"Dachra"

Ein tunesischer Horrorfilm wird zum Kassenschlager

Plakat des Films "Dachra" auf Instagram
Plakat des Films "Dachra" auf Instagram © Instagram / dachralefilm
Von Dunja Sadaqi · 19.02.2019
Ein Wald, drei Studenten und viel schwarze Magie: Tunesiens erster Horrorfilm "Dachra" hat allein am ersten Wochenende hunderttausende Tunesier in die Kinosäle gelockt. Was macht den Film so besonders?
Drei Journalistikstudenten in Tunesien. Eine Aufgabe. Sie sollen einen investigativen Film drehen. Nicht über die tunesische Revolution, warnt ihr Professor – darüber gäbe es schon so viele Arbeiten von Studenten. Daraufhin kommt die Gruppe auf die Idee, einem unaufgeklärten Ereignis nachzugehen.
Sie fahren zu einem Ort, an dem vor Jahrzehnten eine Frau halbtot aufgefunden wurde – die Kehle aufgeschlitzt. Die Frau überlebte und landete in der Psychiatrie, weil sie immer wieder Menschen angriff und versuchte, ihren Pflegern Nasen und Ohren abzubeißen. Die Frau ist seitdem als Hexe verschrien.
Der Geschichte wollen die Studenten nachrecherchieren und gehen dorthin, wo die Frau gefunden worden war. Sie landen in Dachra – "der Siedlung" – in einem Wald: Dort ereignen sich seltsame Dinge und der Horror beginnt.
Trailer:
"Sie sieht immer noch die Frau in schwarz. Sie haben sie einst gefunden. Mit aufgeschlitzter Kehle, gefesselt an Händen und Beinen. Hexe oder keine Hexe?"
Am ersten Wochenende stürmten rund 100.000 Tunesier die Kinosäle, um "Dachra - die Siedlung" zu sehen. Das ist erstaunlich für das kleine Tunesien, in dem es nur rund elf Millionen Einwohner gibt und gerade mal 15 Kinos landesweit. Ungewöhnlich, dass gerade ein tunesischer Horrorfilm vor allem junge Leute in die Kinos lockt.
Collage Zuschauer.
Frau: "Das ist das erste Mal in Tunesien, dass sie so einen Film machen, das ist gut. Ich hoffe, es gibt in Zukunft mehr davon."
Frau II: "Es ist neu, dass über Magie gesprochen wird. Das ist bekannt, aber Tabu, und so ein Thema zieht die Zuschauer an."
Frau III: "Es gibt ja auch keinen Investigativjournalismus."
Frau IV: "Ich hoffe, dass wir in Zukunft mehr davon sehen. Aber am besten haben mir die Bilder gefallen, die Kamera war super."

"Kein Film, nur um den Leuten Angst zu machen"

Regisseur Abdelhamid Bouchnak ist vom Erfolg seines Debüt-Films selbst überrascht. Er glaubt aber, die richtige Mischung für einen tunesischen Horrorfilm gefunden zu haben:
"Ich glaube, um einen guten Film zu machen, muss man was Neues machen, was es davor so nicht gab. Nicht einfach etwas im amerikanischen oder japanischen Horror-Stil. Wir in Tunesien haben in unserem kulturellen Erbe viele Furcht erregende Geschichten – und ich habe mich dafür entschieden, über Hexerei zu reden, denn das ist bei uns Realität. Rituale, die ich im Film zeige, existieren in dieser Form nur im Maghreb und speziell in Tunesien. Das habe ich genutzt, damit der Film nicht einfach nur ein tunesischer Horrofilm nach amerikanischem Vorbild ist, sondern wirklich ein tunesischer Film."
Ein Film made in Tunesien, mit dem Horror, den die tunesische Gesellschaft zu bieten hat. Was Regisseur Bouchnak anspricht, ist schwarze Magie – ein Tabu im Land, über das man nicht spricht. Selten wird sie noch praktiziert, aber vor allem in ländlichen Gegenden ist sie teilweise noch zu finden. Dort finden sich Rituale wie: Fotos von verhassten Menschen in den Mund von Toten legen und ihn zunähen, um sie zu verfluchen, sagt er. Kindsopfer, um einen Schatz zu finden. Flüche und Wünsche mit Blut geschrieben. Oder Couscous mit der Hand eines Toten zubereitet.
Gefährlicher Aberglaube, gegen den Regisseur Bouchnak auch mit seinem Film angehen will.
Abdelhamid Bouchnak: "Ich habe keinen Film gemacht, nur um den Leuten Angst zu machen. Klar ist Kino immer noch Unterhaltung. Es bleibt nur ein Film, aber dahinter gibt es trotzdem eine unterdrückte Wut. Mich frustriert es: Bei der Hexerei geht es nur darum, jemandem Schaden zuzufügen. Mir fällt es schwer, daran zu glauben und diese Praktiken zu akzeptieren – ohne Respekt vor dem menschlichen Körper, vor dem Menschen an sich, nicht mal einem unschuldigen Kind. Deswegen muss ich als Regisseur darüber sprechen und mit meiner Kunst dagegen ankämpfen. Das ist alles, was ich machen kann."
Regisseur Abdelhamid Bouchnak, Sohn des berühmten tunesischen Sängers Lotfi Bouchnak, hat sein Debüt selbst finanziert. In Europa wurde der Streifen schon auf namhaften Filmfestivals gezeigt – zum Beispiel in Venedig. "Dachra" könnte der erste tunesische Genrefilm werden, der die Produktionskosten wieder einspielt. Auch das wäre neu für einen tunesischen Film.
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