Dänemark nach dem Brexit

Wie wahrscheinlich ist ein dänisches EU-Referendum?

Kopenhagen
Die dänische Flagge und die europäische Flagge in Kopenhagen. © picture alliance/dpa/Foto: Francis Dean
Von Miriam Arndts  · 01.08.2016
Dänemark gilt als traditionell EU-skeptisch. Die rechtspopulistische Dänische Volkspartei, für ihre Kritik an der EU bekannt, ist die zweitstärkste Kraft im dänischen Parlament. Nach dem Brexit fühlt sie sich in ihrer anti-europäischen Haltung bestärkt.
Wir gehören zur EU, sagt Dänemarks konservativer Ministerpräsident Lars Løkke Rasmussen am Tag nach dem britischen EU-Referendum. Eine Volksabstimmung zu dieser Grundsatzfrage stehe nicht zur Debatte. Løkke Rasmussen hatte auf ein britisches "Remain" gehofft. Das Abkommen, das David Cameron mit der EU ausgehandelt hatte und das unter anderem Kürzungen der Sozialleistungen für Migranten beinhaltete, hätte er gerne als Schablone für dänische Verhandlungen mit der EU benutzt. Durch den Brexit ist das Abkommen hinfällig geworden. Die Spitze der rechtspopulistischen Dänischen Volkspartei hingegen feiert den Brexit als mutige Entscheidung und verdiente Ohrfeige für Brüssel. Kenneth Kristensen Berth, europapolitischer Sprecher, sieht den britischen Austritt als willkommenen Anlass, nun auch in Dänemark abzustimmen. Worüber er abstimmen möchte, ist nicht ganz klar:
"Im Moment warten wir die Ergebnisse der britischen Verhandlungen mit der EU ab; darauf, welches Verhältnis Großbritannien mit der EU eingehen wird. Ich bin mir ziemlich sicher, dass das Ergebnis so sein wird, dass es interessant sein könnte, auch die dänischen Wähler darüber abstimmen zu lassen."

Debatte um einen möglichen "Dexit" sei langweilig

Von einem Austritt Dänemarks aus der EU möchte Kristensen Berth aber nicht sprechen. Die Debatte um einen möglichen "Dexit" finde er langweilig. Eins sei aber sicher: Er habe die Schnauze voll von der EU und so gehe es auch sehr vielen Dänen, meint Kristensen Berth. Tatsächlich stehen die Dänen der EU traditionell eher skeptisch gegenüber, erklärt Politikwissenschaftler und EU-Experte Mads Dagnis Jensen.
"Als wir 1973 in die Europäische Gemeinschaft eintraten, war das vor allem aus wirtschaftlichen Gründen. Das war keine Liebesbeziehung. Wir sind grundsätzlich für die wirtschaftliche Zusammenarbeit in der EU, aber wenn es um unsere Identität als Nation geht, also so etwas wie Militär, Währung, Polizei oder Staatsangehörigkeit, dann werden wir skeptisch."
Kristensen Berth: "Die mischen sich ja in alles ein. In unsere Ausländerpolitik, in unsere Rechtspolitik, in unsere Grenzkontrollen, in unsere Lebensmittel. In alles mischt sich die EU ein."
Mit ihren machtvollen Institutionen empfindet Kristensen Berth die EU als zu dominant. Im Zentralstaat Dänemark mit einem sehr starken Parlament ist man es nicht gewohnt, Macht mit verschiedenen Ebenen zu teilen. Dagnis Jensen meint außerdem, die dänische EU-Skepsis sei historisch noch weiter zurückzuführen.
"Dänemark war einmal eine mittelgroße Macht in Europa. Aber in den letzten vielen hundert Jahren haben wir alle Kriege verloren und mussten Gebiete unter anderem an Deutschland und Schweden abgeben. Also wurden wir ein kleiner Staat und fingen an, das Dänische zu kultivieren und Angst vor unserer Umgebung zu bekommen."

Grenzenkontrollen sind ein großes Thema

Für Kenneth Kristensen Berth sind die Kontrollen an den dänischen Grenzen ein großes Thema. Da die europäischen Außengrenzen nicht sicher seien, könnten alle möglichen Terroristen und verrückte Menschen, wie er sagt, nach Europa gelangen. Und wegen der offenen Grenzen auch nach Dänemark. Kristensen Berths Parteikollege und Mitglied des Europäischen Parlaments, Morten Messerschmidt, schlägt heute leisere Töne an. In der Vergangenheit ist er schon einmal in die Schlagzeilen geraten, weil er betrunken die erste Strophe des Liedes der Deutschen gesungen hat. Heute wirkt der junge, charismatische Politiker mit Seitenscheitel wie der Saubermann der Dänischen Volkspartei. In einer Fernsehdebatte nach dem britischen EU-Referendum sagt er:
Messerschmidt: "Ich mache mir Sorgen, was mit Europa passieren könnte, wenn Marine Le Pen Präsidentin in Frankreich würde. Ich mache mir auch Sorgen darüber, was mit der ungarischen Jobbik-Partei passiert, mich bekümmern diese rechts- aber auch die linksextremen Bewegungen, die überall sprießen."
Insgesamt gibt sich die Dänische Volkspartei moderater, seit sie bei der Wahl 2015 die zweitgrößte Partei im Parlament wurde. Auch Messerschmidt bleibt schwammig, wenn es um den Inhalt des EU-Referendums geht, das seine Partei fordert.
Jensen: "Das hat ja auch etwas mit der Möglichkeit der Dänischen Volkspartei zu tun, an einer künftigen Regierung beteiligt zu sein. Wollen sie eine Regierung mit den pro-europäischen Konservativen bilden, können sie ja schlecht gegen die EU sein."
Ein dänisches EU-Referendum hält Dagnis Jensen in nächster Zukunft für unwahrscheinlich. Dafür müsste es eine Fünfsechstel-Mehrheit im Parlament geben und im Moment sind nur die Dänische Volkspartei und die sozialistische Einheitsliste dafür. Worüber die Rechtspopulisten genau abstimmen lassen wollen, bleibt unklar. Wäre die Frage dieser hypothetischen Abstimmung, ob Dänemark die EU verlassen soll oder nicht, stünde das Ergebnis wahrscheinlich schon fest: Die Mehrheit der dänischen Bevölkerung ist, trotz kritischer Grundhaltung, für eine EU-Mitgliedschaft. Nach dem Referendum in Großbritannien ist die Zahl der EU-Befürworter sogar noch gestiegen.
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