Cyber-Einheit für mehr IT-Sicherheit

"Bundeswehr hat sich bisher nicht ausreichend geschützt"

Ein Computerbildschirm leuchtet in blau mit einem Quellcode.
Cyberkriminalität ist auch für die Netze des Bundes eine große Gefahr - dagegen soll die Bundeswehr mit der neuen Einheit "Cyber und Informationsraum" vorgehen © picture-alliance / dpa / Oliver Berg
Sylvia Johnigk im Gespräch mit Liane von Billerbeck · 27.04.2016
Täglich gibt es rund 6500 Attacken auf Netze des Bundes. Mit der Einheit "Cyber und Informationsraum" will sich die Bundeswehr gegen Cyber-Angriffe rüsten. Sylvia Johnigk vom "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung" mahnt einen starkten Modernisierungsbedarf an.
Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat gestern angekündigt, eine neue Abteilung namens "Cyber und Informationsraum" mit 13.500 IT-Spezialisten aufstellen zu wollen. Die Einheit soll noch in diesem Jahr ihre Arbeit aufnehmen und 2021 ganz einsatzfähig sein. Die Ministerin reagiert damit auf die zunehmenden Attacken auf die Netze des Bundes.
Bei der Bundeswehr gebe es einen starken Modernisierungsbedarf, sagte Sylvia Johnigk im Deutschlandradio Kultur. Sie ist Vorstandsmitglied im "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung". Für die Bundeswehr sei es notwendig, alte Strukturen aufzubrechen und damit schneller agieren zu können.
Die Zahl von rund 6500 Cyber-Angriffen pro Tag klinge erst einmal gefährlich. Es handele sich aber vermutlich meistens nicht um gezielte Attacken, meint Johnigk:
"Der Krieg ist eigentlich kein Krieg, sondern erst einmal ein Problem der IT-Sicherheit. Die Bundeswehr hat sich eben bisher nicht ausreichend geschützt. Und deshalb hat sie Probleme mit ganz normalen IT-Sicherheitsproblemen wie Spam-Mails oder Phishing-Mails."


Das Interview im Wortlaut:

Liane von Billerbeck: Man muss auf der Straße oder im Netz nur die Augen offenhalten, dann kann man sie gar nicht übersehen, die Werbestrategie der Bundeswehr, besonders um Fachleute aus der IT-Branche wird geworben. Schließlich gab es Angriffe auf die Bundeswehr durch Hacker – 6.500 mal wurde sie attackiert, und das soll nun durch Fachleute verbessert werden. Bundesverteidigungsministerin Ursula von der Leyen hat ja gestern die neue Cyberstrategie der Bundeswehr vorgestellt. Sich selber schützen wolle die Bundeswehr nicht mehr nur mit Waffen, sondern auch in Kriegen, die eben mit anderen Mitteln geführt werden.
Über diese Cyberstrategie unserer Streitkräfte will ich jetzt mit Sylvia Johnigk sprechen. Sie ist diplomierte Informatikerin, berät Firmen in Sachen IT-Sicherheit und ist zudem Vorstandsmitglied des "Forum InformatikerInnen für Frieden und gesellschaftliche Verantwortung". Guten Morgen, Frau Johnigk!
Sylvia Johnigk: Guten Morgen, Frau von Billerbeck!
von Billerbeck: Lange war sie ja geheim, jetzt ist die Cyberstrategie der Bundeswehr offiziell. Welchen Herausforderungen muss sich die Bundeswehr Ihrer Einschätzung nach denn stellen?
Johnigk: Meines Erachtens muss die Bundeswehr sich sehr stark modernisieren, das heißt also, sie muss alte hierarchische Strukturen aufbrechen, um, ich sage mal, schneller agieren zu können.

