Computerspiel "Bokida - Heartfelt Reunion"

Fesselnde Ästhetik

Screenshot aus dem Computerspiel "Heartfelt Reunion" von Bokida
Screenshot aus dem Computerspiel "Heartfelt Reunion" von Bokida © Bokida
Marcus Richter im Gespräch mit Max Oppel · 01.06.2017
Normalerweise sind riesige Schluchten in Computerspielen kaum zu überwinden. Anders bei "Bokida - Heartfelt Reunion", wo mithilfe schwebender Bausteine auch entlegenste Orte erreichbar werden. Doch man braucht Geduld, viel Geduld.
Max Oppel: Die grundlegende Motivation des menschlichen Spiels ist oft: Die Herausforderung, das Besiegen, das Gewinnen. Bei "Bokida – Heartfelt Reunion" geht es dagegen besinnlich zu. Es geht um "ein von Herzen herbeigewünschtes Wiedersehen". Marcus, wer will sich denn da wiedersehen?
Marcus Richter: Das ist nicht ganz klar, das Spiel gibt sich von Anfang an abstrakt schwammig mysteriös. Zu sehen ist ein Yin und Yang Symbol und es sind das schwarze und das weiße Auge in den Symbolen, die sich voneinander entfernt haben: Man könnte sagen: Die perfekte Vereinigung, die das Symbol ja repräsentiert hat sich gelöst und soll jetzt wieder zusammenfinden.
Diese asiatisch angehauchte Mystik wird noch dadurch verstärkt, dass das Spiel nur auf Koreanisch – mit deutschen Untertiteln – mit uns spricht und auch in der Spielwelt koreanische Schriftzeichen verteilt sind, die Sinnsprüche oder Geschichtsfetzen erscheinen lassen. Hier wird man zum Beispiel dafür gelobt, dass man Monolithen, die in der Landschaft verstreut sind aktiviert hat und aufgefordert weiter zu suchen.

Verquaste Geschichte

Max Oppel: Das klingt ja trotz des geheimnisvoll-emotionalen Titels so, als gäbe es eine ganz klassische Aufgabe: Rette die Prinzessin, in dem du das Geheimnis löst. Wie weit trägt die Geschichte denn – und wie spielt sich das dann?
Marcus Richter: Die Geschichte stellt sich tatsächlich schnell als Kalenderspruchverpackung heraus – die war für mich so verquast, die habe ich schnell ignoriert: Das Spannende ist wirklich das eigentliche Spiel.
Die Welt ist dreidimensional – aber monochrom, nicht ganz, weil es auch Grautöne gibt – aber zum Anfang nur schwarz oder weiß. Verstreut in einer weiten, weiten Landschaft sind Gebäude, die an Tempel erinnern, Ruinen und massive Berge – die zum Teil aus schwebenden Felsen bestehen.
Steht man still wirkt das wie ein sehr kunstvoller Scherenschnitt – in dem man sich dann aber richtig bewegen kann – das ist eine sehr minimalistische, aber total fesselnde Ästhetik.
Max Oppel: Aber all das wirkt eher wie ein Kunstwerk, eine Installation – als ein Spiel, wie kann ich denn mit dieser Welt interagieren?
Marcus Richter: Die Monolithen, von denen ich eingangs sprach, sind in diesen Ruinen versteckt und wollen aktiviert werden, dazu müssen einfache Rätsel gelöst werden, zum Beispiel indem mit Hilfe von Bausteinen Energiestrahlen umgelenkt und in ein Ziel geführt werden. Und es gibt sogenannte Echos zu finden – das sind einfach Kugeln in der Spielwelt – die sind mal einfach, mal schwer zu erreichen, auch das geschieht mit Hilfe der Bausteine.
Und diese Bausteine sind der eigentliche Clou an Bokida: Sie bringen Farbe in die monochrome Welt, lassen sich beliebig stapeln und aneinander kleben, beschneiden und können sogar schweben. Damit werden normal unerreichbare Orte erkundbar – ein Bruch mit anderen Spielen, wo solche Distanzen wie riesige Schluchten einfach unüberwindbar sind.
Damit bricht Bokida mit gewohntem Computerspielverhalten: Die Welt ist karg – aber gleichzeitig ist viel mehr möglich als in anderen Spielen.

Zu viel Leerlauf

Max Oppel: Und hat dich das dann auch langfristig fesseln können?
Marcus Richter: Ich muss zugeben: Nein. Man kann Bokida auf zwei Arten spielen: Entweder um das Spiel zu lösen, also alle Monolithen zu finden. Dafür ist es aber zu weitläufig, zu behäbig, zu verschlossen – zu frustrierend. Zu oft musste ich gefühlt Kilometer durch langweilige weiße Landschaft laufen, bin abgestürzt, weil die Steuerung zu schwammig ist. Wenn man an einem Ort mit einem Rätsel ist, ist es spannend – aber es gibt zu viel Leerlauf, den auch die Ästhetik nicht befriedigend ausfüllt – das kann zum Beispiel "The Witness" besser.
Das andere ist einfach mit den Bausteinen zu spielen und damit die Welt zu erkunden – aber da sind die Möglichkeiten dann doch sehr eingeschränkt, da wirkt es fast wie ein minimalistisches Minecraft – ohne aber dessen Brillanz an kreativem Potential zu erreichen.
Es wirkt auf mich wie eine Ansammlung von guten Ideen, die noch ein wenig in die Länge gezogen wurden, um ein ganzes Spiel draus zu machen – und das entspricht tatsächlich ein bisschen der Geschichte: Bokida ist aus einem Gamedesign-Abschlussprojekt entstanden.
Es ist somit ein interessantes, aber eben auch unzugängliches Erstlingswerk des französischen Indie-Teams Rice Cooker Republic – interessant genug, um gespannt zu sein, was da als nächstes kommt. Aber Bokida kann ich wirklich nur denen empfehlen, die viel Geduld haben und sich an Minimalismus erfreuen können.

"Bokida – A Heartfelt Reunion" ist für Windows PC erschienen und kostet knapp 18 Euro.

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