Corona und die Supermarktwerbung

Mitarbeiterlob zu Marketingzwecken

02:31 Minuten
Ein Kassiererin arbeitet unter einer Plastikfolie, um sich vor Coronaviren zu schützen.
Arbeiten unter Plastikfolie: Mitarbeiter in Supermärkten sind in der Coronakrise besonderen Belastungen ausgesetzt. © dpa / Frank Molter
Von Ramona Westhof · 17.04.2020
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Supermarktketten entdecken ihre menschliche Seite: Auf Plakaten und in Werbespots danken sie ihren Mitarbeitenden für das tolle Engagement. Bessere Arbeitsbedingungen? - Gibt es nicht, doch sie wären die bessere Botschaft, kommentiert Ramona Westhof.
Unbezahlte Überstunden, zu wenig Personal für zu viel Arbeit, 14-Stunden-Tage, die auf die Gelenke gehen, Schlafstörungen. Das haben Medien letztes Jahr über die Arbeit im Discounter berichtet.
Und 2020? – 2020 ist vieles anders, weiß auch Edeka: "Außergewöhnliche Zeiten erfordern außergewöhnliche Menschen." Wen genau? Ah, da kann zum Glück Penny weiterhelfen: "…die in dieser Ausnahmesituation alles geben, um die Nachbarschaft verlässlich zu versorgen."
Puh. Noch einmal Glück gehabt. Gut, dass es die Discounter gibt! Ah Moment, da kommt noch was von Aldi: "Deshalb danken wir unseren Mitarbeitern. Und euch, dass ihr für andere da seid."

Supermarktgutscheine – statt besserer Arbeitsbedingungen

Wird es Ihnen da nicht auch ein bisschen warm ums Herz? Bei so viel Engagement? Vielleicht beim nächsten Supermarktbesuch die Frau an der Kasse einfach mal ganz fest umarmen. Und dem Kollegen, der die Pfandautomaten leert, einen dicken Kuss auf die Wange drücken. Ach nein, besser nicht. 1,50 Abstand und so.
Die Discounter haben sich darum etwas anderes überlegt, um ihren Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern ganz groß Danke zu sagen: einen Supermarktgutschein. Und das ist jetzt kein Scherz. Aldi und Lidl zahlen ihren Mitarbeitenden bis zu 250 Euro als Gutschein aus. Das hat steuerliche Gründe, heißt es bei Aldi.
Umgerechnet sind das 555 Packungen Nudeln, 125 Flaschen Wein – oder ungefähr 83 große Packungen Klopapier.

Das ist kein humanitärer Einsatz, das ist ein Job

Französische Supermärkte zahlen ihren Mitarbeitenden bis zu 1000 Euro Prämie. Und deutsche Discounter? Die geben das Geld lieber für Werbespots aus. Die Agenturen, die hinter den Hochglanzkampagnen stecken, haben sich sicher nicht in 714 Kilo Lidl-Mehl bezahlen lassen.
Und auch die Mitarbeitenden hätten sicher lieber bessere Arbeitsbedingungen als Gutscheine und warme Worte.
Mehr Betriebsräte, bezahlte Überstunden, höherer Stundenlohn. Das hält auch bis nach der Krise, wenn die große Dankbarkeit vorbei ist – und wir wieder alle ohne schlechtes Gewissen den Regaleinräumer anschreien.
Wer im Supermarkt arbeitet, macht das nicht aus purer Nächstenliebe, sondern um die Miete zu bezahlen. Das ist kein humanitärer Einsatz, das ist ein Job. Und wenn der kacke bezahlt ist, dann ist das halt kacke. Vielleicht kann man das mal auf Werbeplakate schreiben. Nachhaltiger wäre das auf jeden Fall.
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