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Werden zu viele Serien produziert?

Kevin Spacey spielt Frank Underwood in "House of Cards"
Kevin Spacey spielt Frank Underwood in "House of Cards" © picture-alliance / dpa / Melinda Sue Gordon
Von Kerstin Zilm  · 09.02.2016
Die Auswahl an Serien im Fernsehen ist groß: Krimis, Dokus, Komödien und Dramen plus Reality-Fernsehen von "Dschungelcamp" bis "Deutschland sucht den Superstar". Doch kann es ein Zuviel des Guten geben? Schon wird vor einer "Fernseh-Blase" gewarnt.
Es gibt so etwas wie "zu viel Fernsehserien"! Und dieser Zustand ist in den USA vermutlich erreicht. Mehr als 400 Drehbuch-Serien laufen derzeit in den USA. Zählt man Realty-Shows und Doku-Serien dazu, kommt man auf mehr als 1400 Serien. Selbst professionelle Fernsehkritiker sind überwältigt und können Zuschauern nur noch bedingt bei der Navigation helfen. Das gab Kim Masters, Kritikerin des Fachblatts Hollywood Reporter, in ihrer Radiosendung zu:
"Ich habe das Gefühl, in Serien zu ertrinken. Ich höre überall, dass die zweite Staffel von Fargo mit das Beste ist, was es jemals im Fernsehen gegeben hat. Die DVDs liegen seit Monaten in meinem Wohnzimmer, wie viele andere DVDs und ich komme einfach nicht dazu sie anzuschauen."
Sender müssen sich Sorgen machen
Das Überangebot führt zu sinkenden Einschaltquoten. Neue Serien brauchen ein Riesen-Werbe-Budget, damit sie überhaupt wahrgenommen werden zwischen den Erfolgen von "Game of Thrones", "Orange is the New Black", "Big Bang Theory", "House of Cards", "Empire" und "Transparent". Ganz abgesehen von den unzähligen Zombie- und Krimiserien, Talent-, Heimwerker- und Kochshows auf allen Kanälen. John Landgraf, Geschäftsführer des FX-Netzwerks warnt vor einer Fernseh-Blase, die demnächst platzen könnte. Fernsehkritiker Matt Belloni sagt: Sender müssen sich Sorgen machen. Im Wettrüsten um Zuschauer und Einschaltquoten stecken sie Millionen in Serienentwicklung und -produktion. Im Durchschnitt kostet eine Folge über eine Million Dollar - von 500.000 für Reality-TV bis sechs Millionen für "Game of Thrones". Pro Folge.
"Es ist kein Problem für die Durchschnittszuschauer. Sie können aus diesem wunderbaren Angebot an Serien auswählen und anschauen, was sie wollen. Es ist wie in einer Bibliothek oder einem Buchladen. Die Netzwerke werden sich gesund schrumpfen müssen. Es gibt eine begrenzte Menge an Geld für Werbung und an Kunden."
FX-Geschäftsführer John Landgraf sagt dagegen: Die Zuschauer sind mit auf der Verliererseite, weil exzellente Shows aus finanziellen Gründen gestrichen werden bevor sie sich im übersättigten Markt durchsetzen konnten. Zum Beispiel: "The Comedians", eine von Kritikern hochgelobte Komödienserie mit Hollywood-Star Billy Crystal wurde 2015 nach 13 Folgen abgesetzt. Ein Gerichtsdrama mit Oscar-Gewinnerin Halle Berry überlebte nur zwei Staffeln. Die sind jetzt über den Streamingdienst Amazon zu sehen. John Landgraf:
"Manchmal wirst du einen Glückstreffer landen und etwas produzieren, was die Leute einfach sehen wollen. Du kannst es nicht planen. Es ist als würdest du im Lotto gewinnen. In der Regel musst du wirklich gute Shows produzieren und zwei, drei oder vier Staffeln davon senden. Zuschauer werden die Serien selbst bei guter Werbung nicht finden, wenn sie nur ein Jahr lang laufen."
Kabelsender können sich das Glücksspiel vermutlich nicht mehr lange leisten. Ihnen laufen Werbepartner davon weil Zuschauer zunehmend auf Streamingdienste setzen. Die erlauben ihnen, anzuschauen was sie wollen, wann sie wollen und wo sie wollen. TV-Serien sind für Netflix, Amazon und Hulu Teil der Geschäftsstrategie. Amazon produziert sie, um Zuschauer in den Prime-Dienst zu locken, über den sie dann mehr Socken, Seife und Katzenfutter bestellen sollen. Netflix geht es um mehr zahlende Abonnenten weltweit. Fernsehkritiker Matt Belloni:
"Landgraf ist frustriert, weil auch FX in diesem Jahr ein paar gute Shows streichen musste, in die sie viel Arbeit gesteckt hatten. Sie sind im Keim erstickt. Gleichzeitig produzieren die Streamingdienste riesige Mengen an Inhalt. Netflix hat fast jedes Wochenende eine neue Show oder einen aufwändigen Film und scheinbar unendlich viel Geld dafür."
Streaming-Dienste veröffentlichen keine Zuschauerzahlen
So soll zum Beispiel die neue Netflix-Serie "Marco Polo" pro Folge neun Millionen Dollar kosten. Wie viele sie sehen, ist unbekannt. Streaming-Dienste veröffentlichen in den USA keine Zuschauerzahlen. Ihre Einschaltquoten werden nicht gemessen. Das wird sich irgendwann rächen, sagt FX-Chef Landgraf:
"Wenn wir von der Voraussetzung ausgehen, dass Fernsehen ein Massenmedium ist, musst du irgendwann mit deinem Produkt Massen erreichen. Zu viele Serien, zu viele neue Produktionen schaffen eine Blase. Blasen verlieren irgendwann ihre Luft. Dann kommt man zurück zu einem Geschäftsmodell, das zukunftsfähig ist mit einer vertretbaren Zahl von Serien."
Bis dahin läuft das Geschäft gut für Drehbuchautoren, Produzenten, Kulissenbauer und alle anderen, die an der Blasen-Produktion beteiligt sind. Sie sollten sich allerdings möglichst schnell auf schlechtere Zeiten einstellen. Angeblich liegt die Zukunft von Kabelfernsehen jetzt in aufwendigen Live-Ereignissen.
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