Corona-Hilfe für Künstler

Musikrat nimmt Wirtschaftsminister Altmaier in die Pflicht

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Übergroße Hände drohen auf dieser Illustration, einen Mann zwischen den Backen einer Schraubklemme zu zerquetschen.
Ohne Auftritte, ohne Ausstellung: Viele Künstler fühlen sich zur Zeit in ihrer Existenz bedroht. © imago images / Ikon Images / Andy Baker
Christian Höppner im Gespräch mit Andreas Müller · 21.04.2020
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In Sonntagsreden werde die Kultur immer herausgehoben, sagt der Generalsekretär des Deutschen Musikrates, Christian Höppner. Nun, in der Zeit der Corona-Beschränkungen, seien Künstler in Existenznot und bräuchten Hilfe – rasch und ohne Rückzahlung.
Ende März kam das große Hilfspaket von Bund und allen Ländern. Finanzielle Hilfe, gerade auch für Solo-Selbständige, sollte es geben. Und der Vorzeigefall für Solo-Selbständigkeit war damals der freiberufliche Künstler und die freiberufliche Künstlerin. Je nach Bundesland haben sie bisher unterschiedlich Hilfe und Unterstützung erhalten.
Drei Wochen später aber stehen Auto- und Möbelhäuser, Fußball, Geschäfte, Restaurants und Schulen im Mittelpunkt der Diskussion. Von Solo-Selbständigen und ganz besonders von Künstlern und Künstlerinnen ist kaum noch die Rede – dabei verschärft sich gerade die Lage für diese dramatisch, wenn auf unabsehbar lange Zeit alle Konzerte ausfallen.
In dieser Situation hat gestern der Deutsche Musikrat einen Offenen Brief an Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) geschrieben. Der Generalsekretär des Musikrates, Christian Höppner, sagt, das Schreiben sei ganz bewusst an den Wirtschaftsminister gegangen. Kulturstaatsministerin Monika Grütters (CDU) habe einen tollen Job gemacht, als sie am Anfang der Corona-Krise das Milliarden-Paket der Regierung auch für die Kultur geöffnet habe. "Aber Kultur ist eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe, die alle Ressorts betrifft", sagt Höppner nun.

Ein Brief an den Wirtschaftsminister

Peter Altmaier sei als Bundeswirtschaftsminister auch für die Kreativindustrie zuständig, so Höppner. Er müsse nun den Schalter umlegen und im Bundeskabinett ein Nachsteuern anstoßen. Es gehe darum, Regeln für die Solo-Selbständigen zu treffen, "die tatsächlich dem Berufsbild gerecht werden", verlangt Höppner.
Das Hauptproblem sei, dass Künstler, steuerlich gesehen Kleinstunternehmer, im Sturzflug auf Arbeitslosengeld II verwiesen würden. Die Hilfsmaßnahmen würden nicht greifen, sagt Höppner. "Es macht zum Beispiel keinen Sinn für Künstler und Künstlerinnen, Kredite zu beantragen" – die würden sie zum einen gar nicht kriegen und zum anderen könnten sie diese auch nicht zurückzahlen. Daher Höppners Forderung: "Es bedarf der raschen, unbürokratischen Hilfe, jetzt - und zwar nicht rückzahlbar."

Freude über ein befristetes Grundeinkommen

Künstler, deren Durchschnittsverdienst im Jahr laut Künstlersozialkasse bei rund 14.000 Euro liege, ständen jetzt bei Null, betont Höppner. Die Kosten liefen aber alle weiter.
Daher freut sich Höppner, dass die Idee, die der Musikrat schon im März ins Spiel gebracht hat, nämlich Künstlern einen Pauschalbetrag zu überweisen, teilweise Realität geworden ist. Das Konzept eines für sechs Monate befristeten Grundeinkommens für Künstler habe Kinder bekommen, so der Generalsekretär des Musikrates.
Baden-Württemberg zahle jetzt eine Pauschale von 1180 Euro, Bayern ziehe mit 1000 Euro nach – Ministerpräsident Markus Söder (CSU) habe in seiner Regierungserklärung auch explizit gesagt, dass bei den bestehenden Regeln die Solo-Selbständigen durchs Raster fielen.

Sonntagsreden und Montagshandeln

Auf die Frage, ob Kultur jetzt doch wieder auf ein Luxusproblem zurückgestutzt wird, sagt Höppner: "Den Eindruck kann man gewinnen. Das ist die Diskrepanz zwischen Sonntagsreden und Montagshandeln." Kulturstaatsministerin Grütters wolle er dabei aber ausnehmen, betont Höppner.
Die Systemrelevanz von Kultur, die parteiübergreifend bestätigt werde, müsse sich jetzt im Praxistest beweisen, fordert Höppner. "Ganz konkret jetzt in der Überlebenshilfe. Das ist eine soziale Dimension und hat eine gesellschafts- und kulturpolitische Relevanz. Denn wenn wir diese kulturelle Vielfalt jetzt nicht schützen, dann wird uns das auf Jahre hinaus kaputt gehen."
(mfu)
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