Corona-Krise trennt Paare

Liebe am Grenzzaun

04:37 Minuten
An der deutsch-schweizerischen Grenze nahe Konstanz und Kreuzlingen umarmt sich ein Pärchen, das wegen der Grenzschließung zwischen Deutschland und der Schweiz nicht beisammen sein kann. Das Paar kann sich nur an der Grenze treffen.
Auf Liebesentzug wegen Corona: Wie dieses Paar an der Grenze zwischen Deutschland und der Schweiz leiden gerade viele andere unter der Grenzschließung. © picture alliance / dpa / Felix Kästle
Von Thomas Wagner · 03.04.2020
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Was deutsch-schweizerische Paare derzeit erleben, klingt nach Hollywoodschnulze, ist aber Realität: Liebespaare, die nicht zusammen sein dürfen und einander nur über den Grenzzaun hinweg berühren können. Der bleibt vorerst dicht.
"Schön ist ja, dass man sich wieder mal sieht, Face to Face, nicht nur übers Internet, über Skype, sondern einfach mal sich wieder sieht, auf eine anständige Distanz." – "Dass es so nah und doch so fern ist."

Bea und Markus beim "Rendezvous" der ungewöhnlichen Art. "Wir stehen hier am Zoll." – "Das ist der alte Grenzübergang Kreuzlingen-Konstanz." – "Jetzt ist schon komisch. Man fühlt sich fast wie ein Verbrecher, wenn man sich hier trifft." – "Wir sind ein Paar. Ich bin aus Konstanz." – "Ja, und ich komm' aus der Schweiz."
Sie: Wohnsitz Konstanz, auf deutscher Seite. Er: Wohnsitz Schweiz. Dazwischen sind nur ein paar Meter. Eigentlich. Seit Jahrzehnten war die deutsch-schweizerische Grenze am Bodensee als solche kaum mehr erkennbar. Kein Schlagbaum, kein Zaun – nur ein paar Hoheitsschilder. Hin- und Herlaufen, mit dem Fahrrad fahren, kein Problem. Kontrollen an den kleinen Übergängen für die Fußgänger: so gut wie keine. Und jetzt: Corona. Erstmals seit Jahrzehnten gibt es wieder einen Grenzzaun. Liebe durch den Maschendrahtzaun hindurch – mehr geht derzeit nicht mehr.

Geschlossen für unverheiratete Paare

"Wir sind keine Pendler", sagt Bea. Und Markus ergänzt: "Wir sind nicht verheiratet, nichts. Ein ganz normales Paar. Und deswegen sind für uns die Grenzen zu, richtig zu."
Das ist schlecht fürs Liebesleben. Mit einem Cüpli, das ist das Schweizer Wort für ein Glas Sekt, kann man sich über den Grenzzaun hinweg zuprosten, reden über den tristen Alltag im Zeiten von Corona. Aber, sagt Markus: "Das hier stresst mehr, das mit meiner Liebe: Dass wir uns eigentlich nicht mehr haben können."
Zwei Wochen lang haben sie sich nicht mehr gesehen. Dann kam die Idee mit der Begegnung am Grenzzaun, sagt Markus: "Ich habe vorhin zu meiner Partnerin gesagt: Es kommt mir vor wie beim ersten Date: Total aufgeregt, sich nach zwei Wochen wieder mal zu sehen. Und nachher müssen wir uns wieder trennen. Dann geht wieder jeder seinen Weg. Spannend."
Und ein bisschen traurig. Aber: Die Lage ist ernst. Und die beiden sehen ein: Die Einschränkungen müssen sein. "Also ich habe schon Verständnis für die Situation im Moment. Da müssen wir jetzt einfach durch", sagt Bea. Und Markus: "Das Verständnis ist definitiv da. Man darf es nicht unterschätzen, was momentan hier abgeht."

Tête-à-Tête am Grenzzaun

Nur: Das sehen nicht alle der gut zwei Dutzend Pärchen so, die sich an diesem sonnigen Nachmittag am deutsch-schweizerischen Grenzzaun treffen. Viele machen einen traurigen Eindruck, manche haben keine Lust, fotografiert zu werden oder im Radio über ihren Kummer zu reden. Und einige wollen nicht so recht einsehen, dass sie, obwohl manchmal schon lange ein Paar, in den schwierigen Corona-Zeiten einfach nicht zusammen kommen sollen – außer dem Tête-à-Tête am Grenzzaun.
Was empfindet man dabei? "Naja, das ist einfach Schwachsinn. Also schlussendlich ist es ja ein Witz: Man würde zusammen zuhause sein. Aber man darf nicht, weil er Deutscher ist und ich Schweizerin."
Elvira, Schweizerin, und Robert, Konstanzer, schauen sich ein paar Meter unterhalb, Richtung Bodenseeufer, durch den Maschendrahtzaun an, der sie, die doch so gerne zusammen sein möchten, jetzt trennt,
"Weil wir es verpasst haben, vorher zu heiraten. Wir dürfen uns auch nicht berühren. Das ist ja schon ein wenig absurd", fasst Robert die Situation zusammen.
Darf man wirklich nicht? Ein paar Meter oberhalb am Grenzzaun sehen das Bea und Markus ein klein wenig anders:
"Da komm ich nicht drum herum, wenn ich sie mal wieder sehe, dass ich sie gerne mal küssen möchte", sagt Markus. "Das habe ich natürlich gemacht. Na, sie ist meine Partnerin! Und jetzt, nur weil ein Zaun hier ist. Also ich wüsste nicht, was da jetzt verboten wäre. Also eine fremde Frau würde ich jetzt nicht küssen."
Bea lacht: "Ja, das ist sehr beruhigend!"
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