Cristian Măcelaru in Stockholm

Giselle macht Revolution

Der Dirigent Cristian Mӑcelaru
Voll engagiert als Gast in Stockholm - der Dirigent Cristian Măcelaru © Sorin Popa/DSO Berlin
Moderation: Volker Michael · 15.11.2019
Ein druckfrisches Cellokonzert und eine Revolutionssinfonie spielen Gastsolist Truls Mørk und das Schwedische Rundfunk-Sinfonieorchester unter Leitung von Cristian Măcelaru: Werke von Victoria Borisova Ollas und Dmitrij Schostakowitsch.
Der Titel des neuen Werks der schwedischen Komponistin Victoria Borisova Ollas klingt fast schon wie eine Karikatur - "Oh Giselle, remember me!". Doch sie meint es ganz ernst - das Cellokonzert, das dem Solisten Truls Mørk gewidmet ist, erzählt die Geschichte um das Mädchen Giselle neu, das durch das gleichnamige französische Ballett weltbekannt geworden ist. Unglückliche Liebe, Verrat, Hass und Versöhnung, Verdammung auf Ewigkeit - all diese dramatischen Konstellationen sollen ohne Worte und Tanz allein instrumental evoziert werden. Es soll nicht zuletzt eine zeitgemäße Erzählung des hochromantischen und märchenhaften Stoffes sein. An diesem Abend erlebt das Cellokonzert seine Uraufführung.
Der Cellist Truls Mørk sitzt vor dem Orchester und spielt.
Der Cellist Truls Mørk gehört zu den besten Cellisten weltweit© Baltic Sea Festival
Die in Russland geborene Komponistin Borisova Ollas lebt seit vielen Jahren in Schweden. Sie hat in letzter Zeit viele neue Werke in Schweden vorgestellt. Ein Violinkonzert zum "Schwanensee"-Ballett Tschaikowskys kam erst vor wenigen Wochen heraus. Im vergangenen Jahr hat der Klarinettist Martin Fröst ein Konzert Victoria Borisova Ollas' zusammen mit dem Schwedischen RSO aus der Taufe gehoben. Sein Titel "Goldene Tänze der Pharaonen" verweist auf das alte Ägypten, und genauso sollte es klingen, wie Musik aus einem verschwundenen Königreich. Nicht zuletzt gab es im Königlichen Opernhaus Stockholm vor zwei Jahren eine "Dracula"-Oper von Borisova Ollas. Die Komponistin hat also keinerlei Furcht vor populären und häufig vertonten Stoffen.

Populäre Stoffe und blutige Themen

Der aus Rumänien stammende Dirigent Cristian Măcelaru, seit dieser Saison Chefdirigent des WDR Sinfonieorchesters in Köln, wird im zweiten Teil die Sinfonie Nr. 11 von Dmitrij Schostakowitsch mit dem Schwedischen RSO aufführen. Ein monumentales, mitreißendes Werk, das der Komponist Mitte der 1950er Jahre geschrieben hat, offiziell um die bürgerliche Revolution von 1905 aufzuarbeiten, die vom Zarenregime blutig niedergeschlagen worden war.

Revolutionen allerorten

In der 12. Sinfonie sollte er sich anschließend der "Großen Sozialistischen Oktoberrevolution" von 1917 widmen. Doch Schostakowitsch interessierte sich nicht wirklich für historische Aufarbeitung, sondern für seine schwierige Gegenwart. Und die war nicht ärmer an Revolutionen als der Beginn des Jahrhunderts. Zwar waren es "Konterrevolutionen", die sich am Rande des Sowjetreiches, in der DDR, Polen und Ungarn, vollzogen, doch der Komponist ahnte, dass den Aufständen blutige Repressionen folgen würden, die auch auf den Kern des Reiches zurückwirken sollten.
Live aus der Berwaldhalle Stockholm
Victoria Borisova Ollas
"Oh Giselle, remember me" für Violoncello und Orchester (Uraufführung)
ca. 20.35 Uhr Konzertpause, darin ein Gespräch mit dem Dirigenten Cristian Măcelaru (Wiederholung vom November 2017)
Dmitrij Schostakowitsch
Sinfonie Nr. 11 g-Moll op. 103 "Das Jahr 1905"

Truls Mørk, Violoncello
Schwedisches Rundfunk-Sinfonieorchester
Leitung: Cristian Măcelaru

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