Coronavirus in Franken

Nach 400 Jahren die Brauerei dicht machen

07:27 Minuten
Christine Lang steht im Sudhaus der Wernecker Brauerei.
Die Krise erhobenen Hauptes bewältigen: Christine Lang muss die Wernecker Brauerei wegen Corona schließen. © Heiner Kiesel
Von Heiner Kiesel · 14.05.2020
Audio herunterladen
Geschlossene Gaststätten und Biergärten, keine Feste und Festivals wegen des Coronavirus: Das trifft vor allem kleine Brauereien wie die im fränkischen Werneck. Sie hat nun angekündigt zu schließen. Staatliche Hilfen hätten nicht gereicht.
"Ja, das ist unsere Vollguthalle mit der Ware, die noch verkauft werden soll. Insgesamt würden wir noch gerne 10.000 Hektoliter verkaufen an Flaschen und Fasswaren – damit einfach unsere Tanks leer sind, damit die Bestände alle runtergefahren werden und nichts im Abfluss landet – das wäre wirklich schade."
Christine Lang schaut die Türme aus Bierkästen hoch – das letzte Bier aus der Wernecker Brauerei. Auf jedem Kasten ein großes W, um das ein Drache seinen Schwanz schlingt. Seit 400 Jahren wird hier Bier hergestellt. Christine Langs Vater ist der Eigentümer. Sie und ihr Bruder hätten die Brauerei gerne in der sechsten Generation geführt. Aber dann kam das Coronavirus.
"Das ist natürlich das Herzstück unserer Brauerei: das Sudhaus, traditionell noch mit Kupferkessel", sagt Christine Lang angesichts des Gebäudes unterhalb der Lagerhalle. Das Sudhaus wirkt wie aus einem Heimatfilm. Grün gekachelte Wände, zwei bauchige Kupferkessel, Hebel, Ventile, analoge Druckanzeiger. Es riecht süßsäuerlich nach Malz und Hopfen. Bis Ende September werden die letzten Rohstoffe noch verarbeitet. Vor drei Jahren stand die Brauerei schon einmal kurz vor dem Aus, dann haben die Langs gekämpft und ihren Verkauf auf Festen und in der Gastronomie der Region ausgebaut. Ihre Nische. Es ging aufwärts – und dann ging fast gar nichts mehr. Lockdown.

Soforthilfe hätte nur Teil der Kosten gedeckt

"Brauereien sind Saisonbetriebe. Wir machen im Sommer unseren Umsatz, da bilden wir die Rücklagen für den Winter. Jetzt war der Winter rum, die Rücklagen relativ erschöpft und jetzt fällt die ganze Sommersaison weg. Alles weg! Alle Großveranstaltungen, Festivals, die wir beliefert hätten und es kommt nichts nach. Es ist nicht nur so: Oh, bloß ein Monat – das ist ein Rattenschwanz, der da mit dranhängt."
Die 15.000 Euro Soforthilfe vom Freistaat Bayern haben gerade mal ein Drittel der monatlichen Lohnkosten abgedeckt für die 15 Festangestellten und elf Teilzeitkräfte. Kurzarbeit? Ein Tropfen auf den heißen Stein, meint Lang. Und jetzt schon wieder Kredite aufnehmen? Wann soll man die abstottern?
"Und das war für uns dann unwägbar. Und dann haben wir entschieden, dass wir eigentlich ein bisschen kraftlos sind und dann möchten wir kein Risiko eingehen, dass wir uns verschulden und womöglich etwas nicht zurückzahlen können. Das entspricht nicht unserer Mentalität, wir haben immer unsere Rechnungen selber beglichen und das wollen wir auch bis zum Ende tun können."

Warum die Biersteuer nicht ganz erlassen?

