Daniel Hope

Geigenvirtuose als Talkmaster

Der Geiger Daniel Hope moderiert das Abschlusskonzert
Daniel Hope: Wenn er nicht auf der Geige spielt, redet er auch gern. Am liebsten würde er Barack Obama interviewen © Harald Hoffmann
Von Haino Rindler · 05.12.2016
Der Geiger Daniel Hope ist ein herausragender Musiker, der durch seine Crossover-Programme immer wieder für Spannung sorgt. Nun ist er auch Musikdirektor beim Zürcher Kammerorchester. Für seinen neuen Job hat sich Hope einiges einfallen lassen - beispielsweise ein Format namens "Director’s Cut".
"Meine Idee war bei diesem Director’s Cut, ein anderes Thema anzuschauen und das quasi mit unseren Musikern vom Zürcher Kammerorchester zu verbinden."
Eigentlich ist das schon zu viel verraten. Denn Daniel Hope setzt bei seinem neuen Konzertformat "Director’s Cut" vor allem auf eines: auf Überraschung.
Dass sein neues Orchester dabei auch eine Rolle zu spielen hat, überrascht allerdings kaum, denn "Director’s Cut" mag dem Titel nach an den Film erinnern, es ist und bleibt ein Gesprächs-Konzert. Nichts Neues also, weder für die Musikwelt noch für ihn selbst.
"Ich finde, das brauchen wir heutzutage, gerade in einer Welt, wo das Sprechen oder Diskutieren auf einer absteigenden Welle der Empörung heruntersinkt ... Dass man Menschen zusammenbringt und über die aktuellen Themen spricht, debattiert, das ist etwas, was unsere Gesellschaft braucht."

Sein Gast: der Rennfahrer Marcel Fässler

Ausprobiert hat er das Format bereits unter anderem Titel in seiner Wahlheimat Berlin, wo er als Talkmaster seine Gäste über die musikalische Schiene öffnen möchte. In diesem Fall heißt der Gast Marcel Fässler und ist ein bekannter Rennfahrer in der Schweiz. Das Thema liegt auf der Hand:
"Aber mich interessiert sehr dieser psychische Prozess um das Auftreten ... und was sind sozusagen die Rituale, die er macht? Gibt es da Parallelen zur Musik? Und: Was ist für ihn ein gelungenes Rennen? Ist es nur, wenn er gewinnt? Ist es nur, wenn er am schnellsten ist, oder gibt es andere Parallelen? Das Gleiche kann man sich als Musiker fragen: Ist ein gutes Konzert ein Konzert, wo man nur die richtigen Töne spielt, oder so schnell wie möglich etwas bringt? Oder geht es um etwas anderes, etwas Tiefgründigeres und Tiefsinnigeres?"
Daniel Hope erinnert sich an ein Konzert, wo er an Drähte angeschlossen ein Stück spielte und auf einem Monitor für das Publikum seine Herzfrequenz übertragen wurde. Er hörte die "Ahs" und "Ohs", sah aber selbst nicht, in welche Höhen sein Puls auf dem Monitor stieg – er konnte es nur spüren …
Schon allein dieses Beispiel dürfte die Ähnlichkeit von Musiker und Sportler verdeutlichen. Ob es auch für "Ahs" und "Ohs" sorgt, bleibt abzuwarten. Aber Hope will ja nicht Plattheiten verbreiten …
"… sondern ich möchte einfach mehr in die Tiefe gehen und mehr versuchen, ihn auf dieses Thema zu lenken. Vielleicht sogar, dass er kommentiert, was wir musikalisch machen."

Ach ja, die Musik! Es gibt sie!

Ach ja, die Musik! Es gibt sie. Und zwar in Form von musikalischen Inseln. Wie auch sonst? Mal spielen die Musiker des Zürcher Kammerorchesters einen Ausschnitt aus Tschaikowskys blumigen "Souvenirs de florence", mal werden zeitgenössische Komponisten ihr Eigen darbieten. Und auch Daniel Hope wird die Violine zur Hand nehmen und Zeitgenössisches zum Besten geben. Salon und Moderne schaffen eine plüschig-anregende Atmosphäre.
"Ein bißchen wie in einem Konzert, wie durch gewisses Repertoire oder gewisses Timing man das komplette Gefühl des Abends umwandeln kann."
Direktor Hope setzt übrigens hierbei nicht allein auf die Macht der Musik und seine eigene Eloquenz, sondern er setzt auch auf bewährte psychologische Mittel. So etwa auf den allseits beliebten Marcel Proust-Fragebogen.
Wenn das Thema also vorfrüh versiegt, dann einfach in die Fragekiste greifen! Und so ganz aus der Hüfte mit Fragen kommen wie: Was ist für Sie das vollkommene irdische Glück? Oder: Wer ist ihr Lieblingslyriker? Das kann, wie Hope beteuert, eine sehr interessante Debatte auslösen. Muß es aber nicht!

Kein Fan von zu vielen Fragen

"Ich bin kein Fan von zu vielen Fragen. Ich beginne einfach, indem ich diesen Gast sprechen lasse und schaue, wie er sich ausdrückt. Denn es ist immer etwas anderes, wenn es vor Publikum ist, als wenn man sich möglicherweise vorher sieht oder kurz spricht."
Rennfahrer Marcel Fässler hat sicher das eine oder andere Interview bereits gegeben, und vielleicht gibt man ihm auch fairerweise das Musikprogramm im Vorgespräch. Ansonsten hat die Show möglicherweise mehr unbekannte Variablen als den Beteiligten lieb ist. Es sei denn, Hopes allergrößter Wunschkandidat kommt tatsächlich einmal als Gast zum "Director’s Cut" …
"Barack Obama!"
Denn der hat - auch wenn er nicht, wie das Konzept der Show sagt: einen Schweizbezug - zumindest einen vortrefflichen Musikgeschmack.
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