Computerspiel "Paperknife"

Werden Sie der Psychotherapeut für Siobhán

Eine Hand bedient eine Computermaus.
Ein Dialog mit dem Psychotherapeuten als Spiel - kann das funktionieren? © AFP / Robyn Beck
Von Timo Grampes · 14.01.2015
Bisher besteht das Computerspiel "Paperknife" nur aus einem Level - aber das hat es in sich. Der Spieler ist der Psychotherapeut für die Teenagerin Siobhán Rosenhan und ob er weiterkommt, hängt von seinem Gesprächsgeschick ab. Das macht zwar kein Vergnügen, fördert aber die Empathie, meint unser Rezensent.
Mitten im Trauma kriege ich tatsächlich sowas wie Angst. Es ist die Angst, das Falsche zu sagen, zu wenig einfühlsam zu sein zu sein, mein Gegenüber zu verlieren. Dabei bin ich nur ein Strichmännchen in einem Online-Game!
Als Psychotherapeutin Dr. Joanna Dowell wandle ich durch das Seelenlabyrinth von Siobhán Rosenhan. Sie ist Teenager, meine Mittwochs-10-Uhr-Patientin - und traumatisiert. Wir sprechen über ihre Angst vor Hunden. Sie erzählt, wie das anfing, wie ihr das heute noch zusetzt - und ich habe die Chance, sie ernst zu nehmen. Allerdings kann ich meine Patientin direkt weder sehen noch hören. Der Dialog, den wir miteinander haben, ist wüst an Wände gekritzelt, an denen ich vorbeilaufe - über breite, hell flackernde Gänge, unterlegt von einem unheilvoll-psychedelischem Score. Wie sich der Dialog entwickelt, hängt von mir ab. Immer wieder lande ich vor mehreren Trennwänden aus Papier, die mir ganz unterschiedliche Reaktionsmöglichkeiten bieten, von anteilnehmend bis schnippisch.
Beispiel: Siobhán wertet sich selbst ab und sagt: "It's silly" - wirklich dumm, was ich gesagt habe. Ich kann sagen: "No it's not" - gar nicht dumm. Oder: "Well, tell me anyway" - nach dem Motto: Ja ja, erzähl' mal trotzdem. Habe ich mich für eine der Antworten entschieden, schneide ich die Trennwand mit einem Papiermesser durch - Paperknife. Dann erst kann ich weitergehen. Es gibt dann kein Zurück mehr, keine Umkehr zur anderen Trennwand, zum anderen Weg. Mitunter bereue ich, was ich sage - und versuche, es geradezubiegen. Antworte oder frage ich unsensibel, verschwimmen meine Strichmännchen-Konturen, die Musik wird noch unheilvoller, die Gänge flackern noch mehr. Ich spüre, dass ich etwas falsch gemacht habe - und wie schwierig es ist, das Richtige zu tun.
Prototyp mit einem Level
Den Spiele-Entwicklern Fionn Murray und Tiago Roldão, zwei Studenten aus Dublin, gelingt in ihrem Game-Prototypen, der bisher nur aus diesem einen Level besteht, mit einfachsten visuellen und musikalischen Mitteln etwas sehr Eindringliches. Therapeutische Verantwortung wird spürbar, ebenso der psychoanalytische Übertragungsbegriff - Patientin wendet verdrängte Kindheitsgefühle auf heutige soziale Begegnungen an, auch auf die Begegnung mit mir. Als Therapeut kann ich nun selbst das gekränkte Kind sein, wenn's von meiner Patientin Gegenwind gibt - oder sowas wie ein verstehender Freund. Gelingt mir Letzteres, fühlt sich das gut an. Dass es gleich gelingt, ist unwahrscheinlich: Viele Antworten führen zu Game Over, nur wenige ins Ziel. Dranbleiben lohnt sich - umso mehr.
Fazit: Ein Spiel, das kein Vergnügen bereitet, aber Empathie fördert.