D wie Denkmal

    Von Gerald Felber · 13.05.2013
    Richard Wagner wurden von Bildhauern und Malern zahlreiche Denkmäler gesetzt.
    Auf der einen Seite Siegfried, Mime und der Drache, gegenüber Kundry mit Parsifal, vorn aber die drei Rheintöchter – oder vielleicht auch die drei Grazien, denn jedenfalls zeigen sie sich in antikischer Freiheit, will sagen: ohne irgendwas an. Und weil diese dreifache Nacktheit von der kundigen Hand des Bildhauers Max Klinger – nun, sagen wir: sehr nachhaltig ins kurvig schwingende Relief übersetzt worden ist, nennen die Leipziger das ganze Kunstobjekt liebevoll ihren "Pornowürfel". Obendrauf sollte eigentlich Richard Wagner stehen – über fünf Meter und damit an seinen eher bescheidenen Realmaßen gemessen dreifach lebensgroß. Aber dazu kam es nie, denn erst beschäftigte man sich runde 20 Jahre mit Planung, Vorbereitung und Auftragserteilung, dann gab‘s einen Weltkrieg, anschließend segnete Klinger das Zeitliche – und genug Geld war sowieso nie da. Kommt einem alles irgendwie bekannt vor – und die Rheintöchter wedeln dazu fröhlich mit den Flossen.

    Nicht nur die Geschichte von Max Klingers geplantem Wagner-Denkmal hat tragikomische Züge, denen übrigens in diesem Jubiläumsjahr in ein weiteres Kapitel hinzugefügt werden könnte, wenn gemäß Stephan Balkenhols Vollendungsentwurf ein kasperlepüppchenbunter Wagner irgendwie verzagt vor seinem eigenen riesigen Schatten stehen wird; sondern auch viele andere bildnerische Ehrungsversuche, vor allem in des Komponisten sächsischer Heimat, haben zwar hohen Unterhaltungswert, aber nur wenige greifbare Ergebnisse. Das fatale Rheingold respektive dessen moderne Verwalter, die Stadtkämmerer, Finanzminister und sonstigen Kameralisten, spielten dabei stets eine bedeutende Rolle und ließen am Ende sogar den größenwahnsinnigen Wagner-Fan Adolf Hitler mit seinem Projekt auflaufen, einen halben Kilometer Uferzone am Elsterfluss zum Wagner-Hain umzuwidmen. Dessen kümmerliche Reste lassen NS-typisch dröhnendes Nationalpathos ahnen, womit sie freilich in gerader Linie mit früheren Darstellungen stehen, beginnend schon bei Lebzeiten mit den Rembrandt-soßigen, aristokratisch aufgemotzten Porträts Franz von Lenbachs, fortgeführt mit den hohlen Repräsentationsstücken im Berliner Tiergarten und in München bis hin zur götzenhaften Bayreuther Büste Arno Brekers aus dem Unheilsjahr 1939. Den einzigen, amüsanten bis verwirrenden Kontrast bildet Auguste Renoirs Porträt des Komponisten ein Jahr vor seinem Tod, von dem Wagner selbst ganz treffend und in einem Anflug seines galligen Humors sagte, er sehe darauf aus "wie der Embryo eines Engels, als Auster von einem Epikureer verschluckt". Mitschuldig an den unübersehbaren Verfallspuren war die gerade beendete, kräftezehrende "Parsifal"-Partitur:

    Ein schönstes Wagner-Denkmal wird man bei der gegebenen Sachlage leider nicht finden. Das fraglos größte hingegen, zwölfeinhalb Meter hoch und dunkel drohend in eine Felswand hineingeklotzt, überrascht den nichts Böses ahnenden Wanderer im wild-romantischen Liebethaler Grund am Rande der Sächsischen Schweiz. Wagner erging sich hier öfter, als er im nahe gelegenen Graupa seinen "Lohengrin" komponierte, in den wir gleich noch kurz hineinhören; und weil es damals, anders als derzeit, entlang des tosenden Wildbachs noch eine funktionierende Gastronomie gab, hatte nicht nur die Welt, sondern auch der Komponist selbst etwas von diesen Ausflügen. Doch Richard am Biertisch ist nun mal kein geeigneter Denkmals-Gegenstand, obwohl: vielleicht würden ihn dann auch manche Verächter etwas gelassener und sozusagen normalformatiger sehen …