Daniel Cohn-Bendit über Fußball und Politik

"Ein Spiel ist ein Spiel - und dann kommt das nächste"

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Der Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit beim Photo call bei den Filmfestspielen in Cannes, 2018.
Ohne Fußball und Politik mag Daniel Cohn-Bendit nicht sein. © picture alliance / Photoshot
Moderation: Ute Welty · 12.02.2020
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"Unter den Stollen der Strand" - der Titel der Autobiografie von Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit ist Programm. Politik und Fußball faszinieren ihn gleichermaßen. Der Fußball hat es ihm zufolge aber einfacher, die Menschen zum Träumen zu bringen.
Was hat der deutsch-französische Grünen-Politiker und bekennende Fußballfan Daniel Cohn-Bendit vom Sport für die Politik, fürs Leben gelernt? Es ist die Einsicht, "dass ein Sieg nicht ewig währt – und eine Niederlage auch nicht. Man muss nicht traurig sein, wenn man etwas politisch nicht erreicht, und wissen, dass es noch andere Momente gibt. So ist es auch beim Fußball: Ein Spiel ist ein Spiel – und dann kommt das nächste."
Cohn-Bendit hat jetzt seine Autobiografie vorgelegt. Diese trägt den Titel "Unter den Stollen der Strand. Fußball und Politik - mein Leben".
Der 75-Jährige hat selbst aktiv Fußball gespielt und war auf verschiedenen Positionen im Einsatz: Torhüter, Mittelstürmer, Libero. Angreifen und organisieren: Auch in der Politik habe er am liebsten als Mittelstürmer und als Libero agiert, berichtet er.

Abbild der Gesellschaft

Fußball wird nachgesagt, wie keine andere Sportart ein Abbild der Gesellschaft und des Lebens zu sein. Für Cohn-Bendit liegt der Grund nahe: "Ich glaube, die Emotionen, die im Fußball frei werden, entsprechen sehr oft gesellschaftlichen Situationen." So würden sich auch oft gesellschaftliche Spannungen im Fußball wiederfinden.
Der europäische Grünen-Politiker Daniel Cohn-Bendit spielt in einer Pause während es politischen Meetings im französischen Nimes Fußball.
Auch in fortgeschrittenem Alter nutzt Daniel Cohn Bendit (rechts) gerne jede Gelegenheit zum Kicken.© picture alliance / ABACAPRESS / Elodie Gregoire
Das Herz des Grünen-Politikers schlägt für den Bundesligisten Eintracht Frankfurt – wenn es jedoch um die Nationalmannschaften gehe, halte er - als gebürtiger Franzose, der mit dem französischen Fußball aufgewachsen sei - zu Frankreich.
Der deutschen Nationalmannschaft gegenüber verspürt er eine gewisse Abwehrhaltung - hierzu trage die Geschichte seiner von den Nazis verfolgten und aus Deutschland vertriebenen Eltern bei. Diese Abwehrhaltung drücke sich aber allein im Sport aus - politisch habe er sie nicht, sagt der Grünen-Politiker.

Alle Emotionen in einem Spiel

Was kann Fußball, das Politik nicht kann? "Fußball kann mehr zum Träumen verleiten als Politik. Politik möchte gern die Menschen mit Visionen zum Träumen bringen, schafft das aber ganz selten."
Die Unmittelbarkeit eines Fußballspiels sei mit nichts zu vergleichen, so Cohn-Bendit - und erinnert an das legendäre WM-Spiel Deutschland gegen Frankreich 1982, das mit einem Elfmeterschießen endete: "Da gehen Sie durch alle Emotionen in zwei Stunden durch. Die Politik schafft so etwas nicht."
Sport wie Politik faszinierten ihn dennoch gleichermaßen – "deswegen werde ich auch die nächsten 75 Jahre, die ich leben werde, mit Fußball und Politik weitermachen". Dass der Fußball immer auch Spielball korrupter Funktionäre und der Politik war und ist, ändere nichts an seiner Faszination. "Wenn der Ball rollt", sei alles andere für den Augenblick vergessen.
(mkn)

Daniel Cohn-Bendit: "Unter den Stollen der Strand. Fußball und Politik - mein Leben"
Kiepenheuer & Witsch, Köln 2020
272 Seiten, 22 Euro

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