Corona in New York, Schweden, Indien

Angst, Alltag und Ausgangssperre

Von Silke Diettrich, Peter Mücke und Carsten Schmiester · 30.03.2020
Audio herunterladen
Ein Großteil der 1,3 Milliarden Inder soll die eigene Wohnung nicht verlassen. Die Angst vor dem Coronavirus ist groß. In New York zeigt sich, wie ein reiches Industrieland überfordert ist. Nur in Schweden herrscht noch weitgehend Alltag.
Für drei Wochen gilt eine landesweite Ausgangssperre, verkündete Indiens Premierminister Narendra Modi vor wenigen Tagen. Nur so könne die Ausbreitung des Coronavirus gestoppt werden. Aktuell gibt es laut Johns-Hopkins-Universität mehr als 1000 Infizierte in Indien. Experten gehen von einer hohen Dunkelziffer aus, weil nur wenig getestet wird. Es droht eine starke Ausbreitung des Virus auf dem Subkontinent.

Die größte Demokratie der Welt unter Hausarrest

Die Ärmsten dürfte es vor allem treffen, weil sie mit mangelnder Hygiene und in großer physischer Nähe in Slums leben. Auch zehntausende Wanderarbeiter, die nun aus den größeren Städten in ihre Heimatdörfer zurückkehren müssen, leiden unter den Folgen: Sie sind obdach- und arbeitslos geworden und versuchen nun zu Fuß, oft hunderte Kilometer nach Hause zu laufen, weil es auch kaum noch Transportmöglichkeiten gibt.
Wer gegen die Ausgangssperre verstößt, wird hart von der Polizei bestraft. So zeigen es unzählige Videos in den sozialen Netzwerken - zum Teil von Polizisten selbst gefilmt. In einem aus dem Norden werden Männer gezeigt, die Kniebeugen machen müssen und sagen: "Wir sind die Feinde unserer Gesellschaft, weil wir nicht zu Hause sitzen." Denn, wer "ohne Grund" auf der Straße erwischt wird, kann zu Haftstrafen von bis zu zwei Jahren verurteilt werden.
Der Gesundheitsexperte Jha aus Harvard befürchtet, dass sich 40 Prozent der Menschen anstecken könnten: Dann wären 70 Millionen Menschen auf Pflege im Krankenhaus angewiesen, 20 Millionen bräuchten Intensivpflege. Das könnte kein Land der Welt meistern.

New York ist der Corona-Hotspot in den USA

In den USA haben sich mittlerweile mehr als 140.000 Menschen mit dem Coronavirus infiziert. So viele wie in keinem anderen Land. Lange Zeit hatte US-Präsident Trump die Gefahr geleugnet und nur zögerlich agiert. Jetzt trifft es seine Heimatstadt am stärksten. 56 Prozent aller neuen Infektionen würden in New York festgestellt, so der Direktor des Nationalen Instituts für Infektionskrankheiten, Anthony Fauci, gegenüber CNN. Einer Abriegelung des Staates New York hatte Trump per Twitter eine Absage erteilt: "Eine Quarantäne wird nicht notwendig sein."
New Yorks Bürgermeister Bill de Blasio bereitet die Stadt derweil auf das Schlimmste vor. Notkrankenhäuser aus Zeltplanen werden eifrig errichtet, um den erwarteten Ansturm von Intensivpatienten zu bewältigen. Zudem fehle es an Masken, Schutzkleidung, Beatmungsgeräten und medizinischem Personal. "Hier in New York fühlt es sich wortwörtlich an wie zu Kriegszeiten", sagte de Blasio.

Schwedens Sonderweg

In Schweden gehen die Kinder weiter zur Schule oder dürfen auf Spielplätze. Auch das Geschäfts- und Nachtleben läuft fast wie sonst auch. Die Skandinavier gehen einen Sonderweg in Europa. Zwar gibt es Ratschläge, mehr im Homeoffice zu arbeiten, keine älteren Bekannten zu treffen und Menschenmassen zu vermeiden, aber die Regierung hat keine Kontakt- oder Ausgangssperren verhängt.
Bisher haben sich 3700 Menschen in Schweden mit dem Coronavirus infiziert. Der Verdopplungszeitraum ist mit sieben Tagen länger als in Mitteleuropa. Schweden sei also in einer stabilen Lage, meint Epidemiologe Anders Tegnell von der Agentur für Volksgesundheit, der Vorgaben für die Regierung erstellt. Trotzdem werden in Stockholm derzeit Intensivbetten nachgerüstet, weil die bisherigen Kapazitäten für den Höhepunkt der Epidemie mutmaßlich nicht reichen.
Mehr zum Thema