"Cuties" auf Netflix

Morddrohungen nach Mädchenfilm

06:20 Minuten
Mädchen in einer Szene aus dem Netflix-Film "Cuties"
Die Mädchen-Darstellerinnen in dem Netflix-Film "Cuties" sorgen für empörte Reaktionen im Internet. Aber viele Kritiker haben den Film offenbar gar nicht gesehen. © Imago/Netflix
Jenni Zylka im Gespräch mit Nicole Dittmer · 19.09.2020
Audio herunterladen
Der französische Film "Cuties" empört viele Menschen, die ihn aber offenbar nicht gesehen haben. Die Journalistin Jenni Zylka lobt das Jugenddrama als gelungenes Erstlingswerk und ärgert sich über die Empörungswelle aus Unkenntnis.
Rund um den französischen Film "Cuties" (Die Süßen) gibt es einige Aufregung in den sozialen Netzwerken. Kritiker riefen sogar dazu auf, das Abonnement beim Streamingdienst Netflix zu kündigen, der den beim Sundance Festival ausgezeichneten Film anbietet.
Die Regisseurin Maïmouna Doucouré soll sogar Morddrohungen erhalten haben. Doucouré erzählt in dem Film ihre eigene Geschichte, von einem Mädchen, das aus dem Senegal nach Paris kommt und dort zwischen den Welten lebt.
Jenni Zylka im Porträt
Die freie Journalistin und Autorin Jenni Zylka lobt den umstrittenen Film "Cuties"© imago / Sven Simon
"Ich bin großer Fan von diesem Film", sagt unser Studiogast, die Journalistin und Filmkritikerin Jenni Zylka. "Cuties" sei ein sehr guter Erstlingsfilm.

Umstrittenes Plakat

Die Empörung ausgelöst habe vor allem ein Plakat, dass die Tanzgruppe "Cuties" mit knappen Höschen und Bikinis zeige. Der Vorwurf sei gewesen, dass man dadurch angeblich Pädophile anzöge. Schon vor wenigen Tagen hätten fast 680.000 Leute einen Aufruf gegen den Film unterschrieben. Der Vorwurf lautet, die Mädchen würden in sexualisierten Posen zu stark ausgestellt. Netflix hat sich inzwischen für das Plakat entschuldigt.
"Die meisten Leute haben den Film nicht gesehen", sagt Zylka. Dabei sei die Aussage genau das Gegenteil. Das Mädchen lerne in ihrer sehr streng muslimisch-religiösen Welt, dass der Frauenkörper sündig sei, schildert Zylka den Inhalt. Deshalb dürfe sie sich nicht aufreizend anziehen, sondern solle sich verhüllen. Aber in Paris lerne sie einiges über die Liebe zum eigenen Körper dazu, schließe sich einer Gruppe von Mädchen und einem Tanzwettbewerb an.

Erst Film sehen, dann urteilen

Dabei zeichne den Film aus, dass er nicht etwa mit einem männerdominierten Blick gedreht sei, sondern die Perspektive der Mädchen wähle, sagt Zylka. Sie habe sich über die Kritik geärgert. "Man muss es doch erstmal angucken, bevor man darüber ablästert." Sie empfehle jetzt erst recht, den Film "Cuties" selbst anzusehen und sich ein Bild zu machen.
(gem)

Jenni Zylka, geboren 1969 in Osnabrück, ist Schriftstellerin, freie Journalistin und Moderatorin, sie lebt in Berlin. Zylka war regelmäßig Jurorin für den Grimme-Preis und Filmsichterin für die Berlinale.