Coronapolitik

Die Machtlosigkeit der Kanzlerin

06:08 Minuten
Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) verlässt nach einer Pressekonferenz einen Saal im Bundeskanzleramt. Sie trägt einen roten Blazer und einen Mund-Nase-Schutz.
Angela Merkel nach der Pressekonferenz zum Coronagipfel: Ihre Pläne hat sie am Montag nicht durchsetzen können. © picture alliance/Odd Andersen/AFP/POOL/dpa
Ralph Bollmann im Gespräch mit Korbininan Frenzel · 17.11.2020
Audio herunterladen
Angela Merkel will strengere Corona-Regeln, doch die Länderchefs blockieren. Warum kann die Kanzlerin sich nicht durchsetzen? Merkel überschätze womöglich die Geduld der Bevölkerung und habe auch eine kommunikative Schwäche, meint der Journalist Ralph Bollmann.
Beim Coronagipfel am Montag hätte Bundeskanzlerin Angela Merkel gerne härtere Maßnahmen zur Bekämpfung der Coronapandemie beschlossen. Doch die Mehrheit der Ministerpräsidenten und Ministerpräsidentinnen hat sich gegen sie gestellt. Wie viel Macht hat die Kanzlerin noch? Der Journalist Ralph Bollmann, Autor des Buchs "Die Deutsche: Angela Merkel und wir" glaubt, dass die Coronakrise ihr am Ende noch mehr Schwierigkeiten bereiten könnte als die Flüchtlings- oder die Eurokrise.

Merkel, die Naturwissenschaftlerin

Die Kanzlerin denke in dieser Krise sehr als Naturwissenschaftlerin, sagt Bollmann: "Das war im Frühjahr sehr günstig." Jetzt, wo es stärker um Interessenabwägungen ginge, wie die Frage, ob man eher Schulen oder eher Theater offen halte, komme man aber zurück in normale politische Debatten, die mit Naturwissenschaft nicht beeinflussbar seien.
Merkel überschätze außerdem die Geduld der Menschen, vermutet Bollmann. Sein Eindruck sei, ihre Haltung zu den Beschränkungen sei: "Ich habe zu DDR-Zeiten 30 Jahre auf den Fall der Mauer gewartet, 30 Jahre gewartet, bis ich in den Westen reisen darf. Da werden die Leute doch mal ein Jahr darauf verzichten können nach Mallorca zu fliegen."
Eine Rolle spielt womöglich ebenfalls ein "Fitnessproblem", das angesichts Merkels Alters und nach 15 Jahren als Kanzlerin verständlich sei, so Bollmann: Früher hieß es immer, dass Merkel Marathonsitzungen von allen Teilnehmern am besten durchstehe. Das treffe inzwischen vielleicht nicht mehr zu und nun beiße sie sich an den Ministerpräsidenten die Zähne aus.

Die große Erzählung fehlt

Dazu komme auch noch eine kommunikative Schwäche der Kanzlerin. "Sie ist unglaublich stark in den Zahlen und Fakten", betont Bollmann, "aber die große Erzählung, was sie in dieser Fernsehansprache im Frühjahr ganz gut hinbekommen hat, geht jetzt doch manchmal im Kleinklein – 'Wie viele Leute dürfen sich mit wie vielen aus welchen Haushalten treffen?' – ein bisschen unter."
(jfr)
Mehr zum Thema