Culture-Clash mit Überraschungen

Von Bernd Sobolla · 11.03.2012
Die Kritiker jubelten, als 2006 die Serie "Türkisch für Anfänger" im Fernsehen startete. Die Geschichte der deutsch-türkischen Familie Öztürk wird von Autor und Regisseur Bora Dagtekin jetzt "Ganz neu erzählt fürs Kino": als rasante Culture-Clash Familienkomödie.
"Es wird rot! / Quietschen. / Guck mal, wie die Frau aussieht! Ob die geisteskrank ist? / Was guckt denn der Albaner so rüber. / Fensterheber. / Kleiner Tipp! Dreißiger Zone. / Danke für die Info, Spießer! / Das war Beamtenbeleidigung. / Sag mal, hat die ein Kopftuch auf? Fahr schnell weiter, bevor sie die Zünder abdrückt."

"Ganz neu erzählt fürs Kino", der Untertitel zum Film "Türkisch für Anfänger" ist wörtlich gemeint. Denn noch kennen sich die Familien Öztürk und Schneider nicht. Das allerdings ändert sich bald: Die Psychotherapeutin Doris hat ihre emanzipierte Tochter Lena zu einer Südostasienreise "überredet". Und im selben Flugzeug sitzen auch die Öztürks, allen voran der machohafte Sohn Cem.

"Ey, wir kennen uns doch?! / Ey, ist schon mal gar nicht. / Du bist doch die Schlampe, die mir den Mittelfinger gezeigt hat. / Stimmt! Ich habe dein dämliches Gesicht gar nicht mehr in Erinnerung gehabt. Nenn mich noch einmal Schlampe und du kriegst von mir persönlich einen Abschiebestempel, und zwar zwischen deine Beine."

Die Katastrophe nimmt ihren Lauf: Lena muss eine Sitzreihe mit Cem und seiner religiösen Schwester Yagmur teilen. Und während sich die verbalen Auseinandersetzungen steigern, stürzt plötzlich das Flugzeug ab.

"Letzte Nacht musste eine Maschine der Chanta Air mitten im Indischen Ozean notwassern. / Experten sprechen vom Wunder der Andamen. Nur vier Jugendliche werden vermisst, darunter eine Berlinerin sowie drei Migranten mit deutschem Pass."

Die vier, das sind Lena, Cem und Yagmur sowie der stotternde Grieche Costa, womit die Paarkonstellation der Fernsehserie gerettet ist. Und alsbald hat das Quartett, das auf einer einsamen Insel gelandet ist, zumindest Funkkontakt mit den Eltern, die in einem Ferienklub untergebracht sind.

"Sie haben unsere Kinder gefunden. / Wirklich? Wo sind sie? / Cem! Yagmur! Ist jemand verletzt? / Nein, wir sind auf so einer Insel. / Mama! Ich sitze mit so einem Haufen Verrückter fest."

Die Rettungsaktion kann in die Wege geleitet werden. Und zugleich können sich nun die Eltern im Hotel beruhigt näher kommen, wobei Metin Doris Rücken mit Sonnencreme verwöhnt.

"Disco-Boot? / Ja, mal so richtig abdancen. Kommen sie doch mit! / Ich weiß nicht. / … Oh. Könnten Sie mal ein bisschen tiefer? Da ist so eine leichte Zerrung von meinen Tantra-Übungen. … Oh, oh… "

Es war der richtige Schritt, die Fernsehserie im Kino nicht weiter zu spinnen, sondern sozusagen neu zu erfinden. Der Film ist rasant inszeniert, karikiert wieder so manches Klischee, verfängt sich allerdings in den imaginierten Szenen ein wenig. Dennoch eine Culture-Clash-Komödie mit vielen Überraschungen.

"Krass! / Alter, ist das Troja? / Und so was übersteht den Einbürgerungstest. / …. Scheiße, das sind Kannibalen. / Cem, ein primitives Dorf und ein bisschen Körperbemalung sind noch lange kein. / Uuuha. Okay, es sind Kannibalen."

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