CSU-Europaparlamentarier gegen EU-Wirtschaftsregierung

Markus Ferber im Gespräch mit Markus Pindur · 17.05.2010
Der Vorsitzende der CSU-Europagruppe im Europäischen Parlament, Markus Ferber, lehnt die Forderung nach einer europäischen Wirtschaftsregierung ab. Er habe den Eindruck, dass es bei dieser Forderung darum gehe, starke Länder zu schwächen und die schwachen zu stärken.
Marcus Pindur: Der Schreck ist allen Europäern mächtig in die Glieder gefahren und besonders den Deutschen. Wird Griechenland in der Lage sein, seine Schulden zurückzubezahlen? Der Deutsche-Bank-Chef Ackermann sagte, er habe seine Zweifel daran und er zog sich allein für seine Zweifel den Zorn vieler Politiker zu. Nun gibt es in der Eurozone noch weitere hoch verschuldete Länder, unter ihnen Portugal und Spanien. Die treten jetzt aber auf die Schuldenbremse. Heute auf dem Treffen der EU-Finanzminister präsentieren sie ihre Sparpläne.

Und wir sind jetzt verbunden mit dem Vorsitzenden der CSU-Gruppe im Europaparlament, dem Europaabgeordneten Markus Ferber. Guten Morgen, Herr Ferber!

Markus Ferber: Einen schönen guten Morgen!

Pindur: Der Euro ist auf 1,24 Dollar gesunken, die Märkte haben offensichtlich kein Vertrauen in die Fähigkeit der Europäer, ihre Schulden dauerhaft in den Griff zu bekommen. Sind Sie optimistischer als die Märkte?

Ferber: Ich würde mal sagen, dass das Wechselkursverhältnis so ist, dass man durchaus damit leben kann. Ich kann mich an Zeiten erinnern vor ein paar Jahren, wo wir ähnliche Wechselkurse hatten, wo die Wirtschaft gesagt hat, könnt ihr den Euro nicht etwas schwächer machen. Wir hatten eine Dollarschwäche, wenn Sie sich die wirtschaftlichen Bedingungen anschauen, ist der Wechselkurs momentan absolut in Ordnung, wir haben keine Euroschwäche.

Pindur: Da geistert immer wieder dieser Vorschlag einer europäischen Wirtschaftsregierung durch Brüssel. Was halten Sie denn davon?

Ferber: Die Frage ist ja, was kann eine solche Wirtschaftsregierung wirklich leisten: Kann sie wirklich dafür sorgen, dass Europa seine Stärken stärkt und seine Schwächen überwindet? Ich habe immer den Eindruck, dass es darum geht, die Starken zu schwächen, nämlich uns Deutsche, die die Wettbewerbsfähigkeit gewonnen haben, ihnen Wettbewerbsfähigkeit zu nehmen, um dadurch die, die weniger Wettbewerbsfähigkeit haben, zu stärken. Und das ist keine vernünftige Wirtschaftspolitik, das sind nicht die Randbedingungen, die notwendig sind, um Europa nach vorne zu bringen und den Euro auch dauerhaft zu einer stabilen Währung zu machen. Deswegen gefallen mir diese Kernansätze überhaupt nicht. Es kann nicht sein, wenn viele humpeln, dass man die, die noch gerade gehen können, auch zum Humpeln zwingt.

Pindur: Ein funktionierender Binnenmarkt lebt eben auch von Konkurrenz. Wo aber müssten denn die Mitgliedsländer sich stärker koordinieren in der Wirtschaftspolitik?

Ferber: Wir haben doch damals in den 90er-Jahren, als der Euro diskutiert und eingeführt wurde, bewusst gesagt, dass Wettbewerbsfähigkeit dadurch gelingt, dass im Wettbewerb auch die Steuersysteme sich befinden. Da hatten wir Deutschen Riesenprobleme, das hat viel Zeit und Kraft gekostet, im Bereich des Steuerrechts als Bundesrepublik Deutschland wettbewerbsfähiger zu werden. Ich denke insbesondere an die Unternehmenssteuerreformen, die notwendig waren. Es ging darum, auch Wettbewerb bei der Lohnpolitik – es hat ja niemand gezwungen die Griechen in den letzten Jahren, eine Lohnpolitik zu machen, die deutliche Lohnerhöhungen beinhaltet hat. In Deutschland gab es Lohnzurückhaltung, in Spanien gab es keine. Sollen wir jetzt Einheitstarife in ganz Europa machen? Es kann mir niemand erklären, dass es richtig ist! Wir hatten immer auf Wettbewerb gesetzt der Bildungssysteme, der Genehmigungsverfahren, des Steuerrechts, der Infrastrukturen und so weiter. Ich glaube, das ist der richtige Ansatz und da muss jedes Land auch seine Konsequenzen daraus ziehen, sich diesem Wettbewerb positiv zu stellen.

Pindur: Kommen wir noch mal zum eigentlichen Thema, dem Euro zurück: Heute Abend sitzen da lauter Finanzminister am Tisch, deren Haushalt auch nicht gerade in Ordnung ist, also viele kleine Sünder, und da fragt man sich ja, ob die Präsentation der portugiesischen und der spanischen Sparpläne nicht so eine Art Alibiveranstaltung ist?

