Corona weltweit: Bosnien-Herzegowina

Verschwundene Schutzbekleidung und Politiker auf Corona-Grillpartys

05:17 Minuten
Ein Gesundheitsbeamter desinfiziert am 20. März 2020 in Sarajevo, Bosnien und Herzegowina, eine leere Straßen innerhalb der Vorkehrungen gegen den Coronavirus.
Nachts sind die Straßen in Sarajevo leer, die Zeit in der Vorkehrungen gegen den Virus getroffen werden. © dpa/ Anadolu Agency/ Mustafa Ozturk
Von Sabine Adler · 22.05.2020
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Strenge Auflagen für die Bevölkerung bestimmen seit mehreren Wochen den Alltag in Bosnien. Harun Cero aus Sarajewo, 27, muss stark sein, denn er hat seine Freundin aus Bihac schon seit Wochen nicht mehr gesehen. Und dann sind da noch die Skandale um feiernde Politiker.
"Mein Name ist Harun Cero.
Ich komme aus Bosnien auf Sarajevo. Ich bin politischer Experte und bin 27 Jahre alt."
Die Ausgangssperren erinnern die Menschen in der Hauptstadt Bosnien-Herzegowinas an den Jugoslawienkrieg Anfang der 1990er Jahre, als die Stadt fast vier Jahre belagert war.
"Wenn man über die Ausgangssperren spricht, sagen manche: Wir haben den Krieg durchlebt, und im Krieg konnten wir für zwei, drei Jahre nicht raus, und wir mussten uns irgendwie in den Häusern und Kellern verstecken. Und jetzt muss man irgendwie ein bis zwei Monate oder drei Monate aushalten. Das können wir doch, das schaffen wir doch."

Weiterhin Flüchtlinge auf der Balkan-Route unterwegs

Ungeachtet der Corona-Pandemie ziehen weiterhin Flüchtlinge auf der Balkan-Route durch Bosnien-Herzegowina. 10.000 sollen es sein. Viele streben nach Bihac an der Grenze zu Kroatien, um von dort in die EU zu gelangen. Aus der Kleinstadt erfährt Harun Cero das Neueste immer sofort.
"Meine Freundin kommt aus Bihac. Bihac ist ein Hotspot für Flüchtlinge. Aber da sind auch andere Brennpunkte. Tuzla. Sarajevo natürlich, wo sie teilweise auf den Straßen sind, sich in Gruppen bewegen, was auch eigentlich verboten ist, und dabei auch keine Masken tragen oder keine Masken bekommen haben. Und natürlich löst das auch Ängste aus. Am häufigsten sieht man die Flüchtlinge, wie sie Taschentücher verkaufen und einfach versuchen, da Geld zu verdienen. Circa 30 Kilometer von Bihac entfernt, wurde ein neues Camp aufgebaut, wo natürlich bessere Verhältnisse herrschen, wo es Zelte gibt, wo es genügend Essen gibt und auch Ärzte. In dem Camp gibt es auch Isolationszelte, wo die Flüchtlinge auch getestet werden."
Amtsentscheidungen sind in Bosnien-Herzegowina immer kompliziert, denn drei Ethnien, bosnische Serben, Kroaten und Bosniaken, regieren in dem Bundesstaat auf unterschiedlichen Ebenen, was die Verständigung nicht immer ganz einfach macht.
"Es wurde erstaunlicherweise alles abgesprochen zwischen den führenden Politikern in der Republika Srpska und in der Föderation. Sogar die 3köpfige Präsidentschaft, die ja aus einem Bosniaken und Kroaten und Serben besteht, hat sich am Anfang abgesprochen. Später hat sich das ein wenig anders entwickelt. Es gab von beiden Seiten Beschuldigungen, dass die eine Entität der anderen nicht folgt."

Empörung über Politiker, die die Schutzregeln verletzten

Schuld waren Korruptionsskandale - vor allem als Schutzausrüstung und Beatmungsgeräte beschafft werden sollten.
"Da hat die Regierung auch in der Föderation sehr viele Stimmen verloren, da das alles so intransparent gemacht worden ist und man immer noch nicht weiß, wem Geld gegeben worden ist, um die Beatmungsgeräte zu kaufen. Es wurde auch davon gesprochen, dass, dass diese Geräte über eine Firma gekauft worden sind, die eigentlich Früchte verkauft."
Auch dass es ausgerechnet Politiker waren, die sich nicht an die Abstands- und Ausgangsregeln gehalten haben, kam nicht gut an.
"In Bosanski Petrovac beispielsweise hat der Bürgermeister eine Corona-Party geschmissen, wo sie ein Lamm gedreht haben. Und in Bijeljina war das ähnlich"
Die Muezzine natürlich hört man immer noch, aber man kann sagen, dass es nicht so ist wie es letztes Jahr oder wie es vor einigen Jahren war, dass man also abends nach dem Iftar, dem Essen, dem Fastenbrechen, dass die Straßen voll sind, dass die Cafes voll sind, dass viele Leute spazieren gehen und auch natürlich die Moscheen voll sind. Jetzt ist alles anders. Die islamische Gemeinschaft hier hat ja von sich aus Maßnahmen getroffen, dass etwa nur die Imame und nicht mehr als vier bis fünf Menschen in einer Moschee sein dürfen. Es fällt mir auch nicht schwer, es nur mit meiner Familie, also mit der engsten Familie, zu verbringen - oder wenigstens mit meiner Mutter."
Aufgezeichnet von Sabine Adler
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