Coronaimpfung

Juristin beklagt fehlende verfassungsrechtliche Grundlage

08:07 Minuten
Ein Formular zur Corona-Impfung sowie alte Impfbücher und -bescheinigungen liegen unordentlich auf einem Haufen.
Angesichts der fehlenden verfassungsrechtlichen Grundlage drohe Rechtsunsicherheit bei den Impfungen, warnt die Juristin Andrea Kießling. © imago / Action pictures
Andrea Kießling im Gespräch mit Stephan Karkowsky · 13.01.2021
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Für die Juristin Andrea Kießling steht die Impfverordnung der Bundesregierung auf wackliger Grundlage: Es fehle ein Gesetz, das Verteilungskriterien und -ziele regele. Eine Impfpflicht für Pflegekräfte hält sie verfassungsrechtlich für möglich.
Ist die Impfverordnung der Bundesregierung verfassungswidrig? Das meint zumindest die FDP und hat einen Gesetzentwurf vorgelegt, der Gegenstand einer öffentlichen Anhörung am Mittwochnachmittag im Deutschen Bundestag ist.
Eine der Sachverständigen, die im Rahmen der Veranstaltung auftreten, ist die Bochumer Juristin Andrea Kießling.

Staatliches Handeln braucht eine Rechtsgrundlage

Sie sieht das Problem bei der Impfverordnung weniger in den Inhalten, also der Festlegung, wer wann geimpft werden soll, als in einer nicht ausreichenden rechtlichen Grundlage. Staatliches Handeln brauche eine Rechtsgrundlage, betont Kießling. "Da können Sie sich nicht auf den Ausnahmezustand berufen."

Notwendig sei ein Parlamentsgesetz, in dem die Kriterien für eine Impfstrategie geregelt seien. "Selbst wenn wir sagen würden, wir haben da irgendwo eine Verordnungsermächtigung, sind die Verteilungsziele darin gar nicht genannt", so Kießling:
"Wonach richtet sich diese Priorisierung? Wollen wir die Gesamtmortalität und die Krankheitslast senken? Wollen wir Infektionsketten schnell unterbrechen? Das müsste man darin festlegen und Verteilungskriterien, also so etwas wie Expositionsrisiko oder Alter."
Auch sollte die Verordnungsermächtigung im Infektionsschutzgesetz verankert werden und nicht – wie derzeit – im Sozialversicherungsrecht.

Impfpflicht verfassungsrechtlich möglich

Zum Vorstoß des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU), eine Impfpflicht für Pflegekräfte einzuführen, sagt die Juristin, verfassungsrechtlich sei es nicht so schwierig, eine solche Impfpflicht zu rechtfertigen. Dennoch sei der Zeitpunkt für diese Forderung unglücklich gewählt, da man erst einmal abwarten solle, ob sich Pflegekräfte überhaupt im befürchteten Umfang einer Impfung verweigerten.
Genauso unglücklich findet Kießling es allerdings, zum jetzigen Zeitpunkt zu sagen, es werde auf keinen Fall eine Impfpflicht geben.
"Das ist genauso falsch. Man sollte erstmal schauen: Wie entwickelt sich das? Wenn dann wirklich alle Personen dieses Impfangebot irgendwann bekommen haben, sollte man vielleicht noch mal schauen, bei welcher Durchimpfungsquote wir jetzt stehen. Dann kann man noch mal über eine Impfpflicht nachdenken."
(uko)
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