Dänemark

Wildschweine raus!

Ein Wildschwein steht in einem Freigehege hinter einem Zaun.
Wildschweine hinter einem undurchdringlichen Zaun: Das ist die Idee der Dänen im Kampf gegen die Schweinepest. © dpa / picture alliance / Karl-Josef Hildenbrand
Von Johannes Kulms · 19.06.2018
Um die Afrikanische Schweinepest aus dem Land zu halten, plant Dänemark einen Grenzzaun gegen Wildschweine aus Deutschland. Manche kritisieren den Plan als albern, andere sehen darin ein Symbol. Die Rechtspopulisten wollen mit ihm Politik machen.
"Der Zaun ist nicht eine hundertprozentige Lösung, aber wenn wir einen Zaun bauen, dann hilft das wirklich."
Claus Jørgensen ist 49 Jahre alt. Sein Hof liegt in Gaardeby, nur wenige Kilometer nördlich der deutsch-dänischen Grenze. Jørgensens Schweinehaltung ist in den letzten 24 Jahren kräftig gewachsen, knapp 2.000 Muttersäue werden inzwischen in dem fabrikähnlichen Stallgebäude gehalten. Einige von ihnen stehen und liegen an diesem Nachmittag in engen Boxen um Jørgensen herum. An den Zitzen der riesigen Tiere saugen die gerade geworfenen Ferkel. Kein halbes Jahr lang werden sie leben, dann geht es zur Schlachtung.
Claus Jørgensen sieht zufrieden aus, sein Betrieb läuft gut. Doch die afrikanische Schweinepest bereitet ihm viel Sorge:
"Wenn wirklich die Schweinepest nach Dänemark kommen sollte, dann könnte es für mich das erste Jahr vielleicht – ja, wir schätzen so – eine Million Euro ... Was das zweite Jahr kosten sollte, weiß keiner."

Exporte für 1,5 Milliarden Euro

Für die dänische Wirtschaft spielt die Fleischerzeugung eine wichtige Rolle. Käme die Afrikanische Schweinepest ins Land, würde das die Exporte in Drittstaaten – also die Länder außerhalb der EU – abrupt stoppen. Ausfuhren im Wert von rund 1,5 Milliarden Euro pro Jahr drohten dann wegzufallen, warnt das dänische Umwelt- und Lebensmittelministerium. Viel Geld für ein Land mit rund sechs Millionen Einwohnern.
Besonders laut jubelten bei der Ankündigung der Zaunpläne Ende März die Rechtspopulisten im Folketing. Noch ein paar Zentimeter drauf und der Zaun könne die Staatsgrenze auch vor illegalen Einwanderern schützen, frohlockten Vertreter der Dänischen Volkspartei.
Bereits in den 80er-Jahren hatten die Nordeuropäer einen Zaun an der Grenze errichtet, um sich vor der Maul- und Klauenseuche zu schützen. Die überwachsenen Überreste lassen sich noch heute besichtigen. Zum Beispiel am kleinen Grenzübergang Sofiedal, wo es äußerst gemächlich zugeht.

"Gefahr geht von Menschen aus"

Die rustikalen Holzpfosten mit den fünf Drahtreihen erinnern eher an einen gewöhnlichen Weidezaun als an ein Bollwerk. Dass hier nun in Kürze ein neuer, größerer Zaun kommen soll – damit kann Curt Jacobsen nur wenig anfangen. Er ist Vorsitzender des örtlichen Jagdverbands in Tinglev:
"Die größte Gefahr mit der Schweinepest ist ja der Mensch und nicht das Wildschwein. Ein Wildschwein, das krank ist, läuft nicht mal 15 Kilometer, dann ist es tot. Das heißt, es würde Jahre dauern, wenn ein Wildschwein zu Fuß die Krankheit hierher bringt. Es sind die Menschen, die die Gefahr sind."
Ähnlich sieht es auch Schleswig-Holsteins Umweltminister Robert Habeck. Der Grünen-Politiker bestreitet gar nicht die Gefahr, die von der Afrikanischen Schweinepest ausgeht. Doch drohe eine Verbreitung des Virus eher durch infizierte Wurstwaren oder über Tiertransporte.
Der Dresdner Wildökologe Sven Herzog sagt: Ein Zaun könne bei einem Ausbruch der Afrikanischen Schweinepest durchaus helfen. Allerdings nur dann, wenn man mit diesem ein begrenztes Gebiet um den Fundort der kranken Tiere einzäune. Einen Zaun, wie ihn nun Dänemark plant, hält Herzog für "albern". Auch er verweist auf den Menschen als Hauptverbreiter der Krankheit.

Löcher im Zaun

Die dänische Regierung lasse sich gerade vor den Karren der rechtspopulistischen Volkspartei spannen, meint Jäger Cuurt Jacobsen. Als Angehöriger der deutschen Minderheit engagiert er sich selber in der Kommunalpolitik. Was nütze ein 70 Kilometer langer Zaun, wenn alle Grenzübergänge gleichzeitig offen blieben, fragt er:
"Und wir haben elf Grenzübergänge, das heißt, es sind mindestens elf Löcher im Zaun. Und'n Schwein, wenn es will – es ist stur – läuft dann am Zaun längs und dann irgendwann findet es dann sein Loch und dann rüber. Hier ist keine Wache oder Grenzkontrolle, hier sind keine Menschen. Und in der Nacht ist hier Totenstille. Da passiert nichts!"
Zudem fürchtet Jacobsen Ärger im Grenzgebiet bei vielen Flächenbesitzern. Denn für den Zaun sei ein mehrere Meter breiter Streifen nötig, um ihn zu errichten und später zu kontrollieren:
"Es sind Leute, die fühlen sich ehrlich auf den Schlips getreten. Und die haben dann schon gesagt: Wir machen mit dem Zaun, was wir wollen. Und das heißt, es wird wohl Sabotage kommen, auch weil die Leute sich von Kopenhagen schlecht beraten – weil Kopenhagen nicht die Wahrheit sagt."

Berechtigte Symbolpolitik?

Die Errichtung des Zauns werde ein äußerst komplexes Vorhaben, heißt es von der zuständigen Naturschutzbehörde Naturstyrelsen. Ganz ohne Konflikte werde es nicht ablaufen. Doch es gelte die Devise: Wildschweine raushalten. Und jene Tiere, die schon im Land sind, zur Strecke bringen.
Auch Schweinhalter Claus Jørgensen geht da mit:
"Populismus ist das jedenfalls nicht. Ganz sicher nicht. Symbolpolitik – teilweise. Weil es für uns wichtig ist. Die Exportländer sagen: Wir machen alles, was wir können. Das ist jedenfalls ein wenig Symbolpolitik. Aber das hat auch seinen Wert."
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