"Dads" bei Apple TV

Väter für Alltägliches abfeiern – bitte nicht!

06:24 Minuten
Von Jochen König · 22.06.2020
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Die Dokumentation "Dads" will Väter würdigen und kombiniert dafür die Geschichten von sechs Familien mit Allgemeinplätzen von Prominenten wie Will Smith. Mit der Realität hat das jedoch wenig zu tun, findet der Vater und Autor Jochen König.
Die Schauspielerin und Regisseurin Bryce Dallas Howard möchte mit der bei Apple TV+ erschienenen Doku "Dads" – ausgehend von ihrer eigenen Beziehung zu ihrem Vater – nach eigener Aussage all die großartigen Väter da draußen feiern.
Dafür zeigt sie die Geschichten von sechs sehr unterschiedlichen Familien aus den USA, Brasilien und Japan. Die Doku enthält sehr private Einblicke in diese Familien – es geht um Stay-at-home-Dads, einen Vater eines Jungen mit einem angeborenen Herzfehler, ein schwules Paar mit vier adoptierten Kindern.
Zwischendurch kommen prominente Schauspieler, Comedians, Regisseure, also Kollegen von Howard zu Wort. Darunter die Comedians Jimmy Fallon und Jimmy Kimmel, Neil Patrick Harris, bekannt aus der Serie "How I Met Your Mother", und als wahrscheinlich prominentester der Schauspieler: Will Smith. Sie stehen jeweils vor einer pastellfarbenen Wand und untermalen das Ganze mit lustigen Sprüchen und Anekdoten aus ihren eigenen Familien.

Gängige Vätertypen in Film und Serie

Ich beschäftige mich seit vielen Jahren mit dem Bild von Vätern in der Öffentlichkeit, und wenn eine Person sagt, sie möchte alle großartigen Väter da draußen abfeiern, bin ich erst einmal skeptisch. Zur gesellschaftlichen Realität gehört leider noch immer, dass Mütter den Großteil der Sorgearbeit innerhalb von Familien übernehmen und sich viele Väter nicht in einem Maße innerhalb der eigenen Familie engagieren, so dass ein Abfeiern angebracht wäre.
Dominant sind in Film und Serien vor allem zwei Erzählungen über Väter. Es gibt einerseits den kämpfenden Helden. Er tut alles, um seine Familie und seine Kinder zu beschützen, ohne sich dabei konkret um seine Familie zu kümmern. Rick Grimes in der Serie "The Walking Dad" kämpft in einer postapokalyptischen Welt gegen Zombies und andere Überlebende.
Sein kleines Kind ist immer mal wieder zu sehen. Wer aber die ganze Sorgearbeit leistet, wer das Kind wickelt, Tag und Nacht begleitet und in den Schlaf wiegt, bleibt über mittlerweile neun Staffeln völlig unklar.

Der Vater als liebenswerter Idiot

Eine zweite wiederkehrende Vaterfigur ist der "Idiot Dad". Ein tollpatschiger Vater, der selbst noch ein Kind ist, irgendwie liebenswert, aber alles andere als ein verlässliches Elternteil. Homer Simpson wäre ein typisches Beispiel.
Die Mütter in diesen Familien müssen sich nicht nur um die eigenen Kinder kümmern, sondern als quasi zusätzliches Kind auch noch um ihren Mann. Positive Beispiele moderner Väter sind in Film und Fernsehen noch immer Mangelware.

Männer, die vor Überforderung weinen

Ich bin durchaus beeindruckt von den Einblicken in die Familien der sechs nicht-prominenten Familien in "Dads". Howard erzählt interessante Geschichten. Wir sehen Väter, die sich wirklich kümmern. Wir sehen Väter beim Abwasch. Wir sehen Väter, die vor Überforderung weinen. Wir sehen Väter, die offen über ihre Rolle als Vater reflektieren.
Vieles, was für Mütter alltäglich ist, bei Vätern aber noch immer eine Besonderheit. Allerdings ist es auch noch kein Anlass für ein kritikloses Abfeiern, wenn Väter eben genau das machen, was eben gemacht werden muss, sobald Kinder im Spiel sind.

"Mein Vater hat viel gearbeitet, und das ist lustig"

Etwas absurd wird das Anliegen der Doku, wenn Howard diese sich kümmernden Väter mit den prominenten Vätern abwechselt. Bei letzteren wird schnell klar wird, dass sie mit ihren Karrieren viel zu viel zu tun hatten, um wirklich für ihre Kinder da gewesen zu sein.
Den traurigen Höhepunkt bildet die Aussage des Komikers Conan O’Brien, der sagt: "Mein Vater hat viel gearbeitet, und das ist lustig, weil ich jetzt auch viel arbeite." Auch sonst kommen von den Prominenten vor allem Allgemeinplätze, wie bedeutungsvoll das Leben mit Kindern sei.

Gezeigt werden absolute Ausnahmen

Die Doku schafft es nicht, herauszuarbeiten, was denn nun einen großartigen Vater tatsächlich ausmacht. Es fehlt die gesellschaftliche Einordnung und der Hinweis darauf, dass die sechs in der Doku gezeigten Familien wenig mit der gesellschaftlichen Realität zu tun haben und vielmehr absolute Ausnahmen sind.
Ich finde es gut, dass solche Vaterrollen gezeigt werden. Es ist schön, dass solche Rollen sichtbar sind. Wenn Schauspieler und Regisseure gleichzeitig sagen können, dass ihre Väter zwar nie gekocht und nie mit ihnen Hausaufgaben gemacht haben, aber trotzdem große Vorbilder und grandiose Väter waren, entwertet das die Leistung der sich wirklich kümmernden Väter und auch der überwiegenden Mehrzahl der Mütter jedoch sofort.
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