Der "Krieg" im Cyberraum

von Billerbeck: Wo findet denn der Krieg im Cyberraum statt? Ich hatte ja am Anfang gesagt, es gab sehr viele Hackerangriffe auf die Bundeswehr, 6.500 hat die Ministerin genannt. Was passiert da genau.
Johnigk: Ich gehe mal davon aus, dass die 6.500 Angriffe nicht alles irgendwie gezielte Angriffe waren, sondern auch vielfach einfach Phishing-Mails, die ja auf alle Unternehmen einprasseln, und von daher werden es wahrscheinlich nur einige gezielte Angriffe gewesen sein. Aber 6.500 klingt erst mal richtig schick und auch sehr gefährlich, und von daher würde ich mal sagen, dass der Krieg eigentlich kein Krieg ist, sondern im Prinzip erst mal ein Problem der IT-Sicherheit. Dass eben sich die Bundeswehr bislang noch nicht ausreichend geschützt hat und deshalb halt Probleme hat mit eigentlich ganz normalen IT-Sicherheitsproblemen wie Spam-Mails oder wie Phishing-Mails.

Eine Umstrukturierung ist notwendig

von Billerbeck: Trotzdem ist es ja für ein Unternehmen, sage ich mal, wie die Bundeswehr eines ist, besonders gefährlich, wenn es dort Angriffe gibt, weil die Technik dann ja ausfallen könnte, und das kann Menschenleben kosten. Was von ihren Ankündigungen kann die Bundeswehr denn tatsächlich umsetzen bei dieser neuen Cyberstrategie?
Johnigk: Umsetzen kann sie ganz sicherlich erst mal, dass sie im Prinzip sich intern umstrukturiert, eine eigene Abteilung schafft und dort halt auch Personal abzieht aus bisherigen Abteilungen. Das wird sie sicherlich hinbekommen. Ich denke auch, dass sie es schaffen kann, die Beschaffungs- und Bestellprozesse zu optimieren, weil wenn man sich mit Soldaten unterhält, die dort arbeiten, dauert das teilweise fünf Jahre, bis halt irgendwas angeschafft wird. Das heißt also, man muss fünf Jahre vorher wissen, was man eigentlich in fünf Jahren braucht. Und diese Prozesse lassen sich sicherlich auch verbessern. Ich glaube auch, dass sich Leute qualifizieren lassen, um halt auch mit moderner IT arbeiten zu können.

Ist die Bundeswehr von vorgestern?

von Billerbeck: Das klingt immer noch so, als ob die Bundeswehr noch so ein bisschen von vorgestern ist. Sie braucht also Fachleute, sie muss den IT-Bereich ausbauen. Damit wird sie ja ohnehin gesuchte Fachkräfte von anderswo abziehen. Wie muss sich denn Ihre Branche, die der IT-Techniker, darauf einstellen?
Johnigk: Zum einen müssen sowieso auch für andere Unternehmen und auch für mittelständische Unternehmen mehr IT-Kräfte und mehr IT-Sicherheitsleute ausgebildet werden. Und von daher glaube ich nicht, dass man sich jetzt besonderen Anforderungen oder besonderen Herausforderungen da stellen muss, sondern es müssen einfach sowieso mehr Menschen im Bereich IT und IT-Sicherheit ausgebildet werden.
von Billerbeck: Aber die fehlen ja ohnehin schon.
Johnigk: Das ist leider zurzeit wirklich wahr, dass da Leute fehlen, aber ich sage mal, es gibt ja auch niederschwelligere Möglichkeiten, Leute auszubilden, als nur ein Studium der Informatik. Man kann ja auch Fachinformatiker ausbilden, und da müssen halt auch Unternehmen mitmachen, das heißt also, es ist nicht nur ein Problem der Bundeswehr, sondern das müssen auch die Unternehmen mit tragen.
von Billerbeck: Die Informatikerin Sylvia Johnigk über die Herausforderungen nach der neuen Cyberstrategie, die sich an die Bundeswehr stellen und an viele Unternehmen. Frau Johnigk, ich danke Ihnen!
Äußerungen unserer Gesprächspartner geben deren eigene Auffassungen wieder. Deutschlandradio Kultur macht sich Äußerungen seiner Gesprächspartner in Interviews und Diskussionen nicht zu eigen.
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