Ein kleiner Betrieb und die große Pandemie. Natürlich haben die Menschen wegen Corona nicht aufgehört zu trinken. Aber es ist weniger und man muss sich sein Feierabendbier zu Hause gönnen. Walter König vom Bayerischen Brauverband nennt Zahlen.
"Wir haben teilweise Brauereien, die haben einen Flaschenbierzuwachs von bis zu 20 Prozent. Wer seinen Hauptanteil im Bierabverkauf im Handel hat, der hat jetzt auch einen gewissen Vorteil. Aber die Brauereien, die serviceorientiert auf Volksfeste, Privat- und Vereinsfeste oder auch auf die Gastronomie gesetzt haben, die trifft es umso mehr."
Und das sind dann unter den bayerischen Brauereien besonders die in Franken. Dort hat sich eine Bierszene aus vielen kleinen Herstellern entwickelt. Familienbetriebe, Craft-Beer-Startups, Dorfbrauereien. Gerne mit eigener Gastronomie. Zwei Drittel der bayerischen Brauereien sind in Nordbayern angesiedelt, aber: Sie produzieren nur ein Drittel des Bieres. Zwei Drittel, die Massenware für die Supermärkte, für den Export, werden im Süden Bayerns, in Großbetrieben gebraut und abgefüllt. Effizient und preiswert. Da können kleine Brauereien nicht mithalten. Es sei denn, die Kunden rühren sich, meint König.
Ein junger Mann nimmt eine Bierflasche aus dem Kühlschrank.
Der Absatz von Flaschenbier hat in letzten Wochen stark zugenommen. Aber davon profitieren vor allem größere Brauereien im Süden Bayerns.© picture alliance / Panther Media / Andriy Popov
"Es ist genau jetzt auch der Appell an die Bevölkerung: Natürlich kosten diese Biere mehr und jeder, der weniger verdient, weil er in Kurzarbeit ist, oder vielleicht Angst um seinen Job hat, der wird auch beim Bier auf den Preis gucken, aber da fällt man seiner Brauerei in den Rücken und riskiert auch, dass die Brauerei vor Ort nach der Krise nicht mehr da ist."
Bier hat ja so seinen besonderen Stellenwert im Freistaat. Darum hofft der Brauerbund, dass sich die bayerische Staatsregierung noch etwas mehr für die Brauereien ins Zeug legt. Die Biersteuer wird ihnen jetzt gestundet. Warum nicht gleich ganz erlassen?, fragt König.
"Wir sind dankbar für die Hilfen, die wir bekommen haben, aber es wird unter dem Strich nicht reichen. Die Ankündigung von Wirtschaftsminister Aiwanger, dass man auch nach der Krise schauen muss, wie geht es den Betrieben und auch im nächsten Jahr noch mal einen Fonds für Betriebe auflegen muss, die halten wir für absolut richtig. Jetzt kommen die Probleme erst, weil die Kosten nur nach hinten geschoben wurden."

Die Krise selbstbestimmt bewältigen

Auch wenn die Situation hart ist für die Brauereien – Walter König vom Brauerbund erwartet keine Welle von Betriebsaufgaben. Die Wernecker Brauerei sei erstmal nur ein Einzelfall. Noch!
Christina Lang steht zwischen den Kesseln im Sudhaus und versucht, das Ende ihres bisherigen Lebensentwurfs zu begreifen.
"Man wird mit der Brauerei groß. Meine Mama sagt immer: Die ersten drei Worte waren Mama, Papa, Bier. Das ist so ein Stück Identität, das wegfällt und beruflich war irgendwie auch klar, man ist hier, man lebt dafür und man liebt das und ist damit groß geworden, von Kindesbeinen an und jetzt ist das alles so – weg."
Es ist hart, nach 400 Jahren die Generation zu sein, die den Laden dicht macht. Aber, so sagt die 28-jährige Betriebswirtin: Jetzt müssen sie wenigstens nicht mehr bangen und hoffen, dass vielleicht bei der nächsten Corona-Pressekonferenz vielleicht doch noch ein Weg gefunden wird, den kleinen Brauereien zu helfen. Ihre Familie wollte die Krise erhobenen Hauptes und selbstbestimmt bewältigen.
"Ich schaue jetzt erstmal, dass meine Mitarbeiter unterkommen, dass wir hier sauber abwickeln, dass alles in Würde ablaufen kann. Wenn das alles geschafft ist und ich wieder atmen kann, dann mache ich mir Gedanken, wo ich lande."
Mehr zum Thema