Ferber: Also zunächst mal muss man schon Respekt dafür zum Ausdruck bringen, was Spanien und Portugal jetzt auf den Tisch gebracht hat, und wir hätten uns gefreut, wenn Griechenland von sich aus schon in der Vergangenheit beherzter seine ausufernden Defizite in den Griff bekommen hätte und ähnliche Maßnahmenpakete schon im letzten oder vorletzten Jahr getroffen hätte. Schauen Sie sich Irland an, darüber redet niemand: Die haben ein umfassendes Sparpaket auf den Tisch gelegt, durchgesetzt, und arbeiten das jetzt auch ab. Deswegen kommt von dieser Seite auch keine Gefahr auf den Euro zu. Ich halte das für sehr begrüßenswert und richtig, aber das kann ja nicht sein, dass nur die, die besonders im Fokus stehen, Sparpakete auflegen. Es sind von den 27 Mitgliedsstaaten, ob sie den Euro haben oder nicht, 20 im übermäßigen Defizit. Auch wir als Bundesrepublik Deutschland haben ein übermäßiges Defizit, um diesen Begriff der EU zu verwenden, und das heißt natürlich, dass man nicht immer nur die größten Sünder herausnehmen darf, sondern dass alle jetzt nach der Überwindung der Wirtschaftskrise auf den Konsolidierungspfad zurückkehren müssen und das sehr beherzt angehen müssen.

Pindur: Die Frage ist ja, wie man das in Zukunft verhindert und wie man da striktere Regeln formuliert. Wie stehen Sie denn zum Beispiel zu dem Vorschlag, des Kommissionspräsidenten Barroso, künftig die Haushalte der einzelnen EU-Staaten schon im Vorfeld einer Prüfung durch die EU-Kommission zu unterziehen?

Ferber: Ich halte von diesem Vorschlag überhaupt nichts. Welche Möglichkeiten hat die Europäische Kommission und welche Möglichkeiten hat sie dann wirklich, dass die nationalen Parlamente in der Haushaltsberatung und der Haushaltsverabschiedung entsprechende Vorschläge wieder aufgreifen oder nicht? Ich glaube, dass wir in Deutschland mit der Schuldenbremse ein Instrumentarium geschaffen haben, das genau den Stabilitäts- und Wachstumspakt in das innerdeutsche Gefüge im Verhältnis zwischen Bund und Ländern übersetzt, und das ist der richtige Ansatz. Deswegen habe ich mich auch sehr gefreut, dass der Währungskommissar Oliver Rehn diese deutsche Schuldenbremse als Vorbild für andere Mitgliedsstaaten auch bezeichnet hat. Das heißt, die Staaten müssen selber gesetzgeberische (wir haben es auf Verfassungsebene gemacht) Instrumente entwickeln, die dafür sorgen, dass übermäßige Defizite schon im vornherein ausgeschlossen werden. Die Europäische Kommission muss auf der anderen Seite auch mal ehrlich sein, sie hat vor einem halben Jahr noch gesagt, in der Wirtschaftskrise darf man die Haushalte nicht kaputtsanieren, um damit Aufschwung zu verhindern, sondern hat umfangreiche Investitionspakete wie bei uns das Konjunkturpaket I und II eingefordert und es war klar, dass die in allen Mitgliedsstaaten über neue Schulden finanziert werden. Das heißt, wenn ich mir hier die Sprunghaftigkeit der Europäischen Kommission auch anschaue, kann ich nicht feststellen, wie eine solche Vorgabe aus Brüssel wirklich funktionieren soll – im letzten Jahr hätten sie gesagt, macht vielleicht noch mehr Schulden!

Pindur: Aber Herr Ferber, es bleibt doch die Frage im Raum stehen, wie man die Einzelstaaten darauf verpflichtet, eine bessere Haushaltspolitik zu betreiben. Da braucht es irgendwann ja eine Änderung der europäischen Verträge und klarere Regeln. Wie könnten denn Elemente dieser klareren Regeln aussehen?

Ferber: Also zunächst mal geht es darum, dass die Zahlen wirklich so geliefert werden, wie sie sind. Das heißt aber auch, dass die europäische statistische Behörde, Eurostat, die Möglichkeit hat, selber die Haushaltszahlen zu ermitteln in einem Land, was bisher nicht erlaubt ist. Das heißt, die, die lügen, fliegen dann schon mal raus, es kann nicht mehr betrogen werden, das ist ja das Problem Griechenlands. Zweitens, es müssen frühzeitige Mechanismen greifen, nicht erst wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist, sondern wie kann dafür gesorgt werden, dass es nicht in den Brunnen fällt. Das heißt, dass über diese Stabilitätsberichte, Konvergenzberichte der einzelnen Mitgliedsstaaten frühzeitiger auch darüber diskutiert werden muss, welche Maßnahmen ergriffen werden müssen, und es muss dann auch ein Instrumentenkasten zur Verfügung stehen hier mit Sanktionen, die früh greifen, die automatisch greifen bei bestimmten Arten von Verstößen und nicht mehr von den Finanzministern, wie es in den Verträgen heißt, beschlossen werden können. Es gibt ja keinen Automatismus zurzeit, dass dies automatisch geht, dass es Kommission festgelegt wird nach einem klaren Regelwerk bis hin zum Stimmrechtsentzug, bis hin zur frühzeitigen Strafzahlung, und ich unterstütze das, was Schäuble hier in sein Paket mit aufnimmt.

Pindur: Herr Ferber, vielen Dank für das Gespräch!

Ferber: Gerne!

Pindur: Markus Ferber, Vorsitzender der CSU-Gruppe im Europaparlament und Mitglied im Ausschuss für Wirtschaft und Währung.
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