Zu Dantes Zeit war die Florentiner Bürgerschaft in zwei Parteien geschieden, und dank der Anstalten eifriger Führer war davon eine jede recht machtvoll, so dass einmal die eine, ein anderes Mal die andere zum Missvergnügen der unterlegenen Partei regierte, so beschreibt es Boccaccio.
"Dieser Konflikt zwischen den 'Weißen' und den 'Schwarzen' steigert sich gegen Ende des 13. Jahrhunderts so stark, dass es immer wieder zu Unruhen kommt, und eine Weile lang können die 'Weißen' sich halten. Dante wird als Botschafter nach Rom geschickt zum Papst, und während er außerhalb der Stadt ist, gelingt es den 'Schwarzen', die Stadt in den Griff zu bekommen, und das bedeutet einen Exodus all dieser 'Bianchi'."
Dante erfährt das auf der Reise zurück und zieht es dann vor, außerhalb von Florenz zu bleiben. Das hat es in Florenz immer wieder gegeben: Es gibt einen politischen Umschwung, und dann geht ein ganzer Teil der Bürgerschaft ins Exil, und irgendwann geht es dann wieder in die andere Richtung, dann kommen sie wieder zurück. Aber was jetzt gemacht wird, ist, dass man die Gerichtsverfahren, die man gegen politische Gegner anstrengt, unter einer Rubrik von Kriminalität laufen lässt. Sie werden verurteilt, im Falle von Dante wegen Amtsmissbrauch, weil er Geld gekriegt hat in seinem politischen Amt dafür, dass er bestimmte Dinge getan hat. Er wurde verurteilt und sollte eine Strafe zahlen. Als er diese nicht gezahlt hat und nicht zurückgekommen ist, hat man ihn in Abwesenheit zum Tode verurteilt. Ab da ist Dante vogelfrei und bewegt sich im Exil", erläutert Franziska Meier.

Die Volkssprache wird salonfähig

"Diese meine Volkssprache war die Vermählerin meiner Erzeuger, die sich in dieser Sprache verständigten, so wie das Feuer die Vorbereitung des Eisens für den Schmied ist, der das Messer macht, wodurch offensichtlich ist, dass die Volkssprache meiner Zeugung beigestanden hat und so eine Ursache meines Seins ist."
Mit diesen Worten stimmt Dante in seiner Schrift "Convivio", dem "Gastmahl", ein Dankeslob auf seine Muttersprache an. Dieses Werk ist unvollendet geblieben. Es ist während seines Exils entstanden – in den Jahren zwischen 1304 und 1307 – und gleichfalls in "volgare", in der Volkssprache, verfasst. Dante verteidigt darin Bedeutung und Wert dieser Sprache.
Dantes Vision des Paradies
Dantes Vision des Paradies. Auch die "volgare" genannte Volkssprache bringt Licht, während die Sonne des Lateinischen nur wenigen scheint, schrieb Boccaccio. © imago / United Archives
Giovanni Boccaccio betont in seinem Traktat "Das Leben Dantes": "Warum sollte man mit Geringschätzung behandeln, worin man aufgewachsen ist? Zwar gleiche die lateinische Sprache einer Sonne – hält Dante im "Gastmahl" fest –, aber sie ist eine Sonne, die nur wenigen Menschen scheint, während das 'volgare' allen, die in ihr aufgewachsen sind, Licht bringt. Der Dichter schließt das erste Buch seines 'Convivio' mit den geradezu prophetischen Worten: 'Diese Sprache wird das neue Licht sein, die neue Sonne. Sie wird dort aufgehen, wo das bisher Gewohnte untergehen wird. Es wird denen Licht geben, die in Finsternis und Dunkelheit sitzen wegen der bisherigen Sonne, die ihnen nicht leuchtet.'"

Dantes "Paradies" in der zeitgenössischen Rezeption

In einer Ausstellung im Jahre 2014 im Museum für Moderne Kunst in Frankfurt haben sich afrikanische Gegenwartskünstlerinnen und -künstler mit der "Göttlichen Komödie" auseinandergesetzt.
Dazu Franziska Meier: "Es gibt in der modernen Kunst Lichtinstallationen, mit denen man versucht, das 'Paradies' nachzustellen. Ich fand es sehr interessant, dass in dieser Ausstellung nicht das 'Inferno' genommen wurde, um Missstände anzuklagen, nein, sie interessieren sich genau für dieses 'Paradiso' und für die Vorstellung, dass sie ihre eigenen Leute im Paradies platzieren können. Sei es Soyinka, der nigerianische Nobelpreisträger für Literatur, sei es Martin Luther King. Dante hat nichts Anderes gemacht. Es sind nicht die üblichen Heiligen, die man sonst aus der christlichen Tradition kennt, die da oben sind, sondern seine Leute sozusagen, wen er interessant fand."

Literatur:

- Dante Alighieri: "La Commedia/Die Göttliche Komödie", Italienisch/deutsch. 3 Bände, Übersetzer Hartmut Köhler, Reclam Stuttgart 2010-2012
- Dante Alighieri: "Das Gastmahl", Felix Meiner Verlag, Hamburg 2004
- Franziska Meier: "Besuch in der Hölle. Dantes Göttliche Komödie", C.H. Beck Verlag, März 2021

Das vollständige Skript zu dieser Langen Nacht finden Sie hier.

Eine Produktion von Deutschlandfunk Kultur/Deutschlandfunk 2021.
Mehr zum Thema