Computerspiele

Wenn die Epidemie ausbricht

Junge mit Computerspiel
Spielen am Computer: Ratten dienen in Epidemien als Waffenträger © picture alliance / dpa / Foto: Maximilian Schönherr
Von Marcus Bösch · 07.04.2016
In "Vax!" muss man den Krankheitsausbruch bekämpfen, in "Plague Inc." hingegen für das Aussterben der Menschheit durch eine Seuche sorgen - wie Epidemien funktionieren, kann man spielerisch am Computer lernen.
Das Spiel "Plague Inc." fängt harmlos an: Irgendwo auf der Weltkarte, in Südafrika, beginnt das Leben jenes Krankheitserregers, der bald den ganzen Planeten befallen, Millionen töten und die Menschheit in Angst und Schrecken versetzen wird.
Die Spielerinnen und Spieler sind aber nicht mit der Bekämpfung dieser Seuche beschäftigt. Im Gegenteil: Sie lenken die Ausbreitung, Mutation und Entwicklung dieser heimtückischen Krankheit. Das Ziel: Pandemie – die Menschheit auszulöschen, bevor sie ein Gegenmittel findet.
Zu Beginn sind sowohl Ausbreitung als auch Gesundheitsgefahr unseres Virus, unseres Bakteriums oder Pilzes gering. Erst mit zunehmender Verbreitung und Spieldauer lässt sich die Evolution des Pathogens in apokalyptische Bahnen lenken: Eine gezielte Mutation aus den verschiedenen Möglichkeiten ausgewählt, und plötzlich kann sich unsere Seuche per in Echtzeit dargestelltem internationalen Schiffs- und Flugverkehr verbreiten.

Die Ratte als guter Übertragungswirt

Ein weiteres Upgrade, und mit einem Mal erschließt sich ein neuer Übertragungswirt, etwa die besonders in urbanen Gebieten heimische Ratte, die in den Ballungszentren des Planeten für Neuerkrankungen im Tages-, später im Stundentakt sorgt.
Später im Spiel lassen wir den zunächst harmlosen Krankheitserreger weiter mutieren und gewinnen eine Vielzahl neuer Symptome hinzu: Atemwegserkrankungen, Durchfall, Schlaflosigkeit, Paranoia. Viele dieser Symptome wirken sich direkt auf weitere Übertragungsmöglichkeiten aus.
Erst mit zunehmender Gefährlichkeit reagiert die Weltgemeinschaft träge auf die sich ausbreitende Pandemie, wird mit der Erforschung eines Wirkstoffes begonnen. Hier ist Spielerstrategie gefragt: Ein Virus, der sich hauptsächlich im heißen, armen Süden der Welt festsetzt, kann sich länger ungestört entwickeln als im reichen Norden, wo die großen Forschungsbudgets liegen.
Es braucht Heimtücke, Macchiavellismus und eine gehörige Portion Allerweltszynismus, um die beste Strategie zu finden. Wer zu früh zur aggressiven Superseuche mutiert, läuft Gefahr, seine Wirte schneller zu töten, als sie neue Opfer anstecken können. Separat erhältliche Szenarios simulieren reale Pathogene wie die Pest oder mögliche Auswirkungen der globalen Erwärmung auf die globale Krankheitsverbreitung.

Konzeptuell zynisch, aber spannend zu spielen

Was konzeptuell zynisch klingt, erweist sich als spannendes, aber stets nüchternes Strategiespiel, das zwar in seiner grundlegenden Spielmechanik – der zielgerichteten, dank Spieler planmäßigen Mutation des Krankheitserregers, die zusätzlich immer global geschieht – fern der biologischen Realität ist.
Dennoch bleibt "Plague Inc” in Sachen Epidemiologie exakt und wirklichkeitsnah genug, um mehr als nur Spielzeug zu sein. Schon 2013 würdigte das US-amerikanische CDC (Centers for Disease Control and Prevention), die für Infektionskrankheiten zuständige US-Bundesbehörde, das populäre Spiel mit einer Einladung seines Schöpfers James Vaughan: "Plague Inc”, seit seiner Veröffentlichung 2012 weit über 25 Millionen Mal verkauft, schaffe es besser als die meisten öffentlichen Kampagnen, ein höheres öffentliches Bewusstsein für Epidemiologie, Krankheitsübertragungsmechanismen und mögliche Pandemie-Abläufe zu schaffen.

