"Così fan tutte" in Paris

Eine entsetzlich verkopfte Inszenierung

Anne Teresa De Keersmaeker (links) im Gespräch mit Königin Mathilde von Belgien, aufgenommen bei De Keersmaekers Ausstellung Work/Travail/Arbeid im Contemporary Art Center Wiels in Brüssel, 2015
Anne Teresa De Keersmaeker ist eigentlich Choreographin, doch wagte sich nun in die Opernwelt vor - hier bei einem Gespröäch mit der belgischen Königin Mathilde im Jahr 2015 © dpa / picture alliance / Thierry Roge
Von Wiebke Hüster   · 26.01.2017
Mit "Così fan tutte" an der Pariser Oper führt Belgiens bekannteste Choreographin Anne Teresa de Keersmaeker das erste Mal Regie. Entstanden ist eine verkopfte und starre Inszenierung. Was sich wirklich lohnt, ist der Gesang.
Anne Teresa de Keersmaeker, Belgiens berühmteste Choreographin, ergreift wie viele andere Tanzmacher vor ihr die Gelegenheit, sich als Opernregisseurin zu versuchen. Ein Feld, das - verglichen mit dem Tanz - dankbarer zu bestellen ist: besser bezahlt, höher angesehen und mit längeren Laufzeiten der Produktionen scheint es um ein Vielfaches lohnender, sich für eine Musiktheaterregie zu verpflichten als für ein Ballett.
Die Fallhöhe des Scheiterns ist auch nicht größer. Längst gibt es Sänger, die nicht nur intelligente Schauspieler sind und begnadete Stimmen kultivieren, sondern auch körperlich in phantastischer Verfassung und in der Lage, sich anmutig und im Takt und mit einer gewissen Wendigkeit und Schnelligkeit zu bewegen.
An der Pariser Oper, wo Keersmaeker jetzt unter der musikalischen Leitung von Philippe Jordan "Così fan tutte" in Angriff nahm, waren die Sänger solche Mehrfach-Begabungen und von ihrer ganzen Ausstrahlung her attraktiver als die ihnen zur Seite gestellten Tänzer. Mehr als einige schöne choreographische Momente allein von den Tänzern dargeboten enthält die entsetzlich verkopft wirkende Inszenierung nämlich nicht. Szenisch ausgebremst bis zur langweiligen Starre, immer wieder an eine konzertante Aufführung erinnernd, stehen Sänger und Tänzer häufig im Halbkreis ausgerichtet auf den Dirigenten und das geduldige Publikum.

Eine lustlos wirkende Generation von Choreographen

So schlicht in ihren Variationen aus gedrehten Schritten, tiefen Kniebeugen in die Hocken und etwas albernen mimetischen Anverwandlungen an die Handlung ist die Bewegung, das man manchmal erschrickt. Keine Generation von Choreographen wirkt so lustlos, so gelangweilt von ihrem ureigensten Metier, der Entwicklung einer Tanzsprache.
Die Inszenierungsidee der Reduktion auf das Wesentliche basiert auf dem Gedanken, die Beziehung zum Dirigenten und Orchester nicht zu verbergen und die Sänger nur heimlich auf Zeichen schauen zu lassen. Nein, das Beste an dieser "Così fan tutte" ist die enge Beziehung aller aufeinander.
Das Beste neben der musikalischen Innigkeit, die der intime Bezug des Ensembles unterstützt, heißt das. Das Bühnenbild von Jan Versweyveld – ein weißer Raum, White Cube und Hinterbühne und Labor zugleich – wird nur durch wilde farbige Beleuchtung verändert, wenn die Liebesintrigen des Stücks so richtig in Gang kommen.
Die Helden des Abends sind die tapferen Sänger: Die übermütige Ginger Costa-Jackson als Despina, die anrührende Jacquelyn Wagner als Fiordiligi, Fréderic Antoun's Ferrando, Philippe Slys Guglielmo und Michèle Losiers Dorabella genauso wie Paulo Szots Don Alfonso.
Hingehen, aber nicht wegen des Tanzes.
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