Corona-Krisenmanagement

Das Alphatier hat ausgedient

04:04 Minuten
Unter dem Tisch verschränkt Donald J. Trump seine Beine und Hände.
Donald Trump macht keine gute Figur. © dpa/ CNP/ AdMedia/ Doug Mills
Gedanken von Tanja Dückers · 29.05.2020
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Politikerinnen sind in der Coronapandemie die besseren Krisenmanager. Davon ist die Publizistin Tanja Dückers überzeugt. Denn im Gegensatz zu kraftmeiernden Alphatieren wie Trump und Boris Johnson sind Merkel und Co. bereit, Expertenrat anzunehmen.
Nicht einmal sechs Prozent der Regierungschefs weltweit sind weiblich. Schon aufgrund der kleinen Zahl von Frauen auf der höchsten Regierungsebene lässt sich daher kaum abschließend sagen, ob sie die besseren Corona-Managerinnen sind.
Dennoch lohnt es sich, einen Blick auf die derzeit in der Coronakrise amtierenden weiblichen Regierungschefs zu werfen. Denn es fällt auf, dass fünf von Frauen gelenkte Länder ein vergleichsweise gutes Krisenmanagement beweisen. Die Länder sind: Deutschland, Finnland, Dänemark, Neuseeland und Taiwan.
Die US-Journalistin Amanda Taub stellte kürzlich in einem Essay in der New York Times die Konzepte mehrerer Regierungschefinnen zum Umgang mit der Pandemie denen von Boris Johnson, Donald Trump und anderen gegenüber. Taub argumentiert, dass es eine Gemeinsamkeit in der Strategie aller von Frauen gelenkten Länder gebe, die Regierungschefs vermissen lassen, deren Länder besonders große Verluste in der Coronakrise zu verzeichnen haben: Und diese Gemeinsamkeit heißt "Erfolg".

Frauen hören eher auf den Rat anderer

Die eher niedrige Mortalitätsrate der genannten von Frauen angeführten Länder ist unbestritten. Ein wesentlicher Grund dafür sei, dass in diesen Ländern auffallend viele unterschiedliche Informationsquellen berücksichtigt würden, so Taub: Expert:innen aus unterschiedlichsten Fachrichtungen werden eingeladen, angehört, um Rat gebeten. Die weiblichen Regierungschefs hätten allesamt die Demut bewiesen, sich Einschätzungen Dritter anzuhören. Das sei der einzige Weg, um Gruppendenken und hieraus resultierende Betriebsblindheit zu vermeiden.
Wichtige Entscheidungen seien bei ihnen keine "Ein-Frau"-Entscheidungen gewesen, sondern durch Dialog entstanden. Auch in Deutschland: Die von Angela Merkel eingeladenen unterschiedlich positionierten Berater:innen und gesellschaftlichen Akteur:innen werden explizit erwähnt. Das genaue Gegenteil seien Trump und Johnson gewesen, die nicht auf Menschen hören wollten, deren Meinungen ihnen nicht opportun erschienen.
Draufgängerische Grundhaltungen, wie sie zum Beispiel von Trump, Johnson und Brasiliens Präsidenten Bolsonaro vertreten werden, scheinen sich für die Bewältigung der Coronapandemie besonders wenig zu eignen.

Autoritärer Führungsstil hilft in der Coronakrise nicht weiter

Dabei seien kraftvolles, aggressives Auftreten und die Suggestion von Angstfreiheit bisher stets mit Führungsstärke gleichgesetzt worden, so Alice Evans, Soziologin am King’s College in London. Diese tradierte Vorstellung eines "autoritär-energischen" Führungsstils hat es Frauen in der Politik stets schwer gemacht, wenn sie nicht in der Lage waren, männliche Verhaltensweisen erfolgreich zu adaptieren.
Doch die derzeitige Krise ist anders, der Feind kein anderes männliches Alphatier. Das Virus ist unbeeindruckt von kraftmeierischem Auftreten. Im Gegenteil: Es verschont eher die Ängstlichen mit Maske und die Vernünftigen, die zu Hause bleiben.
Donald Trump adressiert den Virus wie einen menschlichen Feind ("brilliant enemy") und glaubt immer noch, dass Maskenpflicht nur für andere Menschen zu gelten hätte. Über seinen demokratischen Kontrahenten Joe Biden macht er sich lustig, weil dieser eine Maske trägt. Dieser wirft dem Präsidenten Macho-Gebaren vor, welches Menschenleben kosten würde. Boris Johnson hat cool versucht, die Viren wie lästige Bürokrat:innen in Brüssel abzuschütteln. Beide Strategien sind gescheitert.
Möglicherweise entsteht für Regierungschefinnen nun aus einem bisherigen Nachteil ein Vorteil. Denn sie müssen nicht erst ein gängiges, aber erfolgloses Verhaltenskorsett ablegen, um diesem Feind zu begegnen.

Tanja Dückers, geboren 1968, Studium der Germanistik, Nordamerikanistik und Kunstgeschichte, lebt als Schriftstellerin und Publizistin in Berlin. Sie hat 18 Bücher veröffentlicht, darunter Romane, Erzählungen, Gedicht- und Essaybände. Sie lehrt regelmäßig als Gastprofessorin in den USA. Als Journalistin äußert sie sich zu soziopolitischen und ökologischen Fragestellungen.

© Anton Landgraf
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