"Plague Inc." ist erhältlich für Windows, Mac, Linux sowie iOS, Android und Windows Phone

Mitch Emhoffs zweite Ehefrau Beth kehrt von einer Dienstreise aus Asien zurück. Sie hustet zunächst, dann sieht sie verschwommen und bricht später zu Hause zusammen. Sie wird ins Krankenhaus gebracht und stirbt dort.
So beginnt der Thriller Contagion des amerikanischen Regisseurs Steven Sonderbergh aus dem Jahr 2011. Und auch wenn der Film reine Fiktion ist, zeigt er doch, wie rasant sich Krankheiten in Zeiten der Globalisierung verbreiten können. Egal ob die Schweinegrippe, SARS oder Ebola.
Die Ebolafieber-Epidemie, die 2014 in mehreren westafrikanischen Ländern ausbrach, gilt nach der Zahl der erfassten Erkrankungen und Todesfälle als bisher größte ihrer Art. Nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation erkrankten im Verlauf der Epidemie – einschließlich der Verdachtsfälle – bisher 27.049 Menschen an Ebolafieber, von denen 11.149 starben (Stand: Mai 2015).
"Vax!", ein kleines browserbasiertes Spiel, zeigt, wie sich eine Krankheit in einem Netzwerk ausbreitet. Ein einfaches Konzept, das im Gegensatz zum oben genannten Katastrophenfilm auf Abstraktion und Interaktion setzt. Denn die Aufgabe des Spielers ist es, die Ausbreitung einer Epidemie zu verhindern.

Warum Impfen wichtig ist

"Vax!" ist ein Spiel über epidemische Prävention. Und eine interaktive Lernumgebung", schreiben die Macher des Spiels Ellsworth Campbell und Isaac Bromley von der Penn State University auf der Website des Spiels. Das Spiel soll aufzeigen, warum Impfen wichtig ist, wie die so genannte Herdenimmunität funktioniert und wie sich Epidemien ausbreiten.
Beim Öffnen der Website bietet Vax eine kleine geführte Tour an, die Schritt für Schritt einmal durch das Spiel führt und die zentralen Begriffe Netzwerke, Epidemien, Impfstoffe und Quarantäne einführt. Im so genannten "Full Game" Modus kann man dann direkt loslegen und verschiedene Schwierigkeitsgrade und optionalen Einstellungen wählen und spielen.

In der Schlichtheit liegt der besondere Reiz

Das schlicht gehaltene Interface besteht aus einem Netzwerk – grau Punkte und Verbindungen. Es gilt, durch geschicktes Auswählen Teile des Netzwerks zu isolieren, um die Verbreitung der Krankheit – hier dargestellt durch rote Punkte – einzudämmen.
So weit, so schlicht. Trotzdem oder vielleicht gerade deswegen entfaltet Vax einen besonderen Reiz. Das einige Punkte ausreichen, um für dauerhaften Spielspaß zu sorgen, zeigen kommerzielle Apps wie Dots.
Eine schöne kleine interaktive Erfahrung, die zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema Epidemien, Impfen und Quarantäne anregt. So verweisen die Macher in den FAQs auch direkt auf weitere Informationsquellen, u.a. einen kostenlosen Onlinekurs des Center for Infectious Disease Dynamics und der Penn State University mit dem Titel "Epidemics – the Dynamics of Infectious Diseases".
Das Spiel steht unter einer Creative Commons Lizenz. Der Code befindet sich bei GitHub, dort soll man auch über eventuelle Fehler im Spiel berichten. Ärgerlich und als Fehler bereits gemeldet, das im Chrome Browser Text abgeschnitten wird. Ein kleines Manko, das den guten Gesamteindruck aber kaum trügt.

Mehr Informationen zum Computerspiel "Vax!" auf der Webseite "Science Games"

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