Cornelia Schmalz-Jacobsen

"Es gab verschiedene Wege der Rettung "

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Cornelia Schmalz-Jacobsen, FDP-Politikerin und ehemalige Senatorin für Familie und Jugend in Berlin © Deutschlandfunk Kultur/ Mareike Knoke
Moderation: Ulrike Timm · 23.05.2017
Ihre Eltern retteten Juden vor den Nazis, sie selbst war später eine Politikerin, der Haltung mehr bedeutete als politisches Kalkül: Cornelia Schmalz-Jacobsen. Sie steht noch immer für eine linksliberale FDP, die es heute so nicht mehr gibt.
Bekannt wurde Cornelia Schmalz-Jacobsen als eine der großen Damen der FDP: Vom Münchner Stadtrat über den Berliner Senat bis zum Bundestag durchlief die ehemalige Generalsekretärin ihrer Partei und langjährige Ausländerbeauftragte der Regierung Kohl viele Stationen mit politischer Verantwortung. Ihre liberale Grundeinstellung erlaubte ihr nicht immer, alle Regierungs- und Parteibeschlüsse mitzutragen.

Vater rettete Juden in Galizien

Ihre Eltern fühlten sich im Nationalsozialismus der Menschlichkeit und dem Anstand verpflichtet und retteten in Berlin und Galizien viele Juden vor den Nazis.
"Es ging damit los, dass meine Eltern solange mein Vater noch in Berlin war, nähere und fernere jüdische Bekannte versteckt und weitergeleitet haben."
Ihr Vater sei dann als Landwirtschaftsexperte nach Galizien eingezogen worden und als er die verzweifelte Lage der galizischen Juden sah, habe er sich dafür entschieden, sein Leben weiter für die Rettung von Juden einzusetzen.
"Da hatte er sich dann überlegt, wenn ich hier weitermache mit Judenrettung, bin ich zu 95 Prozent tot. Und damit war er ruhig, er wusste, es ist absolute Gefahr. Er hat Juden zu essen besorgt, hat sie in seiner Dienstwohnung versteckt, er hat eine Farm gegründet, wo er 200 junge Juden beschäftigte. Er wusste, wann eine so genannte Aktion kommt und hat dann gesagt ´bringt mal Eure Eltern mit`. Es gab verschiedene Wege der Rettung und man kann nie eine genaue Zahl sagen. Es gab auch die, die dann später erwischt wurden. Wichtig ist der Satz aus dem Talmud: ´Wer ein Leben rettet, rettet die ganze Welt.`"

Da ihre Eltern mit ihrem Einsatz für die Rettung von Juden ein hohes persönliches Risiko eingingen, erlebten Cornelia Schmalz-Jacobsen, ihre Eltern und ihre Geschwister das Ende des Krieges als große Befreiung. Die unmittelbaren Monate nach der Kapitulation Deutschlands im Mai 1945 beschreibt Cornelia Schmalz-Jacobsen in ihrem Buch "Russensommer" als eine Zeit, in der sie die Freiheit entdeckte.

Gute Erinnerungen an die russischen Soldaten

Ihr Onkel hatte sie auf die Befreiung durch die Russen vorbereitet, indem er ihr und ihrem Cousin Russisch beibrachte. Bei der Befreiung war Cornelia Schmalz-Jacobsen zehn Jahre alt. Sie befreundete sich mit einem russischen Soldaten, den sie bis heute in sehr positiver Erinnerung hat.
"Nikolai war 18, ich war zehn. Er zeigte mir eines Tages ein Foto und sagte: ´Jelena, meine Schwester, ich habe große Sehnsucht.` Mein Bruder Konstantin war damals schon in russischer Kriegsgefangenschaft. Ich hatte auch Sehnsucht, aber ich habe es nicht gesagt. Es entwickelte sich eine sehr besondere Freundschaft. Wir haben gar nicht so schrecklich viel gesprochen, obwohl wir das hätten tun können. Im Nachhinein denke ich, gerade dieser junge Soldat hat aufgeatmet. Er war mit 17 eingezogen worden. Er muss schreckliche Sachen im Krieg gesehen haben, vielleicht auch getan haben. Es war Ruhe, der Krieg war vorbei. Ich war erleichtert. Es war eine wunderbare Zeit. Wir haben zusammen die Pferde zur Tränke geritten, wir haben zusammen gesungen. Dann konnte er Krakoviak tanzen. Bewundernswert!"
Der bis heute weit verbreitete einseitige Blick vieler Menschen in Deutschland auf die russischen Soldaten als grausame Vergewaltiger habe sie gestört. Die Befreiung Deutschlands sei auch der Roten Armee zu verdanken. Außerdem hätten die Russen die meisten Todesopfer zu beklagen gehabt.
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