Dana von Suffrin über ihren Roman "Otto"

Kein Entkommen aus dem Familiengeflecht

10:07 Minuten
Eine Tafel mit leeren Stühlen in einem Wohnzimmer. An der Wand hängen Bilder.
Oft erkennen wir erst spät, wie seltsam die eigene Familie doch ist, glaubt die Autorin Dana von Suffrin. © imago/Russian Look
Moderation: Andrea Gerk · 03.12.2019
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Dana von Suffrin schreibt so, dass man laut lacht und sich zugleich dafür schämt. "Otto" ist ein schwarzhumoriger Roman über einen jüdischen Patriarchen, der seinen Töchtern von seinem Leben erzählen will – und sich doch nur schwer erinnern kann.
"Otto" heißt der Debütroman von Dana von Suffrin, deren Titelheld ein alt und krank gewordener jüdischer Patriarch ist. Der sitzt in seinem Münchener Reihenhaus, wird immer vergesslicher und tyrannisiert seine beiden erwachsenen Töchter mit "schönen Bitten".
Otto sieht aus wie ein Hollywood-Schauspieler, aber dafür benimmt er sich wie ein Rindvieh und isst wie ein Schwein." So charakterisiert ihn seine Ex-Frau Ursula, die Mutter von Timna und Babi, den beiden unterschiedlichen Schwestern.

Unterschied zwischen jüdischen und christlichen Familien

Die erste, Timna, ist Erzählerin dieser feinsinnigen, lustigen und ebenso tragischen jüdischen Familiengeschichte und, wie deren Verfasserin Dana von Suffrin, promovierte Philosophin.
Die Schriftstellerin Dana von Suffrin
Die Schriftstellerin Dana von Suffrin ist auch promovierte Philosophin - und Historikerin © Kiepenheuer & Witsch Verlag / Gerald von Foris
"Ich habe lange überlegt, welchen Beruf Timna ausüben könnte, aber nichts hat funktioniert", so die Autorin. "Da war es das Einfachste, einen Beruf zu wählen, in dem ich mich auskenne. Ansonsten ist die Erzählerin aber eine von mir abgekoppelte Person."
Familienpatriarch Otto war mal Maschinenbau-Ingenieur, doch zu Beginn des Romans liegt er im Krankenhaus. Kaum, dass er wieder sprechen kann, zwingt er seine Töchter, ihn jeden Tag zu besuchen.
Als sich Timnas Freund über die Häufigkeit wundert, erfährt er, dass das noch wenig sei und das eben der Unterschied zwischen jüdischen und christlichen Familien, bei denen es – wie es im Roman heißt – gar keinen Zusammenhalt gebe.

Beiläufige Details erzählen viel

"Häufig trifft man diesen Stereotyp der jüdischen Mutter, die in Israel übrigens polnische Mutter genannt wird", sagt Dana von Suffrin. "Sie ist das Familienoberhaupt, sehr raumgreifend, möchte alles kontrollieren und jedem ihre guten Taten aufzwingen. Aber ob das wirklich typisch jüdisch ist, weiß ich nicht."
Der Roman erzählt viel über fast beiläufige Details: etwa, dass Otto immer ein kleines Handtäschchen mit sich trägt, in dem er alle wichtigen Dokumente verstaut. Als Vorsichtsmaßnahme, "falls wir deportiert werden".
"Das sind kleine Begebenheiten aus unserem Familienleben", erklärt Dana von Suffrin. "Mein Vater hatte tatsächlich ein Täschchen, und auch eiserne Reserven für den Notfall. Mich hat das auch angefallen. Ich schlafe wesentlich besser, wenn ich weiß, dass auf meinem Konto ein bisschen Geld ist. Man ist immer auf das Worst-Case-Szenario vorbereitet."

Die Seltsamkeit der eigenen Familie

Es sei ihr wichtig gewesen, in ihrem Roman zu vermitteln, dass man aus seinem Familiengeflecht nicht entkommen könne, sagt die Autorin. Oft erkenne man erst später, dass dort etwas ein bisschen seltsam oder außergewöhnlich gewesen sei.
Sie sei ein "Sicherheitstyp", sagt Dana von Suffrin, möchte sich darum nicht allein auf die Schriftstellerei verlassen und bleibt weiterhin ihrer Arbeit in der Wissenschaft treu.
(rod)
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