Coronakrise in Italien

"Das ist wie in einem Horrorfilm"

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Träger mit Mundschutz und Handschuhen rollen einen Sarg aus einer Leichenhalle
Was wird wohl in einem Monat sein? Diese Frage stellt sich die Journalistin Tonia Mastrobuoni angesichts der vielen Coronatoten und -Infizierten in Italien © imago / Carlo Cozzoli
Tonia Mastrobuoni im Gespräch mit Korbinian Frenzel · 18.03.2020
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Die Zeitung voller Todesanzeigen, ständig heulen die Sirenen der Krankenwagen – Italien erlebe eine Tragödie, sagt die Journalistin Tonia Mastrobuoni. Mut machten den Menschen kleine Gesten. Etwa ein Solidaritätsvideo mit dem Lied "Bella Ciao".
Angst und Verunsicherung beherrschen in diesen Tagen ganz Deutschland. Wie muss es erst in Italien aussehen, wo es nach Angaben des Gesundheitsministeriums inzwischen 31.000 Coronainfizierte und mehr als 2500 Tote gibt?
"Es ist eine absolute Tragödie", schildert Tonia Mastrobuoni, Berlin-Korrespondentin der Zeitung "La Repubblica" die Situation im Land. Zum Beispiel lebten die Eltern einer Freundin in Piaczenza in Norditalien, eine der am stärksten von Corona betroffenen Regionen. "Die hat ein Video geschickt von einer lokalen Zeitung, die heißt Libertá, und es sind fünf, sechs, sieben Seiten jeden Tag mit Todesanzeigen. Nur mit Todesanzeigen!", so Mastrobuoni. "Die Eltern leben auf dem Land, und trotzdem leben sie im Terror, weil sie ständig die Ambulanz hören, die vorbeikommt. Das ist wie in einem Horrorfilm, das kann man sich, glaube ich, hier überhaupt nicht vorstellen!"

Ein Lied für Italien

In dieser Krise seien Solidaritätszeichen aus Deutschland sehr willkommen, sagt die Journalistin. Einfach in Form von kleinen Gesten: So hätten Freunde von ihr geweint, als sie gestern ein Youtubevideo aus Bamberg gesehen hätten. "Ein Solidaritätsvideo von Deutschen, die haben Bella Ciao gesungen, von der Terrasse und alle zusammen", so Mastrobuoni. "Bella Ciao ist das Befreiungslied der Italiener, das Partisanenlied, und die haben es das Befreiungslied vom Coronavirus genannt."
An Deutschland appelliert die Journalistin, aus der italienischen Entwicklung zu lernen. Denn die Infektionskurve verlaufe genauso wie in Italien, nur sei Deutschland etwa eine Woche hinterher. "Und dann fragt man sich: Warum handeln andere Länder nicht schneller?" Es sei doch absolut klar, was gemacht werden müsse. "In Vo im Veneto hat man ja diese absolute Sperre eingesetzt, man hat auch sehr, sehr viel mehr getestet, als eigentlich notwendig war nach den Regeln der Gesundheitsorganisation, das heißt nicht nur Leute mit Symptomen oder Leute, die in riskanten Zonen waren, sondern einfach so viele Leute wie möglich."
Auch ihr 84-jähriger Vater in Rom mache sich vor allem um eins Sorgen: "Er sagt: Bei euch ist es ja auch schon längst angekommen. Und warum tun die Deutschen nichts?!"
(uko)
Die gesamte Sendung "Der Tag mit Tonia Mastrobuoni" können Sie hier nachhören:
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