Daniil Trifonov bei der Tschechischen Philharmonie

Jubiläum mit Dvořák und Schostakowitsch

Daniil Trifonov spielt, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum
Daniil Trifonov spielt, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum © Petra Hajská/EBU/CR
Moderation: Volker Michael · 25.10.2020
Der 100. Geburtstag des Dirigenten Václav Neumann und Saisonauftakt - Chefdirigent Semyon Bychkov hat zu diesem Anlass Antonín Dvořáks 8. Sinfonie programmiert, Daniil Trifonov und Selina Ott spielten Schostakowitschs Doppelkonzert.
Am 23. September war in Prag die Welt noch in Ordnung – es gab Konzerte und die Menschen durften Musik hören. Schon Tage später sieht es in der tschechischen Hauptstadt ganz anders aus. Hoffen wir, dass es dort schnell wieder besser wird.
Die offizielle Saisoneröffnung der Tschechischen Philharmonie fand unter Leitung ihres Chefdirigenten Semyon Bychkov statt. Und sie sollte an jenem Tag an einen großen tschechischen Dirigenten erinnern, der am 29. September 100 Jahre alt geworden wäre - Václav Neumann sein Name, auch deutschen Musikfreundinnen und -freunden vielleicht noch ein Begriff. Wir erinnern an ihn mit Ausschnitten aus einem langen Interview, das Klaus Geitel 1984 im Sender RIAS Berlin mit Václav Neumann geführt hat.
Daniil Trifonov und Selina Ott spielen, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum
Daniil Trifonov und Selina Ott spielen, Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum© Petra Hajská/EBU/CR
Ursprünglich stand für dieses festliche Konzert die fünfte Sinfonie Gustav Mahlers auf dem Programm – denn Neumann galt auch als großer Mahler-Interpret. Doch Chefdirigent Semyon Bychkov und das Orchester waren übereingekommen, die Zahl der Mitwirkenden zu reduzieren, um die Abstandsvorschriften einhalten zu können. Deshalb gab es im Dvořák-Saal des Prager Rudolfinums die achte Sinfonie des Namensgebers statt der fünften Mahlers.

Neobarockes Doppelkonzert

Die Sinfonie ist auch nicht klein besetzt, unter Berliner Pandemieregeln zum Beispiel wäre sie jetzt im Oktober nicht aufführbar. Aber in Prag war das Ende September noch möglich. Vor der großartigen Sinfonie Antonín Dvořáks stand aber noch ein eher bescheiden bestücktes Solokonzert, nämlich das für Klavier, Trompete und Streicher von Dmitrij Schostakowitsch - mit zwei hervorragenden Solisten – dem russischen Pianisten Daniil Trifonov und der österreichischen Trompeterin Selina Ott. Sie hat als erste Frau in ihrem Fach vor zwei Jahren den ARD-Musikwettbewerb gewonnen. Da war sie 20 Jahre alt. Nicht viel älter war Schostakowitsch, als er dieses Werk komponierte, 27 Jahre nämlich, und 1933 war auch für ihn die Welt noch halbwegs in Ordnung, oder noch nicht so bedrohlich eingefärbt wie nach den Angriffen des Stalin-Systems auf ihn drei Jahre später.

Zirkus und Beethoven

Schostakowitsch liebte den Zirkus, den Sarkasmus und die alten Formen. All das wird in diesem Doppelkonzert spürbar. Neobarock könnte man dieses Konzert nennen, von der Form her und von der Art des Zusammenspiels von Soli und Tutti. Der Komponist imitiert nicht nur die überlieferten Form-Modelle von Sonatenhauptsatz, Lied, kurzem Intermezzo und vereinfachter Sonatenform. Er zitiert auch ausführlich sich selbst, was nicht so leicht zu erkennen ist, und große Vorbilder wie Beethoven, Grieg und Mahler, was ebensowenig zu erkennen ist. Schostakowitsch arbeitet dabei nie plakativ, sondern durchläuft einen stark subjektiven Katalysator.
Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum
Semyon Bychkov dirigiert die Tschechische Philharmonie am 23.9.20 im Prager Rudolfinum© Petra Hajská/EBU/CR
Die achte Sinfonie Antonín Dvořáks ist ein wundervolles Werk, das in schwerer Zeit viel Trost spenden kann. Sie hat den Ruf, besonders leicht und optimistisch zu sein, nach seiner schwierigen Siebten Sinfonie und vor der gewichtigen und allseits gespielten Neunten "Aus der Neuen Welt". Aber so leicht ist sie dann doch nicht – die achte Sinfonie. Sie ist fast wie eine Tanzsuite gestaltet - und imponiert dennoch durch Kontraste und Variationen von eindrücklichen Themen. Sie steckt so voller Fantasie, dass jeder noch so routinierte Dirigent immer wieder neue Facetten entdecken und herausarbeiten wird. In ihr scheinen klare Linien auf, die von Dvořák direkt zu Janácek, Prokofjew und Strawinsky führen.
Dvořák-Saal des Rudolfinums, Prag
Aufzeichnung vom 23. September 2020
Dmitrij Schostakowitsch
Konzert für Klavier, Trompete und Streicher c-Moll op. 35
Antonín Dvořák
Sinfonie Nr. 8 G-Dur op. 88

Daniil Trifonov, Klavier
Selina Ott, Trompete
Tschechische Philharmonie
Leitung: Semyon Bychkov

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